Fun Horns ist ein deutsches Bläserquartett, das seit über 30 Jahren zusammen Musik macht. Beim diesjährigen 16. Internationalen Jazz Festival spielen sie in der Philharmonie in Almaty. Die Gäste des Goethe-Instituts geben auf ihrer ersten Zentralasien-Tournee insgesamt fünf Konzerte in Turkmenistan, Kasachstan und Kirgisistan. Weshalb das Quartett Fun Horns heißt, ist spätestens nach dem Konzert klar: Publikum und Musiker hatten Spaß. Als „Rolling Stones des Jazz“ präsentiert die Leiterin des Goethe-Instituts in Almaty – Barbara Freifrau von Münchhausen – die Musiker. Sie betont neben der hohen musikalischen Qualität der Auftritte vor allem die lange Lebenszeit der Band. Zwei Tage vor dem Konzert in Almaty spricht Fun Horns mit der DAZ über den Alltag des Reisens, über Friseurbesuche und die Eigenart des Jazz.
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Vor mir sitzen Volker Schlott und Nikolaus Neuser und sprechen beim Interview für ihr Bläserquartett Fun Horns. Sie finden, dass sie ihre Gruppe gut repräsentieren: Neuser spielt Trompete und seit fünf Jahren im Quartett, Schlott spielt Saxophon und ist seit 1986 dabei: Ein Holzbläser und ein Blechbläser, ein Gründungsmitglied und einer, der erst später zur Band stieß. „Die Quote bleibt sozusagen erhalten“, sagen sie und lachen.
31 Jahre jung geblieben
Das Bläserquartett ist nicht nur in Kasachstan rar, auch in Deutschland sind sie etwas Besonderes. 31 Jahre und 12 CD-Produktionen – dieser sichtbare Erfolg ist dem einmaligen Konzept des Bläserquartetts zuzuschreiben. Die Mischung aus Blech– und Holzblasinstrumenten gibt es selten oder gar nicht. „Das gab es jedenfalls 1986, als wir uns gegründet haben, in Deutschland und Europa, auch in der Welt, nicht. Wir waren damals das erste gemischte Bläserquartett“, erzählt der Saxophonist Schlott, der bei der Gründung dabei war.
Neuser erklärt, dass ein reines Saxophonquartett zwar einer der homogensten Klangkörper sei, den es gebe, dass es Fun Horns darum aber eigentlich nicht gehe. Zwar könnten auch sie sehr homogen klingen, aber vielmehr strebten sie die ganze Bandbreite des Klangs an. Schlott begründet dies damit, dass er es sonst auch auf Dauer langweilig fände. „Wir haben halt viel mehr Farben“, beschreibt er die Musik des Quartetts und damit eins der Geheimnisse, weshalb sie auch nach über dreißig Jahren noch gemeinsam spielen – die Musik ist dabei jung geblieben.
Von Südamerika bis Sibirien
Seit 1992 reisen sie auch gemeinsam. Vom Goethe-Institut wurden sie zu einer Südamerika-Tournee eingeladen. „Das war für uns völlig neu, aber wir haben die Einladung natürlich dankend angenommen“, erinnert sich Schlott. Seither folgen sie alle paar Jahre einem Ruf des Goethe-Instituts – und haben auf diese Weise an vielen Orten der Welt Musik gemacht. Neben zahlreichen Auftritten in ganz Europa folgten Konzerte in Afrika, Indien und Russland.
„Das Publikum in Deutschland applaudiert anders“
Das Schöne daran, auch mal in anderen Ländern zu spielen, erklärt Schlott, sei das wechselnde Publikum. Was in Deutschland eher selten passiere, sei die Tatsache, dass auch junge Menschen ihre Konzerte besuchten. An den Reaktionen merkten sie, dass ihr musikalisches Konzept an diesen Orten unkonventionell und damit gefragt sei.
Das erste Konzert ihrer Zentralasien-Tournee hat Fun Horns am Vorabend in Asgabat, Turkmenistan, gegeben. Aufgefallen ist der Band, dass die Zuhörenden hier anders applaudierten als in Deutschland. Bei dem gemischten Publikum seien sie gut angekommen: „Sie haben sofort gejubelt nach jedem Titel, aber das ging dann nach drei Sekunden auch wieder vorbei.“ In Deutschland werde einfach anders applaudiert – es werde lang anhaltend und gleichmäßig geklatscht. Das sei ein Unterschied, den sie in östlichen Ländern schon häufiger bemerkt hätten. Auch fühlten sie sich hier manchmal wie Popstars – die Jazzmusiker aus Deutschland sind es nicht gewohnt, dass nach ihrem Konzert Publikumsgäste Autogramme oder ein Foto mit ihnen verlangen.
Jazz als Kulturbegegnung
Ob ihre Musik zu ernst sei, um sich als Popstar feiern zu lassen, will ich auf diese Erzählung hin wissen. „Ernsthaft ist ja nicht unbedingt ein Widerspruch zu Spaß“, meint Neuser bestimmt. „Es geht uns darum, dass unsere Musik auch Freude vermittelt, dass wir selber Spaß daran haben und gerade dabei sind, nach etwas zu trachten. Wir haben Stücke, die sind natürlich von der formalen Struktur nicht vergleichbar mit einer Mahler-Symphonie“, aber ihre Musik, so Neuser, verlagere sich in den jeweiligen Augenblick. „Das kann man in der Mahler-Symphonie nur in geringerem Ausmaß.“
Wenn Musik und Augenblick miteinander verschmelzen, müssen einzigartige Konzerte entstehen. Klingen die Fun Horns damit in Südamerika anders als in Kasachstan? Bei dieser Frage scheiden sich die Meinungen der Musiker, die auf der Bühne ein gutes Team sind. Volker Schlott glaubt nicht, dass die Auftritte der Band je nach Aufenthaltsort stark variierten: „Wir spielen genau das gleiche Programm in der ganzen Welt.“ Unterschiede in den Auftritten hätten nichts mit der geographischen Lage zu tun. Nikolaus Neuser aber gefällt der Gedanke des kulturellen Einflusses auf die Musik, die er macht. Für ihn gestaltet die Gesamtheit der Umstände sein Spiel. Es seien immer Nuancen, Unterschiede auszumachen – und diese Möglichkeit biete der Jazz. Das, was einen beim Reisen beeinflusse, wirke ebenso auf die Musik ein, die man mache, meint Neuser.
