Möbel aus Kurt oder die Jurte im Bauhaus-Stil. Das kulturelle Erbe ist nicht statisch, sondern nur als natürlicher Prozess zwischen Erinnerung, Verfall und Rückbesinnung zu verstehen. Kulturschaffende aus Europa und Zentralasien laden dazu ein, sich dieses Experiments anzunehmen und über Nachhaltigkeit im Sinne der Nomaden-Kulturen zu sinnieren.

Bis zum 1. Mai konnten Besucherinnen und Besucher eine besondere Kunstausstellung in Almaty bestaunen. „Ancient Futures“ – Antike Zukunftsvisionen, auf den ersten Blick ein widersprüchliches Begriffspaar, verknüpft es doch historische Tradition und moderne Interpretation im Blickfeld der künstlerischen Entfaltung. Keineswegs gegensätzlich nahm sich die internationale Ausstellung im Egin Art Space der Frage an, wie traditionelle Handwerkskünste aus der Vergangenheit zur Bewältigung globaler Umweltprobleme der Zukunft beitragen können.

Die Ausstellung versteht das kulturelle Erbe nicht als museales Archiv, sondern als lebendige Wissensquelle. In über 20 Projekten werden Techniken der traditionellen kasachischen Handwerkskunst neu interpretiert und mit modernen ökologischen Technologien kombiniert – von der biologischen Architektur mit Pilzmyzel bis hin zu umweltfreundlich gefärbter Wolle, bei der auf chemische Zusätze verzichtet wird.

Mit wissenschaftlicher Präzision, künstlerischem Mut und einem tiefen Respekt vor traditionellen Lebensweisen schafft es die Ausstellung, einige durchgängige Narrative zu kreieren: Geschichte ist nicht gleich Geschichte; sie wirkt in unsere Zeit, unser Denken hinein.

Von Bauhaus und deutscher Innovationsvernarrtheit

Die vom British Council initiierte Schau bringt Menschen aus Kunst, Wissenschaft und Design aus Kasachstan, Usbekistan, dem Vereinigten Königreich, Spanien, Slowenien und Deutschland zusammen, um den fruchtbaren Dialog zwischen kulturellem Erbe und biotechnologischer Innovation erlebbar zu machen.

Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Beiträgen deutscher Kulturschaffender, die mit ihrer interdisziplinären Arbeit das verbindende Thema der Ausstellung wesentlich mit geprägt haben. In Kooperation mit kasachischen und internationalen Partner:innen zeigen sie etwa, wie Myzel – das Wurzelgeflecht von Pilzen – als Baumaterial für temporäre urbane Behausungen von Wildtieren wie Vögeln und Bienen genutzt werden kann. Diese Strukturen sind nicht nur biologisch abbaubar, sondern tragen auch aktiv zur Regeneration urbaner Ökosysteme bei.

Ein weiteres deutsch-kasachisches Gemeinschaftsprojekt untersucht, wie Algenzellen aus der Region des austrocknenden Aralsees genutzt werden können, um keramische Oberflächen von Schadstoffen zu reinigen. Dieser innovative Ansatz, bei dem biologische Mikroorganismen aktiv zur Luftreinigung beitragen, reflektiert nicht nur ökologische Dringlichkeit, sondern auch eine kreative Auseinandersetzung mit der Umweltzerstörung in Zentralasien. Auch das Goethe-Institut ist als Partner institutionell beteiligt. Als Kulturinstitut fördert es internationale Kooperationen zwischen Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt durch Stipendien, Vorträge und Workshops.

Über Grenzen hinweg

„Ancient Futures“ beweist eindrucksvoll, dass ein transkultureller und interdisziplinärer Austausch nicht nur kreatives Potenzial hervorbringt, sondern auch zur Entwicklung nachhaltiger Zukunftsstrategien beitragen kann. Die Zusammenarbeit auf der internationalen Ebene schafft dabei etwas Einzigartiges, indem sie europäische Perspektiven mit lokalem Wissen verbindet. Die Ausstellung ist nicht nur ästhetisch, sondern auch ökologisch richtungsweisend.

Taschkent ist der nächste Halt der Künstlerkohorte. Als antike Stadt zieht sie jährlich tausende Besucherinnen und Besucher in ihren Bann und bietet mit ihrer reichen Geschichte und kulturellen Vielfalt einen Resonanzraum für die Inhalte der Kreativwerke.

Anton Genza

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