15 Jahre ist die kasachstanische Währung – der Tenge – in diesen Tagen alt geworden. Vielleicht ist es aber besser zu sagen jung geworden. Schließlich ist der Tenge im Vergleich mit solchen ehrwürdigen Währungen wie dem Dollar oder dem britischen Pfund noch ein Baby. Der Euro allerdings ist noch jünger – der wird im nächsten Jahr gerade mal zehn und das auch nur in seiner Form als Buchgeld.
Doch zurück zum Tenge. Wie kann man dessen Entwicklung eigentlich einschätzen? Insgesamt positiv. Am Anfang wurde er durchaus von vielen belächelt und eher links liegen gelassen, soweit das im Rahmen des staatlichen Monopols auf die Ausgabe von Zahlungsmitteln möglich war. Viele Zahlungsoperationen – gedanklich oder real – wurden Mitte bis Ende der 1990er Jahre noch in alten sowjetischen Rubel (eher von der Rentnergeneration) und in US-Dollar (vorwiegend von der jüngeren Generation) ausgeführt. Auch die Spareinlagen – ehedem noch sehr gering – wurden kaum in Tenge gehalten, sondern fast ausschließlich in Dollar. Dieses als „Dollarisierung“ in der Wirtschaftstheorie beschriebene Verhalten der Wirtschaftssubjekte war so normal wie unerwünscht. Normal deshalb, weil das Vertrauen in den Tenge und die dahinter stehende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des jungen Staates noch sehr gering war; unerwünscht weil die Nationalbank Kasachstans nur eingeschränkte Möglichkeiten der Geldmengensteuerung hat, wenn ein Großteil der Zahlungs- und Sparprozesse in einer Währung ablaufen, die nicht dem Lande gehört.
Unser modernes Geld, das überwiegend aus ein paar dürren Ziffern auf völlig normalem Druckpapier (Buchgeld) oder auf schön bunt bedruckten, aber dennoch eigentlich keinen eigenen Wert darstellenden Banknoten (Bargeld) besteht, kann seine Funktionen nur erfüllen, wenn die Wirtschaftssubjekte Vertrauen in dieses Papier haben. Dieses Vertrauen aber ist nicht automatisch gegeben, sondern muss von der Nationalbank des jeweiligen Währungsgebietes erst erarbeitet und dann ständig gesichert werden. Vertrauen der Geldbesitzer entsteht dann, wenn das eigentlich wertlose Papiergeld auch durch ausreichend Waren gedeckt ist und wenn die Inflation ein optimales Maß nicht übersteigt.
Mittlerweile hat die Nationalbank in Kasachstan wohl beim größten Teil der Bevölkerung das notwendige Grundvertrauen erworben. Das drückt sich vor allem in der schrittweisen Umschichtung der Spareinlagen von ausländischen Währungen und von vergebenen Krediten in heimatlichen Tenge aus. In beiden Kategorien werden heute immerhin etwa zwei Drittel der Operationen in Tenge ausgeführt.
Natürlich gibt es nach wie vor Prozesse der Dollarisierung. Am einfachsten ist das bei den Immobilienpreisen oder bei den Preisen für andere große Anschaffungen zu beobachten: Hier wird der Preis meist noch in Dollar genannt. Das ist sicher vor allem eine Frage der Einfachheit und Bequemlichkeit, schließlich lässt es sich mit 50.000 Dollar einfacher rechnen als mit soundso viel Millionen Tenge. Ich selbst, der ich in der Lehre von Amts wegen die Nachteile der Dollarisierung einer Volkswirtschaft darstellen muss, rechne auch lieber mit – beispielsweise – 100 Milliarden Dollar Bruttoinlandsprodukt als mit 12 oder 13 Billionen Tenge.
Das künftige Vertrauen der Bevölkerung in den Tenge und damit deren Akzeptanz, einschließlich der Möglichkeit der Nationalbank, die Inflation zu beeinflussen, wird vor allem von der Entwicklung zweier Faktoren abhängen. Erstens von der Inflationsrate, also der Binnenwertstabilität. Hier hat es, wie allgemein bekannt, in den letzten Jahren eher unerfreuliche Entwicklungen gegeben, kurzum die Inflation war zu hoch. In diesem Jahr wird man wohl bei etwa 10 Prozent Jahresinflation herauskommen. Das ist zwar fast eine Halbierung zum Vorjahr, aber immer noch zu viel.
Der zweite Akzeptanzfaktor ist der Wechselkurs vor allem zum Dollar. Der hatte in den letzten zehn Jahren eine durchaus normale Berg- und Talfahrt hingelegt. Zumindest für die nächsten etwa zwei Jahre scheint es schwieriger zu werden, den in den letzten Monaten relativ stabilen Kurs zum Dollar zu halten. Schließlich verringern sich die Deviseneinnahmen der Exporteure – der Export aber ist die Hauptquelle für Devisen in jedem Land. Folglich wird sich das Angebot von Dollar auf dem heimischen Devisenmarkt verknappen und der Preis in Tenge wird steigen. Das nennt man Abwertung der Tenge, was sowohl positive als auch negative Wirkungen hat.
Die meisten Unternehmen und sicher auch der größte Teil der Bevölkerung sind jedoch eher an relativ stabilen Wechselkursen interessiert. Um das zu erreichen, muss die Nationalbank am Devisenmarkt intervenieren und zusätzliche Dollars aus ihren Reserven auf den Markt werfen, um Angebot und Nachfrage in einem etwaigen Gleichgewicht zu halten. Bei einem deutlichen Rückgang der Ölpreise und damit der Deviseneinnahmen dürften die Devisenreserven der Nationalbank aber schneller als erwünscht dahinschmelzen. Das haben sie in den letzten Monaten bereits getan. Demnach ist wohl nicht auszuschließen, dass wir im nächsten Jahr eine gesteuerte Abwertung der Tenge zum Dollar erleben werden und infolge des Rückgangs des Tempos des Wirtschaftswachstums auch eine sinkende Inflation.
Das Gesamtvertrauen in den Tenge wird sich dann in Abhängigkeit von der Bewertung dieser beiden Faktoren durch die Wirtschaftssubjekte ändern. Ich denke, den meisten „einfachen“ Leuten ist der Inflationsaspekt wichtiger, so dass auf deren Seite eher ein Vertrauenszuwachs festzustellen sein wird.
Bodo Lochmann
21/11/08