Wohnen ist gar nicht so einfach. Wenn man zentral und schön wohnen will. Und wenn man nicht aus Deutschland kommt.
Und wenn man selbständig ist. Die wenigsten Vermieter wollen sich auf ein Risiko einlassen. Müssen sie ja auch nicht. An sich. Und es zeugt auch von Geschäftstüchtigkeit, dass sie für ihre Mieteinnahmen sorgen. An sich. Aber hier liegt eine ganze Reihe von Missverständnissen vor. Denn den Idealmieter gibt es schon lange nicht mehr, seit die Entlassungswellen über alle Regionen, Branchen und Ausbildungsabschlüsse hinwegschwappen. Die Arbeitskräfte, also Mieter, werden von heut auf morgen arbeitslos und müssen wegziehen – entweder in kleinere und billigere Wohnungen oder in Regionen, wo es noch Arbeit für sie gibt.
Auch die gern gesehenen jungen Paare und Kleinfamilien sind schon längst out. Man trennt sich schnell und dauerhaft, übrig bleiben Singlemänner und alleinerziehende Mütter, die zunächst in kleinere Apartments umziehen, um sich später irgendwann wieder in neuer Kombination zu sogenannten Patchworkfamilien zusammenzufinden – in eigenem Haus oder großer Wohnung. Das will er aber nicht einsehen, der Vermieter von Drei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen und sieht stur an dem wirklich wahren Idealmieter der Neuzeit vorbei – Unternehmern mit Migrationshintergrund.
Erstens bleiben die meisten Zuwanderer nicht nur in Deutschland wohnen, viele haben längst die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen, sondern bleiben im Regelfall auch ihrem Quartier treu. Bei ihnen sind ständige Wohnungswechsel seltener als bei deutschen Paaren, die sich im Zweijahresrhythmus stufenweise über mehr Quadratmeter, Tageslichtbad und Balkon bis hin zu ruhiger Lage mit mehr Grün durchwohnen.
Der Migrant an sich ist meist zufrieden. Zudem sind Zuwanderer nicht so klagefreudig wie ihre deutschen Mitbürger, die sich bestens in Mietrecht, Mietminderung und Verbraucherschutz auskennen und bei denen die Nummer des Rechtsanwalts in das Kurzwahlsystem eingespeichert ist.
Darüber hinaus ist bei vielen Zuwanderern auch die Einkommenssituation stabil. Das eigene Geschäft wird meist im Familienverbund aufrechterhalten – und zwar sehr erfolgreich.
Die wahren Mietpreller, auch Mietnomaden genannt, sind weder Zuwanderer noch ärmere Menschen, sondern Besserverdienende, die kleine Betrügereien als Volkssport betreiben. Dieser Sport besteht aus mehreren Disziplinen, dazu gehört auch: Handtücher in Hotels klauen, im Baumarkt Preisetiketten vertauschen, keine Fernsehgebühren zahlen, ab und an die Tankstelle um das Benzingeld prellen und Privateinladungen in Restaurants als Geschäftsessen von der Steuer absetzen.
Ein psychologisch durchaus interessantes Phänomen. Schade nur, dass das die Zuwanderer ausbaden müssen. Die nämlich müssen, weil man ja heutzutage niemandem mehr über den Weg trauen kann, in den weniger beliebten Stadtteilen wohnen. Außerhalb. Und wo der Putz von den Häuserwänden bröckelt. Und weil es in Deutschland viele Zuwanderer gibt, wohnen auch viele davon in solchen Stadtgebieten. Und weil man mit dem Problematisieren schnell bei der Sache ist, heißt das dann Ghettobildung. Und weil man es mit den Zusammenhängen nicht so genau nimmt, sind die Zuwanderer nicht nur selbstverständlich selber schuld, dass sie in solchen Stadtteilen leben. Sondern sie machen es vorsätzlich und absichtlich. Na klar, der Zuwanderer an sich lebt am liebsten ungemütlich. Weil er es ja so gewohnt ist, aus seinem Heimatland.
Bleibt zu hoffen, dass all diese Missverständnisse bald ausgeräumt werden, denn dann gewinnen nicht nur die Vermieter und Mieter, sondern mit mehr Migranten in den schönen Wohnvierteln geht es dort auch viel bunter und lustiger zu.
Von Julia Siebert
10/03/06