Der Besuch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in Kasachstan Mitte Juli hat es noch einmal gezeigt: Die deutsche Wirtschaft baut ihre Geschäfte in Kasachstan aus und kommt dabei gut voran. Zwar hat sich Angela Merkel nur ein paar Stunden Zeit genommen, um mit Präsident Nasarbajew zu reden, dabei sind aber Abkommen von mehr als zwei Milliarden Euro unterzeichnet worden.


Natürlich werden solche Abkommen langfristig und speziell für Staatsbesuche vorbereitet, schließlich will man etwas vorzeigen. Siemens z. B. besiegelte eine Absichtserklärung über die Modernisierung der kasachischen Staatsbahn Temir Sholy. Das Unternehmen will in einem Zeitraum von zehn Jahren 100 moderne Passagierlokomotiven ausrüsten sowie die Stromversorgung der Bahn und die Signal- und Sicherungstechnik auf den neuesten Stand bringen. Im vergangenen Jahr hat Siemens in Kasachstan ein Rekordergebnis erreicht. Der Umsatz ist im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent gestiegen, unter anderem durch die Lieferung eines vollautomatischen Postsortierungssystems nach Almaty.

Der Handelskonzern Metro will dem im Oktober letzten Jahres in Kasachstan ersten eröffneten Cash- und Carry-Markt in den nächsten Jahren zehn weitere folgen lassen. Auch die Mehrheit der anderen deutschen Unternehmen kann positive Geschäftszahlen vermelden, die zum Teil auch auf den wieder moderaten Wechselkurs des Euro zum Tenge zurückzuführen sind.

Im Jahre 2009, das auch für Kasachstan als Krisenjahr in die Wirtschaftsgeschichte eingegangen ist, sanken die deutschen Ausfuhren allerdings um fast 16 Prozent und betrugen nur noch 1,6 Milliarden Euro. Gleichzeitig sanken die Importe aus Kasachstan (darunter etwa sechs Millionen Tonnen Erdöl) gar um die Hälfte auf 2,3 Milliarden Euro. Kasachstan hat demnach mit Deutschland eine positive Außenhandelsbilanz.

Für die Zukunft werden die Chancen auf ein weiteres Ansteigen der gegenseitigen Warenströme von allen Seiten positiv eingeschätzt. Die gesamtwirtschaftlichen Daten beider Länder bestätigen diese Erwartungen. Kasachstan ist mit Abstand von den fünf zentralasiatischen Staaten der größte Handelspartner Deutschlands und mittlerweile wohl auch der wichtigste politische Partner. Das bedeutet jedoch nicht, dass Handels-, Investitions- und andere Projekte automatisch laufen.

Infolge der Zentralisierung vieler Entscheidungsprozesse in Kasachstan auf hoher und höchster Ebene ist hier in besonderem Maße die politische Unterstützung oder auch das konkrete Handeln „von oben“ notwendig, um beidseitig gewünschte Prozesse überhaupt in Gang zu bringen oder zu dem gewünschten Ergebnis zu führen. Für viele deutsche Unternehmen ist das ein etwas ungewohnter Prozess, weil sich in Deutschland der Staat weniger konkret mit wirtschaftlichen Detailfragen beschäftigt als in Kasachstan.

Während des Treffens von Merkel mit Nasarbajew wurde auch auf die Chancen hingewiesen, die die ab dem 1. Juli in Kraft getretene Zollunion Kasachstans mit Russland und Weißrussland ausländischen Unternehmen bietet. Der potentielle Absatzmarkt – auch für deutsche Unternehmen – hat sich damit von bisher gerade mal 16 Millionen möglichen Kunden auf über 170 Millionen erweitert. Sicher ist das erst einmal eine Frage des Potentials. Zum einen schlafen die Konkurrenten deutscher Unternehmen auch nicht, zum anderen sind diese 170 Millionen Verbraucher keine homogene Masse mehr.

Den großen Chancen des Drei-Länder-Marktes stehen jedoch viele Regelungen des Zollunionsprojektes entgegen, die Importe aus Drittländern eher benachteiligen denn fördern. Die Zollunion ist zu einseitig auf die Bedürfnisse Russlands und seiner Produktion ausgerichtet als dass sie in ihrem jetzigen Zuschnitt die großen Erwartungen erfüllen könnte. Dennoch ist sie ein Fortschritt, allerdings ist auch hier im konkreten Einzelfall die Unterstützung der Politik gefragt, um Projekte, vor allem im Investitionsbereich, zum Nutzen aller Beteiligten voranzubringen. Die Notwendigkeit der Einmischung von oben aber birgt immer auch Gefahren, darunter die der Zeitverzögerung und der subjektiven Beeinflussung.

Bodo Lochmann

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