Von Österreich nach Kasachstan – der Germanistik-Student Markus Weisenhorn wird die nächsten fünf Monate fernab der Heimat in Almaty verbringen. Der gebürtige Südtiroler unterrichtet Deutsch im Rahmen seines Auslandspraktikums an der Kasachischen Universität für Internationale Beziehungen und Weltsprachen „Abylai Chan“. DAZ fragte ihn nach seinen ersten Eindrücken und seinen Schwerpunkten im Unterricht.

DAZ: Markus, was hat Sie dazu be-wogen, für Ihr Praktikum gerade nach Kasachstan zu kommen? Welchen ersten Eindruck haben Sie vor Ort gewonnen?

Markus Weisenhorn: Ich habe mich für mehrere Praktika beworben und mich letztendlich für ein Auslandspraktikum in Kasachstan entschieden. Ausschlaggebend war auch, dass meine Vorgängerin Barbara Willem so sehr von diesem Land geschwärmt hat.

Ich selbst besuche an der Universität Wien im Institut für Germanistik das Masterstudium „Deutsch als Zweit- und Fremdsprache“. Das ist eine eigene Spezialausbildung, in der man lernt, Nicht-Muttersprachlern Deutsch beizubringen. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Vermittlung von Landeskunde, auf der Phonetik, Philologie und natürlich der Sprache selbst.
Nun bin ich seit einigen Tagen hier in Almaty an der Weltsprachenuniversität „Abylai Chan“ und fühle mich sehr wohl. Leider kann ich kein Russisch sprechen und lesen, was es anfangs ein wenig schwierig macht. Vor allem weil viele Leute kein Englisch können. Aber in den ersten Tagen habe ich schon viele Freunde gefunden, die jetzt meine „Dolmetscher“ sind.

Beeindruckt war ich von den sehr guten Deutschkenntnissen einer jungen Studentin, die wir in der Metro trafen. Während ein Freund und ich uns auf Deutsch unterhielten, wurden wir von ihr angesprochen. Es stellte sich heraus, dass das Mädchen an der Weltsprachenuniversität studiert. Wenn alle Studenten hier dieses Sprachniveau hätten wie die junge Studentin, wäre das schon toll!

Was erwarten Sie von Ihrem Praktikum in Kasachstan?

Wenn die Deutsch-Sprachkurse beendet sind, hoffe ich natürlich, dass die Schüler durch meinen Unterricht ein weiteres, umfassenderes Bild über den deutschen Sprachraum haben. Vielleicht kann ich ihnen meine Heimat Südtirol näherbringen, denn dort wird auch Deutsch gesprochen. Außerdem wünsche ich mir, dass ich in meiner Zeit hier in Almaty neue Freunde finde, neue Kontakte knüpfen kann und das Land bereise.

Welche Aufgaben nehmen Sie als Praktikant an der Weltsprachen-Universität wahr?

Meine Hauptaufgabe ist es, als Praktikant, als Muttersprachler Deutsch zu sprechen, damit die Schüler mich hören. Ich werde einmal pro Woche an jedem Kurs teilnehmen und einfach meine Muttersprache zum Besten geben; ich werde versuchen, den Schülern Deutsch zu vermitteln und Landeskunde, Literatur, Musik und Filme näherzubringen.

Welche Materialien nutzen Sie hauptsächlich für Ihren Unterricht?

Momentan schreibe ich gerade meine Abschlussarbeit zum Thema „Spiele im Unterricht“. Daher habe ich ein paar Spiele mitgebracht, aber auch deutsche Filme und Musik, die ich als Unterrichtsmaterialien einsetzen möchte. Außerdem habe ich ein Buch von Daniel Glattauer („Die Ameisenzählung“) über österreichische Eigenheiten mit im Gepäck, von dem ich denke, dass es hilfreich sein wird. Je nachdem, welche Gelegenheit sich bietet, werde ich von diesen Materialien Gebrauch machen.

