Was verbindet Timur Bekmambetow, Viktor Werschbizki und Dschanik Faisijew abgesehen von ihren Kassenschlagern noch? Es ist ein kleines unabhängiges Theater in der Hauptstadt Usbekistans mit dem Namen „Ilhom“. Dieses Theater lockt bereits seit 40 Jahren zahlreiche Besucher nach Taschkent und verkörpert die Idee der reinen Kunst und eine Vielfalt an Stilen und Genres, weshalb es nicht nur von usbekischen Theaterliebhabern gepriesen wird, sondern auch von Schauspielbegeisterten aus aller Welt.

Das kleine unabhängige Theater wurde 1976 im sonnigen Taschkent von Mark Jakowlewitsch Weil, einem überaus talentierten Regisseur, der lange Zeit auch als Intendant am Theater fungierte, gegründet. Das Theater war anfangs noch unter dem Namen „Probebühne für die Theaterjugend“ bekannt, doch schon damals „sammelten“ sich um das Theater viele hochbegabte Nachwuchstalente wie Schauspieler, Musiker und Künstler.

In den Anfangsjahren befand sich das Theater noch in einem Keller, der früher als Gemüselager gedient hatte. Die Vorführungen begannen damals erst um zehn Uhr abends, da viele Schauspieler noch bei anderen Theatern engagiert waren. Daher konnten diese auch erst nachts proben und verbrachten ihre ganze Freizeit im Theater. Viele Zuschauer wurden per Telefon über den Beginn der Vorstellungen informiert, und in der ersten Zeit war es diesen sogar noch verboten, nach einer Vorstellung zu applaudieren, denn das gehört zur Idee des reinen Theaters, der reinen Kunst.

Inspiration für die ganze Welt

„Inspiration“ – das bedeutet das arabische Wort „Ilhom“, und wo, wenn nicht im Theater „Ilhom“, wird dieses ephemere Gefühl der Bürger und Gäste der Hauptstadt „genährt“. „Ilhom“ hat nicht nur in Moskau, Almaty und Bischkek einen Namen, sondern auch auf der anderen Seite des Ozeans. Der Grund für seine Einzigartigkeit besteht darin, dass die Zuschauer in unmittelbarer Nähe zur Bühne sitzen und, ob sie wollen oder nicht, selbst zu einem Teil des Theaterstücks werden.

„Ilhom“ hat nicht nur eine Generation an namhaften Schauspielern erlebt und kann daher behaupten, dass es seine Besucher in geistiger und kultureller Hinsicht erzieht. Taschkent strotzt nur so vor staatlichen Theatern. Opern, Balletts, Schauspielhäuser – alles ist vertreten. „Ilhom“ ist allerdings einzigartig, denn es „ist in erster Linie ein kosmopolitisches Theater.“ So definierte Mark Weil sein Theater vor sechs Jahren in einem Interview mit dem Portal „Rosbalt“. „In der Schauspieltruppe sind Leute verschiedenster Herkunft vertreten, die ohne Schwierigkeiten von einer Sprache zur anderen wechseln: vom Usbekischen ins Russische, vom Russischen ins Usbekische und manchmal sogar ins Englische. „Ilhom“ ist zudem ein Ensemble, das an der Schwelle zwischen Spiel und Psychologie arbeitet und diese Grenze auch leicht überschreitet: Es greift in der Psychologie ein Spiel auf, dem wiederum eine psychologische Motivierung zugrunde liegt. Wir haben viele Stile durchgemacht – vom Drama bis hin zur Clownerie – und haben dadurch, so scheint es, unseren eigenen Stil erschaffen.“

Mark Weil führt Stücke auf, die von klassischen wie auch zeitgenössischen Autoren stammen. So beispielsweise das Theaterstück „Isjuminka“ (frei übersetzt „Pointe“, Anm. d. Über.), das Themen anspricht, die gestern und heute Gültigkeit besitzen. Es verbindet östlichen Charme (plastische Kunst, Musik, Tanz, Sprache) mit westlichem Nonkonformismus und präsentiert so auf der Bühne eine Legierung aus verschiedenen Genres. Und als Zugabe gibt es Commedia dell’Arte und Straßenvorführungen der Maskarabos. Jene Stücke, die Mark Weil inszeniert hat, haben über Jahrzehnte hinweg Bühnenaktualität, denn sein Ideenreichtum war seiner Zeit in Vielem voraus.

