Kai Franke ist seit 2005 Leiter des DAAD-Informationszentrums in Duschanbe. Der 37-jährige studierte Slawist, Politologe und Islamwissenschaftler unterrichtet an der Pädagogischen Universität in Duschanbe und koordiniert die Aufgaben des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Tadschikistan. Unsere Duschanbe-Korrespondentin Nicole Marquardt hat mit dem Deutschen gesprochen.
Herr Franke, wie ist das Jahr 2006 für den DAAD in Duschanbe gelaufen?
Das vergangene Jahr war für uns sehr erfolgreich. Wir haben gemeinsam mit dem „Aga Khan Humanities Project“ ein Seminar zu Forschungsmethoden in den Geisteswissenschaften mit Teilnehmern aus Tadschikistan und Kirgisistan und einem Referenten des Max-Planck-Instituts Halle organisiert. Mit der Medizinischen Universität Duschanbe veranstalteten wir eine Konferenz zur Rekonstruktionschirurgie mit Gästen aus Kabul, Moskau, Bischkek und München. Die Treffen mit grenzüberschreitender Beteiligung kann man als wirkliche Höhepunkte bezeichnen. 2006 haben wir 40 tadschikische Stipendiaten nach Deutschland verabschiedet. Stipendien wurden für Studentengruppenreisen, Sommerkurse, Forschungsaufenthalte, Masterstipendien und sogar für eine Promotion vergeben. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Botschaft haben wir das vierte deutschsprachige Theaterfestival in Duschanbe durchgeführt. Im Kulturzentrum „Bactria“ etablierten wir außerdem einen regelmäßig stattfindenden Deutschklub, einen Sommerkurs zur deutschen Landeskunde, ein Lehrerfortbildungsseminar und einen Germanistenworkshop mit Gästen aus Teheran, Kabul, Bischkek, Almaty und Chudschand.
Gab es auch Veranstaltungen für die Deutschlehrer in Tadschikistan?
In Zusammenarbeit mit der Deutschen Botschaft und der finanziellen Unterstützung durch das Goethe-Institut, die ZfA und den DAAD haben wir einen ersten nationalen Deutschlehrertag mit über 100 Teilnehmern aus ganz Tadschikistan eingeführt. So etwas hat es vorher in Tadschikistan nicht gegeben. Deshalb wollen wir so ein Ereignis jetzt jährlich organisieren. Der Deutsche Botschafter in Tadschikistan, Rainer Müller, hat zugesagt, auch 2007 alle Deutschlehrer aus Anlass der Deutschlehrertags zu einem Empfang einzuladen. Solche Unterstützung kommt bei den Deutschlehrern gut an.
Für mich ist es besonders wichtig, dass auch wir jetzt wie die Deutsch-Kasachische Universität in Almaty in der Lage sind, Teilnehmer aus den Nachbarländern Kirgisistan, Kasachstan und Afghanistan zu unseren Sommerschulen einzuladen.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit DAAD und Goethe-Institut?
Leider konnte sich das Goethe-Institut bisher kaum in Tadschikistan engagieren, es ist hier nicht mit einem Institut vertreten. Duschanbe wird vom Goethe-Institut Taschkent (Usbekistan) betreut. Die Verkehrsverbindung und die Beziehungen zwischen den beiden Ländern sind nicht gerade begünstigend für eine Zusammenarbeit. Das erschwert unsere Aktivitäten. Gemeinsam mit der Deutschen Botschaft und dem Kulturzentrum „Bactria“ übernehmen wir Aufgaben, die eigentlich einem Goethe-Institut obliegen würden. In Ermanglung eines deutschen Lesesaals ist unsere DAAD-Bibliothek öffentlich zugänglich.
Welche Veranstaltungen und Aktionen plant der DAAD Duschanbe für 2007?
In diesem Jahr werden wir wieder einen DAAD-Sommerkurs, ein Lehrerfortbildungsseminar, einen Deutschlehrertag und eine Alumnenkonferenz zum Thema: „Das Genderkonzept – Probleme und Perspektiven in Tadschikistan anbieten.“ Auch das Theaterfestival wird im Mai wieder stattfinden. Besonders freuen wir uns auf eine Konferenz zur Landnutzung in Zusammenarbeit mit der GTZ und dem DED im tadschikischen und afghanischen Pamir mit Gästen und Experten aus Deutschland, Afghanistan und Kirgisistan, darunter viele Alumnen deutscher Hochschulen.
