Die deutsche Zeitung „Freundschaft“ (heute „Deutsche Allgemeine Zeitung“) wurde im Jahr 1966 in der Kasachischen SSR mit dem Ziel gegründet, dem Leser das Wort der Partei in seiner Muttersprache zu vermitteln. Ihr erster Redakteur war Alexej Debolski, und er war auch auf der Suche nach talentierten Journalisten für das Kollektiv der Redaktion.
Wie sich Johann Sartison erinnert, interessierte ihn damals eine Frage ganz besonders:
– Was ist passiert, dass diese zusätzlichen Mittel zur ideologischen Einflussnahme nötig waren? Wie sich herausstellte, entstand die Redaktion auf Wunsch einer staatlichen Delegation der deutschen Intelligenz, die in Moskau Anastas Mikojan besucht hatte. Das Spektrum der dort besprochenen Themen war breit gefächert. Die Delegation bat darum, die illegal liquidierte Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Wolgadeutschen wiederherzustellen, das Volk allerdings erhielt, wie ein kasachisches Sprichwort zu sagen pflegt, statt des eingeforderten Kamels lediglich ein Lamm, sprich, eine Zeitung.
Trotzdem gab die Gründung der Zeitung der deutschen Bevölkerung die Hoffnung auf eine schrittweise Lösung ihrer Probleme.
Alexej Debolski nahm am Krieg teil und arbeitete danach lange Zeit in Berlin in der Redaktion der „Täglichen Rundschau“. Er beeindruckte durch seinen Schreibstil, sein Auffassungsvermögen und seine Denkdisziplin. Außerdem war er ein begnadeter Diplomat und ein mutiger Mensch. In kurzer Zeit konnte er ein hervorragendes Team rekrutieren. Die jungen Menschen reisten aktiv in die entlegensten Winkel der Republik und erstellten relevante und interessante Materialien, und die älteren Kollegen, die von ihrer Erfahrung geprägt waren und ihre Muttersprache fließend beherrschten, übersetzten sie ins Deutsche. Viele von ihnen hatten vor dem Krieg in den Redaktionen deutscher Zeitungen gearbeitet.
Dem Chefredakteur ist es gelungen, eine einzigartige Atmosphäre zu schaffen, in der jeder seinen Kollegen bewusst ergänzt. Die jungen Menschen lernten ihre Muttersprache, und die Veteranen lernten ihrerseits von einer neuen Generation der Technologie, die nach einem Vierteljahrhundert nicht mehr wiederzuerkennen war.
Bekannte Publizisten aus den Reihen der „Freundschaft“
Für das Redaktionskollektiv gab es als Belohnung das Zusammentreffen mit legendären Persönlichkeiten aus den Reihen der Sowjetdeutschen, die die Einladung, in der Redaktion zu arbeiten, angenommen hatten. Die Kohorte umfasste die Schriftsteller Dominik Hollmann und Ernst Kontschak. Später leisteten auch Nora Pfeffer, Paul Rangenau und viele andere ihren Beitrag.
Ab der ersten Ausgabe investierte Rudolf Jacquemien, Poet aus Kaliningrad, gigantische Anstrengungen in der stilistischen Arbeit. Der gebürtige Deutsche emigrierte auf dem Fahrrad nach Holland, als der Faschismus aufkam, anschließend fand er Zuflucht in der UdSSR. Als Seemann umrundete er die ganze Welt. Der Stalinismus trieb ihn dann in die Mine, wo er Hunger litt. Nach der Arbeitsarmee ließ er sich in Kaliningrad nieder. Seine „Verse am Wochenende“ waren immer sehr publizistisch. Auf diesem Posten wurde er von der nicht minder mutigen Luise Hörmann abgelöst, die von einem ähnlichen Schicksal geprägt war.
Wenn man auf die Geschichte der Zeitung zurückblickt, kommt man nicht umhin, der Redaktion den ihr gebührenden Tribut zu zollen. Alle ihre Mitglieder arbeiteten und lebten immer mit einem Gedanken: die Rehabilitierung der nationalen Psychologie, die Wiederbelebung der Spiritualität, die Schließung der Lücke in der nationalen deutschen Kultur, die sich im August 1941 auftat und sich über viele Jahre hinzog.
Aus vielen der jungen Journalisten der „Freundschaft“ sind sehr bekannte Publizisten erwachsen, die Preisträger des Gewerkschaftswettbewerbs des Journalistenverbandes geworden sind – allen voran Leo Weidmann, der später in den Schriftstellerverband aufgenommen wurde. Hugo Wormsbecher, der nach Moskau in das „Neue Leben“ delegiert wurde, wurde ebenfalls Mitglied des Schriftstellerverbandes. Arvid Lange hat dort 18 Jahre lang als Korrespondent für Kasachstan und Kirgisien gearbeitet.
Unauslöschliche Erinnerung
In den ersten Nachkriegsjahren standen die Deutschen in Folge von Deportation sowie Mobilisierung zur Front und in die Arbeitsarmee wie keines der zwölf verfolgten und deportierten Völker vor dem Problem, ihre Eltern oder Kinder zu suchen, während sie nur eine einzige Adresse in ihren Händen hielten: die Sowjetunion. Und in diesem Arbeitsfeld hat die Zeitung den Respekt und die Anerkennung ihrer Leser gewonnen. Das Glück, seine Verwandten wiederzusehen, war oftmals dank nur eines einzigen Artikels keine Seltenheit.
Die Zeitung trug in sich auch das Gefühl der Hoffnung und der Liebe für die eigenen Traditionen, die Bräuche und die Muttersprache, welche sich schneller als der Wind im riesigen Kasachstan verbreiteten. Die Auflage wuchs auf 22.000 Exemplare. Sie wurde bei weitem nicht nur von Deutschen gelesen, sondern auch von zahlreichen Freunden der deutschen Sprache. Die Redaktion veranstaltete Wettbewerbe für Deutschlerner und organisierte Ratespiele.
In den 1990er Jahren durchlebte die Zeitung alles andere als gute Zeiten. Ihr lesendes und auch schreibendes Publikum verkümmerte. Aber ganz egal, wie viele Menschen sie lesen, die Zeitung bleibt für sie bis heute notwendig. Der Weg, den sie beschritt, war kein einfacher, aber sie hielt immer an den Menschen fest, die wie besessen eine unauslöschliche Erinnerung an sich selbst hinterließen.