Jahre später

„Das Theater verändert sich. Es kann auch gar nicht anders sein, denn jetzt tritt eine ganz andere Generation an Schauspielern auf. Es ist unmöglich, jenes Theater zu bewahren, das es zu Zeiten Mark Weils gab“, meint der Intendant des Theaters Boris Gafurow. Mark Weil war ein ständiger Begleiter des Theaters – er war bis zu seinem tragischen Tod im Jahr 2007 Intendant und Regisseur bei „Ilhom“. „Er war einer jener großen Künstler, die nur alle 100 Jahre geboren werden“, erzählt Boris. „Er war ein Genie in Sachen Theater. Jetzt gibt es am ‘Ilhom’ ein Team, das entscheidet, was für die Zuschaner interessant sein könnte und worüber es heutzutage wichtig ist zu sprechen. Das Theater kann nicht einfach stehen bleiben, es muss sich verändern, weil sich auch die Zeiten geändert haben: die Stadt hat sich verändert, ja sogar das ganze Land. Für uns ist es wichtig, jenen Geist der Kunst zu erhalten, den Mark Weil erschaffen hat. Jene Traditionen, die er begründet hat.“

„Ilhom“ war immer unabhängig – es hat nie staatliche Förderungen erhalten, weder zur Sowjetzeit, noch als Usbekistan unabhängig wurde. „Schwer war es immer“, erzählt die Managerin Irina Bcharat über die finanzielle Lage des Theaters. „Früher ist das Theater oft bei Festivals aufgetreten, doch in diesem Jahr, wie auch in den letzten zwei, drei Jahren, konnten wir uns keine Gastauftritte leisten. Es wäre richtig, wenn der Staat oder die Stadt dem Theater helfen würden, da es das Land auf internationaler Ebene vertritt. Doch wir müssen es aus eigener Kraft schaffen.“

Kunstwerkstatt

Jeder am Theater „Ilhom“ hat seine eigenen Gründe, warum er dort arbeitet. Bei den einen ist es der unstillbare Durst nach Bühnenluft, bei den anderen die Theatermagie. „‘Ilhom’ ist mein zweites Zuhause. Manchmal bedeutet es mir sogar mehr, als mein eigentliches Zuhause“, erzählt Julia Plakida, eine Schauspielerin, die seit 2011 beim Theater ist. „Ich habe Publizistik studiert, habe professionell getanzt und als Promoterin und Werbetexterin gearbeitet. Eines Tages saß ich dann in meinem Büro und habe mir folgende Fragen gestellt: ‘Wovon träume ich? Was will ich? Warum bin ich nicht glücklich? Die Antwort auf diese Fragen lag beim Theater ‘Ilhom’. Dort wollte ich auftreten.’ Ich kann mir mein Leben ohne das Theater gar nicht mehr vorstellen. Für mich ist es mehr als nur ein Theater, mehr als nur ein Arbeitsplatz. Es ist der Ort, an dem ich glücklich bin.“

Am Theater „Ilhom“ gibt es auch eine Theaterschule, die bereits die achte Generation an Schauspielern ausbildet. Neben der Theaterkunst befasst sich „Ilhom“ aber auch noch mit anderen Projekten, wobei die Suche nach begabten und motivierten Talenten sowie Sponsoren im Vordergrund steht. Zu den Veranstaltungen, die vom Theater organisiert werden, zählen viele Großevents wie das erste internationale Rockfestival in Usbekistan, das IlhomRockFest, Filmvorführungen im Rahmen des IlkhomCinemaClubs, das Festival für zeitgenössische Kunst IlhomPublicArt und das internationale Festival für moderne Theaterdramaturgie IlhomNewDrama. An neuen Ideen mangelt es dem Theater nie, doch leider fehlt es an finanziellen Mitteln, um alle diese umsetzen zu können. Dennoch lässt sich das Theater nicht entmutigen und erarbeitet immer wieder neue Projekte. Denn der Ruf des Theaters beruht nicht umsonst zu einem Teil auch auf dem Enthusiasmus seines Teams. „Ilhom“ ist eine weltoffene Ideenwerkstatt, die nie stehen bleibt. So erwarten die Zuschauer auch in der 37. Theatersaison wieder zahlreiche Premieren und Überraschungen.

Abgedruckt mit freundlicher Genehmigung des Portals To4ka-Treff. Der Artikel erschien zuerst unter http://www.goethe.de/ins/ru/lp/prj/drj/leb/kul/de10549965.htm.

Übersetzung: Verena Maier.

Von Dana Oparina

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