Was sind aus ihrer Sicht die besonderen landesspezifischen Herausforderungen für den DAAD in Tadschikistan?
Landesspezifische Aspekte gibt es verschiedene. Das zurückhaltende Engagement der Hochschulen hinsichtlich internationaler Kooperationen auch aufgrund von Bürokratie ist ein sehr wichtiger Punkt. Außerdem kämpfen wir mit einer relativ schlechten Schulbildung hier. Doch das ist auch als eine Nachwehe des Bürgerkrieges zu betrachten.
Wie ist das Interesse der Tadschiken an Deutschland und der deutschen Sprache? Ist da ein Trend zu erkennen?
Das Interesse an Deutschland und Europa ist groß und wächst stetig. Viele Schüler und Studenten kommen täglich in das DAAD-Büro und informieren sich über ein Studium in Deutschland oder nutzen unsere Bibliothek. Die Fußballweltmeisterschaft 2006 war ein Meilenstein in dieser Entwicklung. Die Welthungerhilfe, das Bactria-Kulturzentrum und die Deutsche Botschaft organisierten die öffentliche Übertragung der einzelnen Fußballspiele auf Großbildleinwänden. Die begeisterte Stimmung konnte man auch hier in Duschanbe sehr deutlich spüren.
Wie entwickeln sich die Bewerberzahlen für DAAD-Programme?
Für Forschungsstipendien sind die Bewerberzahlen auf viel zu niedrigem Niveau stabil, in den anderen Stipendiensparten können wir uns nicht darüber beklagen. Entscheidend ist, dass Qualität und Quantität der Bewerbungen in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Die gemeinsame Auswahlkommission des DAAD und des Open Society Institute war im letzten Jahr nach ihren Erfahrungen in Kasachstan und Kirgisistan von der Qualität der tadschikischen Bewerber übrigens sehr angenehm überrascht.
In der Presse häufen sich die Berichte, dass tadschikische Eltern ihre Mädchen aus der Schule nehmen, um mit weniger Bildung deren Chancen auf dem Heiratsmarkt zu erhöhen. Deckt sich das mit ihren Erfahrungen?
Unter unseren täglichen Besuchern im DAAD-Informationszentrum sind ungefähr gleichviel Frauen und Männer. In den philologischen Studiengängen, mit denen man als DAAD-Lektor viel zu tun hat, ist die Verteilung von Männern und Frauen gleichmäßiger als in Kirgisistan und Kasachstan, wo Männer in der Minderheit sind. Laut Statistik von 2005 sind tatsächlich nur 26 Prozent der Studierenden Frauen. Vermutlich liegt das aber auch an den vielen männlichen Fernstudenten, die in die Statistik eingeflossen sind. Ich hatte bisher nicht das Gefühl, dass die Chancen auf dem „Heiratsmarkt“ durch Bildung grundsätzlich vermindert werden, werde aber gerade eines Besseren belehrt. Tadschikische und auch usbekische Familien mit geringen Einkommen neigen dazu, bei Engpässen im Familienbudget zuerst ihre Töchter vom Schulbesuch abzuhalten. Die offizielle Schulstatistik belegt das jedoch nicht. Eine deutsche Studentin, die zur Rolle gebildeter Frauen in der tadschikischen Gesellschaft eine qualitative Forschungsarbeit schreibt, hat festgestellt, dass Frauen mit Hochschulbildung tatsächlich größere Probleme haben, einen Partner zu finden als andere. Als verheirateter ausländischer Mann kann ich selbst wenig dazu sagen, meiner Kollegin aus Kabul, die während eines Besuchs mein Lehrerseminar vertrat, fiel aber auch sofort auf, dass die meisten Lehrerinnen im Seminar nicht verheiratet waren.
Herr Franke, vielen Dank für das Gespräch.
23/02/07