Es gibt viele Stipendien und Hilfen, um in Deutschland zu studieren. Doch es geht auch ohne. Gulnas Bakischewa ging Ende der neunziger Jahre nach Deutschland und organisierte diese Erfahrung auf eigene Faust. Der Studienplatz und die Unterstützung ihrer Eltern waren am Anfang alles, was sie hatte.
/Bild: Ulf Seegers. ‚Bewerbungsvorteil Auslandsstudium: Seit Frühjahr 2008 arbeitet Gulnas Bakischewa bei ThyssenKrupp in Kasachstan.’/
Eigentlich ist Karaganda Gulnas’ Heimat, und schon dort kam sie das erste Mal mit der Kultur Deutschlands in Kontakt. In der Schule lernte sie die deutsche Sprache und während der folgenden Umbruchzeit der neunziger Jahre in Kasachstan sah sie für sich die Möglichkeit, im Bereich der internationalen Beziehungen tätig zu werden. „Das war neu zu der damaligen Zeit“, erklärt die 32-Jährige, und so fing sie ein Germanistik-Studium an der Kasachischen Universität für Internationale Beziehungen und Weltsprachen in Almaty an.
Hürden auf dem Weg zum Studium
Nachdem sie ihr kasachisches Diplom in der Tasche hatte, wollte sie weiterstudieren. „Mein Ziel waren ein oder zwei Semester in Deutschland, um meine Sprachkenntnisse zu verbessern, aber die Möglichkeit des Auslandsstudiums musste ich mir damals selber schaffen.“ Deswegen bewarb sie sich einfach direkt bei den Universitäten in Dresden, Bochum und Leipzig. Kurz darauf erhielt sie eine Einladung aus Dresden, und ihr Entschluss, dorthin zu gehen, stand sofort fest.
Bald darauf war sie in Deutschland. Doch es kamen noch einige Hürden auf sie zu. Als erstes galt es, die „Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang“ (DSH) zu bestehen. Dieser ist eine Vorbedingung für die Einschreibung (Immatrikulation) von ausländischen Studierenden an deutschen Hochschulen. Gulnas wurde in speziellen Kursen darauf vorbereitet und bestand die Prüfung ohne größere Schwierigkeiten. Damit nicht genug. „Eigentlich wollte ich in Dresden internationale Beziehungen studieren, aber ich habe die Bewerbung dafür zu spät eingereicht“, gesteht Gulnas zaghaft. „Deshalb musste ich mich erst mal ein Jahr für Soziologie einschreiben“, denn der 1998 eingeführte Bachelor-Studiengang Internationale Beziehungen beginnt nur einmal im Jahr, im Wintersemester. Folglich musste sich Gulnas ein wenig gedulden, aber „Soziologie war auch ganz interessant.“ Beim nächsten Mal klappte dann alles besser. Sie reichte ihre Bewerbung pünktlich ein und wurde zum persönlichen Eignungsgespräch eingeladen. Dann hatte sie ihren Studienplatz. „Ich war selber ein bisschen überrascht, dass man mich als geeignet empfunden hat“, sagt Gulnas lachend.
„Das Schwierige ist, Studium und Arbeit miteinander zu verbinden“
Das wahrscheinlich schwierigste an ihren Plänen war jedoch, dass weder aus Kasachstan noch aus Deutschland ein Stipendium zur Verfügung stand. So musste Gulnas sich ihren Auslandsaufenthalt inklusive Flug und Unterkunft selber finanzieren – ohne die Unterstützung durch ihre Eltern hätte es aber vermutlich nicht geklappt. „Ich habe auch nie BAföG oder ähnliche Zuwendungen bekommen.“ Um sich dennoch finanziell über Wasser zu halten, hat Gulnas während ihrer Studienjahre in Deutschland viel gejobbt. Teilweise als Kellnerin in Kneipen, Bars oder bei Catering-Firmen, insgesamt auf sechs unterschiedlichen Stellen. Auch als Übersetzerin und Telefonistin in einem Call-Center verdiente Gulnas ihr Geld. Besonders als Übersetzerin wurde sie gut bezahlt. „Ich hatte verschiedene Einsätze bei Gericht. Vor allem russlanddeutsche Aussiedler standen immer wieder im Konflikt mit dem deutschen Gesetz, und die Jugendlichen konnten oft nicht so gut deutsch sprechen“, erläutert Gulnas mit einem entschuldigenden Lächeln. „Manchmal taten mir die jungen Männer auch leid. Sie hatten oft einfach Integrationsprobleme. Die Nebenjobs selber seien nicht schwer zu finden, meint sie. „Das Schwierige ist, Studium und Arbeit miteinander zu verbinden.“
Unbezahlbare Erfahrungen
Nach insgesamt sieben Jahren zog es Gulnas dann, mit einem deutschen Bachelor in internationalen Beziehungen in der Tasche, wieder in ihre Heimat nach Kasachstan zurück. Zuerst fand sie einen Job in der Öffentlichkeitsarbeit einer kasachischen Bank, doch empfand sie den ständigen Druck dort mit der Zeit als unangenehm. Dann ergab sich für Gulnas eine Gelegenheit. „Am deutschen Stammtisch in Almaty erfuhr ich von einer freien Stelle bei ThyssenKrupp“, erzählt sie. Ohne zu zögern meldete sich Gulnas daraufhin im hiesigen Büro des deutschen Unternehmens und schickte ihre Bewerbungsunterlagen ab. Nun arbeitet sie seit Frühjahr 2008 als Assistentin des Repräsentanten und hofft, zu gegebener Zeit auch mit einem Projekt von ThyssenKrupp in Kasachstan betraut zu werden.
Zwar zieht es Gulnas nicht zurück nach Deutschland, aber die Erfahrungen, die sie dort gemacht hat, sind unbezahlbar. „In allen Bewerbungsgesprächen waren mein Studium und der Auslandsaufenthalt ein Bewerbungsvorteil.“
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