Der Ethnologe Jesko Schmoller (29) lebt seit Sommer 2006 in der usbekischen Hauptstadt Taschkent. In seinem neunten Bericht beschreibt er ein Beschneidungsfest. 

Sieben Uhr morgens, die Feierlichkeiten können beginnen, nur von den Ehrengästen fehlt jede Spur. Bis sie in Erscheinung treten, wird auch noch etwas Zeit vergehen. Der Morgen ist derweil der männlichen Verwandtschaft und Freunden der Familie vorbehalten.

Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich auf einem usbekischen Beschneidungsfest. Oder sollte ich sagen, auf einem tadschikischen Beschneidungsfest? Die Familie besteht zum Großteil nämlich aus ethnischen Tadschiken. Macht wahrscheinlich keinen großen Unterschied, wenn man schon vor der Geburt der Republik auf heute usbekischem Boden lebte und einen außer der Volkszugehörigkeit nichts weiter mit Tadschikistan verbindet.

Zur schnelleren Essenversorgung der Gäste bilden die jungen Männer eine Schlange und reichen Teller um Teller Plow weiter – von der Küche bis an jeden einzelnen Tisch. Der Ablauf der ganzen Morgenveranstaltung ist so durchorganisiert, dass mir kaum Zeit zum Essen bleibt. Hastig schlinge ich ein paar Löffel Reis mit Lammfleisch herunter, dann strömt die Menge auch schon vor die Tür. Hier werden die Gastgeber und an der Organisation Beteiligten geehrt, indem man ihnen die schweren usbekischen „Tschopon“-Mäntel umlegt und die schwarzen, quadratischen Hütchen aufsetzt, die „Dopi“ genannt werden.

Fünf Stunden später. Die Auffahrt des „Hotel Usbekistan“. Eine Limousine fährt vor, der die drei kleinen Ehrengäste entsteigen. Timur, Firdaus und Sardor sind zwischen drei und neun Jahren alt. Sie laufen durch grünen und purpurnen Schwefelrauch und wirken spätestens etwas eingeschüchtert, als sie am Hoteleingang von ein paar Kostümierten empfangen werden – Spiderman, Winnie der Puh und ein seltsamerweise bärtiger Batman. Im Festsaal werden die Jungs vor den Augen der Geladenen umhergetragen und in die Luft gestemmt. Dann setzt man sie auf der Ehrentribüne in große, edle Sessel, in denen sie fast verschwinden. Von hier aus können sie das nun folgende orientalische Disney-Spektakel beobachten: Tänzer, die sich als Wölfe und Igel verkleidet haben, werden abgelöst von Größen der usbekischen Musikwelt, wie dem HipHop-Star „Shaxriyor“ und der Pop-Sängerin „Rayhon“. Mit einem Überraschungsauftritt von „Tokio Hotel“ auf einer deutschen Party lässt sich das wohl nicht ganz vergleichen, aber trotzdem bin ich erstaunt. Immerhin habe ich auf dem Fernsehbildschirm meiner Gastfamilie die beiden sich durch unzählige Clips singen sehen. Zunehmend wird die Stimmung ausgelassener. Zuerst trauen sich die vom süßen Wein ermutigten Frauen auf die Tanzfläche, dann ziehen die wodka-enthemmten Männer nach. In einem Regen aus Seifenblasen und künstlichen Schneeflocken tanzen sie zusammen mit den Ehrengästen, die zum Teil schon etwas überhitzt wirken.

Als ich dem kleinen Timur vorgestellt werde, dessen Nerven nach all der Aufregung blank liegen, ballert er mir zur Begrüßung ins Gesicht und verkrallt sich anschließend darin. Gut, dass ich zu diesem Zeitpunkt schon so angetrunken bin, dass meinerseits ein Wisch mit der Hand genügt, um mein zerknautschtes Gesicht wieder herzurichten und erneut in der Menge zu verschwinden.

Von Jesko Schmoller

15/06/07

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