Bei einer Band, die schon in Südamerika, Afrika und Russland war und nun im Herzen Zentralasiens sitzt, muss die Musik bei solcher Aufnahmebereitschaft ein wahres Mosaik aus den verschiedensten Einflüssen sein. Nikolaus Neuser setzt engagiert ein: „Das ist ja eigentlich das ureigene Konzept des Jazz“, erklärt er bewegt, aber ernst. „Der Jazz ist ja eigentlich entstanden durch das Aufeinandertreffen der Kulturen und trägt in seinem Konzept die Möglichkeit in sich, Einflüsse aufzunehmen. Das bildet heute die Grundlage für so viele bekannte Stücke.“
Volker Schlott ergänzt: „Vielleicht ist es auch so: Die Musik hat nur Chance, so zu werden, wenn die Musiker auch offen dafür sind. Es gibt auch bestimmte Musiker, die sind absolut geschlossen und wollen gar nichts anderes aufnehmen.“ Sie selbst hingegen haben Lust auf Austausch. Dieser mache auch die Reisen seit Jahren so interessant. Das Goethe-Institut lege Wert darauf, ihren deutschen, in ferne Winkel der Welt eingeladenen Gästen den Ort ihres Konzerts zu zeigen. Sie organisieren Workshops, Treffen mit lokalen Musikern und Stadtrundfahrten.
„Kamelreiten ist etwas, das wir in Berlin nicht erleben können“
Im Zuge ihrer ersten Zentralasien-Tournee freuen sie sich insbesondere auf das anstehende Kamelreiten, da ist sich die Quote der Band einig: „Ja, Kamelreiten ist etwas, dass man in Berlin, in Weißensee, nicht erleben kann“, sagt Schlott, lacht und fügt hinzu, dass es ihm aber vor allem darum ginge, „dass wir ein neues Fleckchen Erde kennenlernen.“
„Ich mag es, an fremden Orten zum Friseur zu gehen.“
Nikolaus Neuser hat eine ganz eigene Art, sich den Ländern, die er besucht, anzunähern. Trotz des straffen Programms eines Musikers auf Tournee, versucht er, etwas mitzunehmen von den Städten in der Ferne und ihren Menschen. „Ich finde es immer gut, wenn man in ein neues Land kommt, den Arbeitsalltag kennenzulernen. Ich glaube auch nicht, dass man neue Orte kennenlernt, indem man Sehenswürdigkeiten und die kulturellen Highlights abklappert. Berlin kennt man ja auch nicht, wenn man im Reichstag und auf dem Alexanderturm war. Ich mache das auch nicht mehr, dass ich mir so eine Liste mit Sehenswürdigkeiten mache. Ich mag es, irgendwelche alltäglichen Dinge zu machen, um Einblick in das Leben zu bekommen – zum Beispiel zum Friseur gehen.“
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Der Auftakt zum Abschlussabend des Jazzfestivals
Der Konzertabend am Sonntag in der Philharmonie in Almaty dauert dreieinhalb Stunden. Die Fun Horns geben den Auftakt des Abends mit einem etwa einstündigen Konzert. Die Stücke des gemischten Bläserquartetts sind von unkonventionellen Rhythmen geprägt und bieten eine Mischung aus harmonischen Melodien und experimentellen Klängen. Die vier Musiker aus Deutschland glänzen an ihren Instrumenten – Nikolaus Neuser zusätzlich mit neuer Frisur.
Was sie nicht gewöhnt sein dürften, sind die verhältnismäßig häufig klingelnden Handys im Saal der Philharmonie. Als einer der Musiker auf ein klingelndes Handy mit dem Nachpfeifen des Klingeltons antwortet, scheint auch dieser – kulturelle? – Unterschied überwunden, der Humor hat gesiegt.
Ein experimentelles musikalisches Battle, das sich Trompete und Saxophon geben, wird zum Höhepunkt – Tiergeräusche, Luftzüge und musikalische Küsse fliegen von Blech– zu Holzbläser und zurück, lassen Ohren spitzen und bringen das Publikum zum Lachen. Das Stück handle von Fun Horns, gibt die Band im Anschluss bekannt – damit hat sich der Name der Band bewährt.
Doch der Auftritt steigert sich noch, als die Musiker daraufhin drei Dombra-Spieler zu sich auf die Bühne bitten. Jazzmusik aus Deutschland mischt sich mit kasachischen Saitenklängen. Die vier erprobten Blasmusiker aus Deutschland und die drei sehr jungen und talentierten Dombra-Spieler waren sich am Morgen desselben Tages erst begegnet – trotzdem ergänzen sie sich fabelhaft. Auch die drei samtbekleideten Jungen zeigen Spaß beim Spiel und geben sich erfindungsreich. Der Jazz wird zur Kulturbegegnung, zur Melange Deutschlands und Kasachstans – die Bühne zum Spielort der kohärenten Erfüllung der Worte der Musiker.
Der Applaus für die Fun Horns war in Almaty übrigens laut und langanhaltend.
Mehr Infos zu den Fun Horns finden Sie hier.