Warum lernen Studenten in Moskau Kasachisch, Kirgisisch oder Usbekisch? In der DAZ berichten drei junge Leute über ihre Beziehung zu den zentralasiatischen Sprachen und was sie damit in Zukunft anfangen wollen.

Anna Michajlowa (19, Usbekisch)

Ich studiere im zweiten Jahr „Ausländische Regionalkunde“ an der Moskauer Staatlichen Linguistischen Universität (MSLU).

Usbekisch erschien in meinem Leben völlig zufällig. Alles begann mit der Verteilung von Sprachen an meiner Universität. Als ich es tat, konnte ich mir nicht einmal vorstellen, dass ich diese Sprache bald lernen würde.

Ich habe noch nie in meinem Leben darüber nachgedacht, in eine so weit entfernte Umgebung einzutauchen. Natürlich ist Zentralasien aktuell sehr relevant, aber ich kann im Moment nicht sagen, dass ich in Betracht ziehe, einmal mit der usbekischen Sprache zu arbeiten.

Was das Lernen angeht, ist es ziemlich schwer. Manchmal habe ich einen akuten Mangel an zusätzlichem Material, besonders wenn ich in komplexe Themen eintauchen möchte. Die Sprache selbst ist völlig anders als alle Sprachen, die ich je gelernt habe (Japanisch, Spanisch, Englisch). Die Unterschiede in Grammatik, Vokabular, Phonetik sind enorm.

An unserer Universität finden Veranstaltungen im Zusammenhang mit der Kultur Usbekistans statt. Wir nehmen aber auch an Veranstaltungen teil, die von der Botschaft organisiert werden. Sehr oft eröffnen mir solche Feiertage etwas Neues in kulturhistorischer Hinsicht, was mir natürlich beim Erlernen der usbekischen Sprache hilft.

Im Unterricht hören wir sehr viele usbekische nationale Lieder, manchmal singen wir sogar selbst. Wir schauen uns keine Filme an, weil die Zeit begrenzt ist, aber es wird uns immer geraten, etwas zu Hause zu schauen. Ich kann nicht sagen, dass ich eine besondere Sehnsucht nach Usbekistan habe, aber man beginnt, die Kultur ganz anders zu behandeln.

Ich habe es noch nicht geschafft, ein Praktikum in Usbekistan zu machen, aber ich hoffe, dass es im dritten Jahr klappt.

Es wäre zu einfach, sich auf die traditionellen Merkmale dieser Region zu verlassen und zu sagen, dass mein Lieblingswort im Usbekischen „osh“/„palov“ (Pilau) ist, daher denke ich, dass ich „muruvvat“ (Großzügigkeit, Menschlichkeit) nennen werde.

Anna Schamrai (21, Kasachisch)

Kasachisch habe ich nicht selbst gewählt, sondern es wurde mir bei der Verteilung der Sprachgruppen im ersten Jahr zugewiesen. Dann dachte ich mir aber: Warum eigentlich nicht? Warum fängt man nicht an, Kasachisch zu lernen? Ich habe die Gruppe nicht gewechselt oder mich von der Universität abgemeldet. Und später hat es mir gefallen, Kasachisch zu lernen.

Ist es schwierig, Kasachisch zu lernen? Ich würde sagen: teils teils. Es handelt sich um eine andere Sprachgruppe, die nichts mit Russisch oder Englisch zu tun hat. Es gab oft Schwierigkeiten, lange Sätze zu erstellen, da sich die Wortreihenfolge sehr von den Regeln des Russischen oder Englischen unterscheidet. Aber ich erinnere mich nicht an unlösbare Probleme beim Erlernen der Sprache. Insgesamt gab es in vier Jahren Studium nur angenehme Erinnerungen und ich bereue es nicht, geblieben zu sein und Kasachisch weiter zu lernen.

Wir haben oft genug an Projekten mit Kasachisch-Bezug teilgenommen – Konferenzen, Foren, Olympiade in der kasachischen Sprache. Und vor ein paar Monaten haben wir einen Test für kasachische Sprachkenntnisse von der Universität geschrieben. Unser durchschnittliches Niveau in der Gruppe ist B1, aber ich habe es geschafft, B2 zu erreichen.

Im dritten Jahr haben wir sogar Almaty besucht. Wir waren 45 Tage dort. An der kasachischen Nationalen Al-Farabi-Universität haben wir Sprachkurse absolviert. Dabei lernten wir Kasachisch hauptsächlich mit Muttersprachlern und konnten so die Kultur direkt kennenlernen. Zum Programm gehörten auch eine Stadtrundfahrt und Exkursionen zum Charyn Canyon und dem Kolsai–See.