Deutsch als Fremdsprache verliert in Kasachstan zunehmend an Bedeutung. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Deutsch verliert nicht nur regional hier in Kasachstan, sondern auch global an Prestige. Das sieht man auch an der immer geringer werdenden Zahl der Deutschlerner weltweit.
Momentan lernen viele Spanisch – das ist die neue Modesprache. Gleichzeitig müssen wir einfach mehr Werbung für Deutsch und für das Deutschlernen machen.

Hier in Almaty wohne ich mit kasachischen und anderen Studenten im Studentenheim zusammen. Wenn ich erzähle, dass ich Deutschlehrer bin, beeindruckt das zum einen viele.
Zum anderen verliert Deutsch immer mehr an Anziehungskraft, was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass der deutsche Sprachraum nicht einheitlich agiert. Deutschland betreibt seine eigene Sprachpolitik, Österreich macht Politik für sich. Wenn die verschiedenen Länder zusammenarbeiten, anstatt nur auf sich zu schauen, wenn sie an einem Strang ziehen würden, könnte man die deutsche Sprache auch mehr fördern und erreichen, dass mehr Deutsch gesprochen wird.

Welchen Beitrag können Sie leisten, um ein modernes Bild der deutschen Sprache zu vermitteln?

Modernes Deutsch zu vermitteln ist wichtig, Stichwort Plurizentrik. Ich möchte auf die verschiedenen Sprachstile im Deutschen eingehen. Es gibt ja nicht nur das erwähnte deutschländische Deutsch, sondern auch das österreichische und Schweizer Deutsch.
Ziel dieses Praktikums soll es ja sein, dass ich im Rahmen der Zusammenarbeit unserer beiden Universitäten deutlich mache, dass in Österreich auch Deutsch gesprochen wird.
Wenn ich moderne Musik und Texte im Unterricht nutze und nicht nur Mozart vorspiele. Zuhause habe ich außerdem einige österreichische TV-Shows aufgenommen, damit die Schüler sehen, welche Art Sendungen in Österreich im Fernsehen gezeigt werden. Außerdem habe ich einige aktuelle Zeitungen mitgebracht.

Welche Rolle spielen Dialekte dabei?

Mein Schwerpunkt liegt vor allem auf dem Vermitteln der deutschen Sprache, da spielen Dialekte zunächst keine wichtige Rolle. Man spricht ja vom deutschländischen, österreichischen und schweizerischen Standard-Deutsch, welches im Kern dieselbe Sprache ist. Aber man sollte wissen, dass es im Österreichischen manche Wörter gibt, die im Wortschatz offiziell anerkannt sind, die es aber in Deutschland so nicht gibt und umgekehrt. Meiner Meinung ist es auch entscheidend, dies den Schülern zu vermitteln.

Im 4. Kurs versuche ich einmal, den Studenten zu zeigen, welche Dialekte es gibt. Das hängt natürlich davon ab, welches Niveau die Studenten haben. Beispielsweise gibt es ja Comics von Asterix und Obelix in jedem deutschen Dialekt. Das wäre eine Übung wert, wenn es sich anbietet.

Mit welcher Erwartungshaltung gehen Sie an den Unterricht heran?

Die erste Stunde wird sicherlich so aussehen, dass ich den Schülern eine Karte zeige von Deutschland, Österreich und der Schweiz und auch Südtirol. Dann frage ich sie, ob sie wissen, wo man überall Deutsch spricht. Das wird schon sehr spannend sein.

Natürlich muss ich schauen, was die Vorgaben für den Unterricht sind, das Curriculum. Aber auch auf der anderen Seite, welche Themengebiete die Schüler interessieren. Auf alle Fälle ist eine Einheit mit Spielen im Unterricht vorgesehen.

Wie motivieren Sie Schüler, die Deutsch als schwierige Sprache empfinden und noch zu starke Sprachbarrieren haben?

