Nach Deutschland will nun auch Japan auf die Atomkraft verzichten. Damit könnte Deutschland nach Ansicht von Kolumnist Bodo Lochmann ein Konkurrent bei der Entwicklung grüner Technologien erwachsen.

Nach Deutschland im vergangenen Jahr hat kürzlich auch die japanische Regierung den Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie beschlossen. Zwar ist die entsprechende Ankündigung ziemlich vage und unverbindlich, aber klar ist dennoch, dass nach dem Unfall im Kernkraftwerk Fukushima im vergangenen Jahr auch in Japan die Atomkraft keine Zukunft mehr hat. Damit hat das Land eine energiepolitische Kehrtwende um 180 Grad vollzogen, schließlich wurde noch vor etwa zwei Jahren verkündet, dass der Atomstrom-
anteil von damals dreißig auf fünfzig Prozent bis 2030 erhöht werden soll. Das Desaster von Fukushima hat diese Pläne aber berechtigterweise zur Makulatur gemacht. Nun soll bis Ende der 2030er Jahre der letzte Atommeiler in Japan vom Netz gehen. Sicher ist es bis dahin noch ein weiter Weg, aber bereits jetzt ist klar, dass es im Parlament keine Zustimmung zum bisherigen „Weiter so“ geben wird, denn mittlerweile sind alle großen Parteien auf einen atomkritischen Pfad umgeschwenkt.

Japans Beschluss wird große Auswirkungen auf die Weltenergiemärkte haben. Japan ist momentan der drittgrößte Nutzer der Kernkraft und importiert entsprechend große Mengen an Uran. Vom schrittweisen Rückgang der Nachfrage nach diesem Material wird auch Kasachstan betroffen sein. Erst vor wenigen Jahren wurden zwischen Kasachstan und Japan Regierungsvereinbarungen zur Zusammenarbeit im Uranbereich abgeschlossen. Diese Vereinbarungen sind nun in Frage gestellt und von Interesse ist, wie die japanischen Vertragspartner aus diesen Verträgen herauskommen. Aber auch für die Erzeuger von Kernenergietechnik ist die japanische Entscheidung ein schwerer Schlag. Zum einen ist Japan einer der größten Märkte für diese anspruchsvolle Technik und zum anderen gehören einige japanische Konzerne zu den Technologieführern in diesem Bereich. Deren Know-how wird der Branche künftig fehlen, wie auch das von Siemens, wo schon zu Jahresbeginn beschlossen wurde, weltweit aus der Fertigung von Komponenten für Kernkraftwerke auszusteigen.
Aber auch die Rohstoffmärkte werden ins Rutschen kommen. Japan muss für das Schließen der Atomstromlücke mittelfristig große Mengen an fossilen Brennstoffen importieren und dafür jährlich mehrere Dutzend Milliarden Dollar ausgeben. Gleichzeitig entsteht in Japan ein riesiger Markt für Anlagen zur Erzeugung von Ökostrom, vor allem aus Windenergie, möglicherweise aber auch aus Biomasse und Sonnenenergie. Hier wird buchstäblich alles an Technik gebraucht, angefangen von Windrädern über intelligente Stromnetze, Stromzähler, elektronische Steuerungseinheiten bis hin zur Isoliertechnik und entsprechenden Engineeringleistungen.

Das Regierungsprogramm sieht vor, bis zum Jahre 2030 den Anteil von Ökostrom von bisher 10 Prozent mindestens zu verdreifachen. Die Produzenten von grüner Umwelttechnik reiben sich entsprechend schon die Hände, die Nachfrage nach ihren Produkten wird durch Japan einen kräftigen Schub bekommen, ebenso die weltweite Nutzung erneuerbarer Energiequellen.

Deutschland und Japan, die momentanen Weltwirtschaftsmächte Nummer drei und vier sind somit durch Fukushima auf eine spezielle Art und Weise verbunden. Der Atomunfall im japanischen Kernkraftwerk im Mai 2011 hat die in Deutschland traditionell schon immer gegebene Ablehnung der Atomnutzung durch breite Schichten der Bevölkerung endgültig in Richtung „Weg damit“ umkippen lassen; in Japan musste dazu erst ein eigener Atomunfall mit verheerenden Folgen passieren. Beide Staaten haben nun jedoch wohl auch die gemeinsame Chance, zu den Vorreitern und Gewinnern von dem zu gehören, was man in Deutschland „Energiewende“ nennt. Damit ist der schrittweise und zielgerichtete Übergang zur vorwiegenden Nutzung atom- und verbrennungsfreier Technologien zur Stromerzeugung gemeint.

Japans Energiewende kann für die in vielen Bereichen der Nutzung neuartiger Energiequellen führenden deutschen Unternehmen jedoch auch eine Gefahr bedeuten. In einer ganzen Reihe von speziellen Produkten des sich im Aufbau befindlichen neuen Energieversorgungssysstems, darunter bei Akkusals Energiespeicher und Brennstoffzellen als Antriebsaggregat sind japanische Unternehmen den deutschen Konkurrenten technologisch oft voraus. Der politische Beschluss zum Ausstieg aus der Atomnutzung wird die Anstrengungen japanischer Produzenten grüner Technik zur breiten industriellen Nutzung erneuerbarer Energiequellen enorm verstärken. Und natürlich können und werden sich japanische Produzenten nicht mit ihrem Heimatmarkt begnügen, sondern Produzenten aus anderen Ländern auf allen Märkten dieser Welt angreifen.

Bodo Lochmann

Teilen mit: