Zeitgenössische Kunst aus Deutschland in Almaty: Seit vergangenem Donnerstag ist die ifa-Ausstellung „Darstellung/Vorstellung“ in den Räumlichkeiten des Kastejew-Museums zu sehen. Zustande gekommen ist das Projekt, das bis zum 1. Dezember dauert, durch eine Kooperation des Museums mit dem Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) und dem Goethe-Institut. Anlässlich der Eröffnung wurde zur Vernissage geladen.

Es ist interessant, dass gerade die Fotografie unter den bildenden Künsten in der Almatiner Kunstszene stark unterrepräsentiert ist. Scheint doch die rege Instagram-Tätigkeit von Almatys Jugend Gegenteiliges zu behaupten. Um die heißbegehrten „clicks“ und „likes“ in den sozialen Medien zu ergattern, müssen Fotos bestimmte Kriterien erfüllen. Idealerweise präsentiert man ein perfektes Resultat, der Hergang der Inszenierung sollte am besten ganz hinter dem Bild verschwinden.

Dies ist aber gerade nicht die Intention der gegenwärtigen Ausstellung. Die Bilder sind nicht „klassisch schön“, bestechen nicht im Augenblick des ersten Hinsehens. „Ich habe mehr erwartet“, kommentiert eine junge Besucherin trocken. Die reine Ästhetik ist aber nicht der Ansatz zeitgenössischer Fotografie in Deutschland. Zum künstlerischen Anspruch gehört hier ebenfalls eine Reflexion des Sujets und des Herstellungsprozesses.

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Lange Zeit wurde der Fotografie die Eigenschaft der Dokumentation, der objektiven, neutralen Darstellung zugeschrieben. Doch dieser Ruf beginnt zu bröckeln, Auslöser ist der Übergang der analogen zur digitalen Bildproduktion. Die Schnittstellen, an denen Manipulation möglich ist, sind ungezählt: ob bei der Motivinszenierung davor, beim Fotografieren währenddessen, oder hinterher bei der Bildbearbeitung am Computer.
Die Ausstellung versammelt Werkgruppen von acht Fotografen, die sich alle innerhalb des digitalen Spektrums bewegen, aber dennoch sehr unterschiedliche Positionen vertreten.

Fotografie erhält Glaubwürdigkeit durch manipulatives Aufnahmeverfahren

Da ist beispielsweise Claus Goedicke, der die Welt nicht in einem Bild zu verdichten versucht, sondern Bildmaterial aus verschiedenen Quellen sammelt, eine Vielzahl an unterschiedlichen Aspekten kaleidoskopartig zusammensetzt und schließlich in Form einer Tapete auf die Wand bringt. Oder Heidi Specker, die in einer Fotostrecke das vielschichtige Porträt von Elsie erstellt, einer Frau, die sie in Davos kennengelernt hat und deren Schicksal und ungewöhnlichen Lebensstil sie bewundert. Bilder des gewohnten Lebensraums, der alpinen Landschaft und der Einrichtung sowie ein Stillleben und ein Blick von hinten auf den Charakter ergeben ein Bildermosaik, das von der Atmosphäre der Region inspiriert ist.

Thomas Kaufhold, einer der beiden Betreuer der Wanderausstellung

Matthias Koch wiederum dokumentiert in einer Reihe von Einzelaufnahmen Plätze, Gebäude und Landschaften, die in bestimmten Stadien der deutschen Geschichte historische Bedeutung hatten. Ihm ist daran gelegen, mehrere Zeitebenen im Bild präsent zu machen. Er zeigt das Hier und Jetzt zum Zeitpunkt der Fotoaufnahme, gleichzeitig spielt er darauf an, was an einem Ort geschichtlich passiert. Interessant ist ebenfalls die Perspektive, aus der fotografiert wird: hoch von einer Feuerwehrleiter aus.

Was die verschiedenen Ansätze künstlerischer Arbeit vereint, ist der Versuch, den Bezug des Bildes zur Wirklichkeit auszuloten und zu untersuchen. Es sei die These aufgestellt, dass die Fotografie durch ein manipulatives Aufnahmeverfahren nicht an Glaubwürdigkeit verliert, sondern sie im Gegenteil erst erhält. Dass die Welt als solches nicht dokumentierbar, darstellbar ist, wohl aber die Sicht des Fotografen auf die Welt, also seine Vorstellung.

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Eine solche gedankliche Auseinandersetzung mit der Ausstellung ist wichtig, um ihren Wert erkennen und genießen zu können. „Man braucht viel Hintergrundwissen“, bemerkt auch Eva Schmitt, Leiterin des Goethe-Instituts. Die Referenz-Systeme, Fotografie-Geschichte, die sogenannte „Becher-Schule“, die politischen Begebenheiten, gesellschaftlichen Ansätze und die Autorenschaft hinter den Werken zu kennen sei wichtig.

Fotos in Kasachstan bislang nicht so beliebt

„Nachdem ich die Geschichte hinter den Bildern gehört habe, bin ich sehr beeindruckt“, bestätigt die Besucherin, die sich am Anfang enttäuscht geäußert hatte. Sie hatte die Gelegenheit genutzt, mit Thomas Kaufhold einen Einführungsrundgang zu den Künstlern und Werken zu machen. Thomas Kaufhold ist seinerseits Künstler (Bildhauer) und gemeinsam mit Michael Lapuks (Fotograf) Betreuer der ifa-Ausstellung. „Und jetzt würde ich am liebsten nach Deutschland gehen und viele weitere Kunst-Gallerien besuchen“, erzählt die junge Frau begeistert.

Das von Michael Lapuks erwähnte Ziel der Ausstellung, „dass der Sinn geschärft wird für zeitgenössische Fotografie“, scheint also zumindest an diesem Abend für diese eine Besucherin erfüllt. Auch wolle man der Fotografie dazu verhelfen, als künstlerisches Ausdrucksmedium neben der Malerei, der Bildhauerei, der Performance etc. anerkannt zu werden, so Lapuks weiter.

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„Fotos sind nicht sehr populär in unserem Land, wir sind hauptsächlich interessiert an Gemälden“, bezeugt die junge Besucherin. Diese Art von Fotos seien wirklich „the new stuff“, das jetzt nach Kasachstan kommt, erklärt sie.

Am Ende sieht man wieder eine Gruppe junger Kunststudenten vor den usstellungsstücken für ihre „Follower“ modeln und posen. Ein eigenartiger Kontrast. Mal sehen, zu welchen neuen Formen der Fotokunst dieser Kulturaustausch inspiriert.

Katharina Frick

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