Die größte Barriere existiert meiner Meinung nach dann, wenn die Schüler denken, dass sie nur sprechen dürfen, wenn die Grammatik korrekt ist. Dann sage ich immer: Ignoriere einfach die Grammatik und sprich geradewegs drauflos! Nimm einfach die Wörter und stelle sie zu einem Satz zusammen. Egal, ob es jetzt „dich“ oder „dir“ heißt, man wird dich trotzdem verstehen. Das sage ich meist zuerst, weil es das Schwierigste beim Sprachenlernen ist. Viele Schüler wollen nur sprechen, wenn es richtig und perfekt klingt, was schlichtweg anfangs nicht möglich ist. Das ist der eigentliche Konflikt. Es kommt darauf an, viel zu reden, Sprechpraxis zu sammeln.

Wie wichtig ist für Sie das spielerische Herangehen im Unterricht und beim Erlernen einer Sprache?

Ich glaube, dass das Spielen im Sprachunterricht ein sehr wichtiger Faktor ist. Dass man eben nicht nur aus dem Buch vorliest und Fakten vorbetet, sondern Spiele in dem Sinne einbaut, dass man mit der Sprache experimentiert.

Wichtig beim Spielen ist, dass die Lehrer die Schüler beim Sprechen nicht korrigieren, wie es ja oft der Fall ist. Die Schüler sprechen einfach und experimentieren. Wenn der Lehrer andauernd die Fehler korrigiert und sagt, das ist falsch und das heißt so, werden sich die Schüler irgendwann gar nicht mehr trauen zu sprechen. Ohne ständiges Verbessern kommt auch mehr Mut und die Schüler werden selbstsicherer. Das wichtigste Element beim spielerischen Herangehen ist, dass man dabei aus sich herausgehen kann – und natürlich der Spaß am Lernen!

Befindet man sich einmal in diesem Spielsystem, fließt alles von selbst, es funktioniert einfach. Wobei ich betonen muss, dass jede Klasse anders ist, manche springen auf Spiele überhaupt nicht an, manche wollen am liebsten nur spielen. Jeder Schüler hat eine andere Motivation, weshalb er Deutsch lernt.

Was möchten Sie hier als Mensch lernen und persönlich erreichen?

Hauptsächlich ist es hier in Almaty für mich eine Fremderfahrung; ich reise sehr gern, war schon in vielen verschiedenen Ländern. Ich liebe es auch, längere Zeit in einem Land zu bleiben, um es wirklich kennenzulernen, auch die Leute und die Sprache.

Ich freue mich einfach darauf, Kasachstan, Land und Leute kennenzulernen!

Was würden Sie Deutschlernern gern auf den Weg geben, was wünschen Sie ihnen?

Ich kann allen nur empfehlen, die deutsche Sprache zu erlernen, obwohl viele den Eindruck haben, dass Deutsch eine schwierige Sprache ist. Ich glaube, dass es immer auf die Perspektive ankommt, denn denselben Eindruck habe ich auch vom Russischen.

Aber wenn man sich an dieses Abenteuer Deutsch heranwagt, wird man merken, dass Russisch und Deutsch gar nicht so unterschiedlich sind. Beide Sprachen haben eine ähnliche Grammatik, viele Wörter sind gleich (was auf den gemeinsamen indoeuropäischen Ursprung zurückzuführen ist, aber auch auf den gegenseitigen Einfluss über die Jahrhunderte und durch die zahlreichen Internationalismen). Wenn man einfach den ersten Schritt wagt, kann man Deutsch auch wirklich erlernen, denn es ist eine schöne Sprache!

Wenn Sie dann einmal im deutschsprachigen Ausland sind, egal ob Deutschland, Schweiz, Österreich oder Südtirol, und ein paar Worte auf Deutsch sagen, sind die Menschen gleich sehr glücklich. Sie werden mit ein paar Worten viel herzlicher empfangen. Genau dieselbe Erfahrung habe ich auch hier in Almaty gemacht, wenn ich mit ein paar Worten auf Russisch das Gespräch beginne. Die Menschen sind gleich viel offener und herzlicher.

Vielen Dank für das Gespräch!

Mit Markus Weisenhorn sprach Malina Weindl.

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