Jeder von uns hat schon mal außergewöhnliche Gebäude in Großstädten bestaunt oder historische Bauwerke bewundert. Denken Sie nur an das Schloss Neuschwanstein in Bayern, an die Skyline in Frankfurt oder an den Reichstag in Berlin! Majestätisch ragen diese Wunder der Architektur aus dem Boden und ziehen faszinierte Blicke auf sich. Doch was würde passieren, wenn der Grund, auf dem diese Meisterwerke stehen, plötzlich nachlässt? Würden sie weiterhin so majestätisch in die Höhe ragen oder doch elend in sich zusammensacken? Die Größe dieser Architekturmeisterwerke würde mit einem Schlag abnehmen: Denn nicht einmal der höchste Turm dieser Welt kann sich ohne ein gutes Fundament halten.

Und genauso verhält es sich mit dem Ehrenamt. Mag die Organisation noch so groß, angesehen und erfolgreich sein: Ohne die wertvolle Arbeit der Ehrenamtlichen würde alles in sich zusammenfallen. Doch in unserer Zeit bekommt man das Gefühl, dass das Ehrenamt immer weniger geschätzt wird. Erklärungen gibt es dafür viele, auch wenn sie für manche recht bitter klingen.

Ehrenamt ist mittlerweile ja beinahe zur Selbstverständlichkeit geworden. Viele haben wohl vergessen, was Ehrenamt tatsächlich bedeutet. Oft wird die Leistung, welche die Ehrenamtlichen erbringen, einfach übersehen. Dabei setzen sich diese Menschen zum Wohle der Gemeinschaft ein. Sie geben ihr Bestes, investieren all ihre Zeit und Kraft, um etwas zu verändern, zu verbessern und ein gemeinsames Ziel zu erreichen.

Wird dies aber nicht geschätzt und jahrelang übersehen, verlieren die Ehrenamtlichen oft die Motivation weiterzumachen. Viele von ihnen bekommen das Gefühl, sie müssten immer mehr leisten, und je mehr sie machen, desto mehr wird von ihnen gefordert.

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Aber wir dürfen nicht vergessen, dass diese Menschen außer dem Ehrenamt noch eine Familie und einen Beruf haben! Ehrenamt sollte in der Freizeit ausgeübt werden und darf sich nicht negativ auf das Familien– oder Berufsleben auswirken. Doch viele Ehrenamtlichen sind ihrer Sache so leidenschaftlich ergeben, dass sie kaum einmal zurückstecken können. Sie erwarten für ihre Arbeit kein Geld, keine großen Geschenke, keinen Ruhm, keine Ehrungen, viele von ihnen erwarten nicht einmal ein Dankeschön. Sie machen das aus Überzeugung, als Leidenschaft, aus Liebe zu anderen Menschen (oder bei Tierschutzvereinen auch aus Liebe zu Tieren). Solche Menschen sind in unserer Zeit wahre Goldschätze, und ihre Leistung muss gewürdigt und anerkannt werden.

Blicken wir doch in die Strukturen der Vereine: Jede gemeinnützige Organisation basiert auf der Arbeit der Ehrenamtlichen. Diese Menschen können vielleicht keine großen Reden schwingen wie die Politiker im Bundestag, vielleicht haben sie auch keine außergewöhnlichen Fähigkeiten – aber deshalb sind sie für den Erfolg der Organisation nicht weniger wichtig! Was ist denn mit all diesen Menschen, die im Verein Kurse für Kinder und Erwachsene anbieten, die Chöre und Tanzgruppen leiten, die nachts Kostüme für den nächsten Auftritt nähen oder das Bühnenbild für die Aufführung malen? Was ist mit denen, die Kuchen backen, einen Verkauf organisieren, stundenlang die Theke bedienen, kleine Feste ausrichten und nach diesen Festen auch noch mit dem Wischmop durch die Räume gehen, weil diese Arbeit auch getan werden muss!

Sie sind das Fundament des Erfolgs! All diese Menschen, die keine Zeit und keine Mühe scheuen, um wundervolle Dinge zu vollbringen. Sie handeln nicht eigensinnig, nicht zum eigenen Nutzen, nicht um irgendeine Karriereleiter zu erklimmen. Sie machen das einzig und allein zum Wohle der Gemeinschaft und weil sie an diese Gemeinschaft glauben!

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Aber leider passiert es immer wieder, dass die Bedeutung und die Rolle dieser Menschen und ihrer Arbeit für den Verein nicht gesehen und nicht anerkannt werden. Denn viele, vor allem große Organisationen, ziehen es vor, sich mit berühmten Persönlichkeiten zu schmücken, schieben charismatische Redner vor, stellen die etwas lauteren und mutigeren in den Vordergrund – und vergessen dabei ganz oft, dass ein Verein nicht allein von schönen Reden und öffentlicher Show leben kann.

Ein Verein ist nur dann erfolgreich, wenn er auf der Basis vieler engagierter Menschen arbeitet, die bedingungslos und ergeben, mit kleinen und fast unscheinbaren Taten ihren Teil zu diesem Erfolg beitragen.

Aber man darf von diesen Menschen nicht zu viel verlangen. Denn letztendlich soll Ehrenamt doch Spaß machen. Ehrenamt soll einen erfüllen und Freude bringen. Ehrenamt soll Menschen motivieren, etwas für die Gemeinschaft zu tun. Ehrenamt soll Menschen zusammenbringen. Ehrenamt soll fördern, bilden, unterhalten, weiterentwickeln, helfen, trösten, aufbauen. Das Einzige, was Ehrenamt nicht soll, ist „müssen“.

Man darf nicht zulassen, dass Ehrenamtliche entmutigt oder demotiviert werden. Auch wenn sie alles selbstlos machen – ein nettes Lächeln, ein herzliches Dankeschön oder ein kleines Zeichen der Anerkennung können bereits Großes bewirken.

Diesen Helfern gebührt all der Respekt und die Anerkennung für ihren großartigen Einsatz. Ehrenamtliche sind das Fundament jeden Vereins. Sie sind das Herz, und die wichtigste Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass dieses Herz nie aufhört zu schlagen.

Katharina Martin-Virolainen

Der Artikel erschien in der Ausgabe 10/2017 von „Volk auf dem Weg“.

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