Der autonome kasachische Bezirk Yili (Ili) dürfte den meisten in Kasachstan ein Begriff sein. Weite, vor Leben strotzende Felder mit gelegentlich einigen Jurten dekorieren die atemberaubende Natur West-Chinas.
In sieben Stunden von Almaty ins Reich der Mitte
Es ist keine Neuigkeit mehr, dass sich deutsche Staatsbürger visafrei bis zu 30 Tage auf dem Gebiet der Volksrepublik China aufhalten dürfen. Was für Kasachinnen und Kasachen schon seit 2023 gilt, ist dennoch eine bemerkenswerte Entwicklung in den Beziehungen zwischen China und der Bundesrepublik Deutschland.
Mit dem Bus vom Sayran-Bahnhof im Westen Almatys ist es völlig unkompliziert, eine Fahrt in die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt zu planen.
Als die nächste größere Stadt nach der kasachisch-chinesischen Grenze gilt Yining, oder auch Gulja genannt. Laut der letzten Volkszählung, die im Jahr 2020 stattfand, beträgt der Anteil der ethnischen Kasachen, die in Kasachstan als Kandas bekannt sind, in der westlichsten Präfektur Chinas Xinjiang rund 1,56 Millionen. Die tatsächliche Anzahl dürfte jedoch geringer ausfallen, was angesichts der erhöhten Migrationszahlen der Kandas nach Kasachstan nicht wirklich verwundert.
Die Ankunft in China verläuft im Regelfall reibungslos. Bei der Einreise werden zwar detaillierte Fragen zum eigenen Hintergrund, der Motivation der Reise und dem Beruf gestellt, doch sind die chinesischen Grenzschutzbeamtinnen und -beamten sehr freundlich und wirken interessiert.
Es schadet nicht, einige Phrasen Mandarin parat zu haben. Das schindet nicht nur Eindruck, sondern erleichtert die Einreise ungemein. Deguo 德国, Deutschland, frei übersetzt das Land der Tugend oder Moral, erquickt die Gemüter der meisten Chinesinnen und Chinesen ungemein. Autos oder die Bundesliga als deutsche Soft Power eröffnen eben viele Türen.
Die letzte Träne des Atlantiks – Der Sayram-See
Interessant dürfte insbesondere der Sayram See, auf Chinesisch sailimuhu
赛里木湖, umgeben vom Tian Shan, sein.
Bekannt als die „letzte Träne des Atlantiks“, ist der See ein Ort der Sehnsucht und der Heimat für viele Menschen in Xinjiang. Einer Legende nach entstand der See durch die Tränen eines Liebespaares, das in den Selbstmord getrieben wurde.
In der kasachischen Sprache bedeutet Sayram „Segen“. Bis heute ist der See eine Heimstätte für viele seltenen und gefährdeten Wildtiere und Pflanzen. Das Wasser ist kristallklar und verleiht der umgebenen Prärie einen silberfarbenen Glanz.
Auf Bildern des Sees im Internet frohlocken Aprikosen-Bäume, weite lilafarbene Lavendelfelder und wunderschöne Schwäne. Doch auch, wenn sich im restlichen West-China der Frühling bereits anbahnt, wird man am Sayram See Ende März noch von einem verschneiten und vereisten Gebirge willkommen geheißen. Segen oder Fluch, es kommt eben auf die Perspektive an. Aber schön ist es allemal.
Touristen-Hotspots werden in China groß zelebriert: Neben der Möglichkeit eines Ausritts zu Pferde, kleineren Essensbuden und Eisskulpturen im Spätwinter bleibt der Nachbau einer Plattform im mongolischen Stil besonders im Gedächtnis. Im Jahr 1219 unternahm Dschingis Khan eine Expedition Richtung Westen nach Yili, wurde jedoch durch das Tianshan-Gebirge aufgehalten. Als kulturelles Heiligtum der mongolischen Minderheit in China schmücken hoch aufragende Stufen und ein ritueller Altar das Monument.
Die Fahrt zum Sayram-See
Ohne eine chinesische Telefonnummer kann man sich zwar keinen Busplatz online reservieren, doch geht das auch mühelos kurz vor Abfahrt. Vom Bahnhof Ili-Keyun in der Stadtmitte geht es anschließend für umgerechnet 5 Euro in ca. 2 Stunden zum sagenumwobenen Ort.
Für knapp 14 Euro führt einen der Busfahrer dann im Salopp-Tempo vorbei an pittoresken Landschaften, weiten Feldern oder eben auch am Schwanensee, einmal um den See herum.
Nach etwa sieben Stunden ist das Abenteuer aber schon beendet und die wohlverdiente Heimfahrt setzt ein. Über WeChat, einem chinesischen Allround-Messenger-Dienst, werden die besten Fotos verschickt, die Rechnung mit dem Busfahrer beglichen und Nummern ausgetauscht.