Wie gut, dass wir das Wetter haben! So gibt es immer etwas, worüber man reden oder fluchen kann. Etwas, dem man die Schuld an all unserem Elend geben kann.
Ein Wettergespräch findet über Generationen und Kulturen hinweg statt. Denn das Wetter geht jeden von uns an. Das Wetter ist auch ein prima Medium für soziologische, psychologische und ethnographische Studien. Wie geht man mit äußeren Einflüssen um? Ist man ein Jammerlappen, der sich bei ein paar Regentropfen weinerlich unter der Decke verkriecht? Oder reiten wir in atmungsaktivem Regenmantel heldenhaft durch Sturm und Wind? Der Egozentriker unter uns nimmt den Gegenwind persönlich, und wer sonst immer Pech im Leben hat, dem spielt das Wetter in ganz besonderer Weise schlecht mit. Wenn man sich selbst als Realist einschätzt und die Dinge gern beim Namen benennt – Sauwetter – der ist mit Sicherheit von den Schönrednern genervt, die immer alles positiv sehen: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung!
Man kann sich überall und stundenlang und mit jedem über das Wetter unterhalten, aber wirklich näher kommt man sich darüber nicht. Denn das Wetter ist keine Meinungssache, die man nach Belieben mit Argumenten verändern kann, sondern eine Lebenseinstellung. Und die verändert man nicht so schnell.
Nur selten ist das Wetter ganz genau so, wie man es gerade braucht. Es ist aber auch wirklich gemein, dass es grundsätzlich immer zu nass, zu kalt oder zu heiß ist. Dass das schöne Wetter immer dann herrscht, wenn man gerade keine Lust hat, rauszugehen oder viel arbeiten muss. Dass es ausgerechnet dann windig ist, wenn man Fahrrad fahren will, und der Wind ausbleibt, wenn man im Segelboot hockt.
Natürlich ist das Wetter wichtig. Natürlich fühlt sich der Mensch wohler, wenn er Licht und Wärme tanken kann – wenn es nicht im Übermaß ist. Und wenn die Ernte reift.
Aber in Europa klingen die Wettersorgen geradezu niedlich. Denn wenn die Erdbeeren nicht in Deutschland reifen, reifen sie eben am anderen Ende der Erde und werden einfach hertransportiert. Und für die gefährlichen fünf Minusgrade gibt es doch Thermokleidung, vorsichtshalber bis Minus 70 Grad, man weiß ja nie – heutzutage ganz günstig im Kaffeegeschäft zu bekommen.
Und so muss man sich fragen, warum die Menschen in Regionen mit klimatischen Extrembedingungen noch lachen? Eigentlich müsste den Russen das Lächeln im Gesicht gefrieren, die Afrikaner dürften nur noch vor Hitze hecheln und den Engländern müssten vor lauter Regen die Tränen kommen. Dabei sind die Engländer für ihren trockenen Humor bekannt, der Russe setzt sich gern auf eine zugeschneite Parkbank und die Afrikaner lächeln nicht nur, sondern sind auch für ihre temperamentvollen Tänze bekannt – dem Klima zum Trotze. Woran liegt es also, dass man sich in Deutschland so gar nicht mit dem Wetter arrangieren kann, obwohl man ihm immer nur ganz kurz ausgesetzt ist und es mehr sieht als fühlt? Wegen der guten Wärmedämmung und Klimaanlagen. Auch kommen die Verkehrsmittel häufig und meist pünktlich.
Fragt man die Leute, was mit dem Wetter eigentlich nicht stimmt – es kommt zur falschen Zeit! Nicht nach Terminplan. Im Kalender steht eindeutig März. So war das nicht geplant! Wenn im Terminkalender März steht, dann hat es auch März zu sein, basta! Der Frühling ist schon einige Wochen überfällig! Man ist sauer auf den Winter, der sich hier vertrödelt hat und sauer auf den Frühling, der sich verspätet.
Wie schön, dass wir solche Sorgen haben!
Von Julia Siebert
17/03/06