Noch im dritten Jahr dachte ich, ich würde mein Leben mit dem Kasachischen verbinden, aber jetzt leider nicht mehr. Es gibt sehr wenige Tätigkeiten, in denen ich meine Kasachisch-Kenntnisse anwenden kann. Entweder arbeitet man in Regierungsbehörden wie der russischen Botschaft in Kasachstan oder dem Außenministerium; oder in einem Callcenter in Moskau, um Migranten zu helfen. Im Moment habe ich nicht den Wunsch, in öffentlichen Einrichtungen zu arbeiten. Ich möchte auch nicht in ein anderes Land ziehen, um in einer Botschaft zu arbeiten.

Mein Lieblings-Wort im Kasachischen besteht aus 33 Buchstaben – «қанағаттандырылмағандықтарыңыздан» („wegen Unzufriedenheit“). Einen besonderen Platz in meinem Herzen hat kasachisches Essen – Beshbarmak, Baursaki, Pferdefleisch. Und ich mag es, wie Kasachen Russisch sprechen, wie sie es teils mit der kasachischen Sprache mischen. Sogar russische Beschimpfungen aus dem Mund der Kasachen klingen cool. Ich kann auch kasachische Hochzeiten hervorheben. Ich war nicht persönlich anwesend, aber ich habe mir das Video angeschaut und Geschichten von Kasachen gehört.

Swjatoslaw Pukatsch (20, Kirgisisch)

Ich studiere im dritten Jahr ausländische Regionalkunde.

Meine erste Reaktion, als ich Kirgisisch als Sprache bekam, war Erstaunen. Wenn man zum Fremdspracheninstitut geht, weißt man, dass hier nicht nur Spanisch, Chinesisch, Japanisch oder Arabisch gelehrt werden, sondern auch Sprachen, von denen man noch nie gehört hat. Es herrschte bei mir Unsicherheit darüber, was ich als nächstes mit all dem tun sollte. Aber nach dem Sprachpraktikum in Kirgisistan gibt es nun Klarheit. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich es nicht bereue, Kirgisisch zu studieren.

Grundsätzlich ist es nicht so schwer, Kirgisisch zu lernen. Für mich als Russischsprachigen gibt es bestimmte Umstände, die das Lernen erleichtern. Es gibt nur drei Buchstaben und drei Töne, die es auf Russisch nicht gibt. Darüber hinaus gibt es ziemlich viele russischsprachige Lehnwörter. Diese Faktoren erleichtern das Lernen, aber nicht immer. Wenn man tiefer gräbt, unterscheiden sich natürlich die sprachlichen Realitäten, und jede Sprache hat einzigartige Eigenschaften.

Unser Lehrstuhl für Sprachen der GUS-Staaten und des nahen Auslands führt viele Veranstaltungen durch, die allen Ländern Zentralasiens gewidmet sind. Es gibt auch rein kirgisische Aktivitäten, die von offenen Unterrichtsstunden bis hin zu verschiedenen Modellen reichen. Zum Beispiel haben wir letztes Jahr eine Diskussion über das Beitrittsprojekt Kirgisistans in die Eurasische Wirtschaftsunion modelliert. Es war sehr cool und interessant, weil wir Drehbücher geschrieben haben, alles in kirgisischer Sprache durchdacht haben. Es werden auch allgemeine Universitätsveranstaltungen durchgeführt, zum Beispiel der Tag der kirgisischen Kultur.

Um ehrlich zu sein, kann ich jetzt noch nichts sicher über die Pläne für die Zukunft sagen. Aber ich denke, dass man eine Arbeit mit Bezug zu Kirgisisch finden kann, weil es nur sehr wenige Spezialisten im Land gibt, die damit arbeiten. Die Nachfrage ist definitiv da, die Konkurrenz nicht so groß. Für mich ist die Sprache nicht von größter Bedeutung, ich lerne kein sprachwissenschaftliches Fach. Meine Richtung hat immer noch mehr mit Politik, Wirtschaft, Gesellschaft zu tun. Daher ist Sprache mein Werkzeug. Ich denke, Kirgisisch als Werkzeug kann für meine weitere Tätigkeit nützlich sein.

Ich habe nicht das eine Lieblingswort. Es gibt einige, bei denen ich mag, wie sie klingen. Zum Beispiel „силер“, was Behandlung heißt. Oder das Verb „рахат“, übersetzt „Spaß haben“. Es gibt auch lustige Worte, zum Beispiel das Wort „мышык“, das wir mit einer Maus assoziieren (auf Russisch „мышь“), aber aus dem Kirgisischen übersetzt man es als „Katze“.

Ich bin daran interessiert, klassische kirgisische Epen zu lesen und zu interpretieren. Das wichtigste kirgisische epische Werk „Manas“ spiegelt in vielerlei Hinsicht die Mentalität des Volkes wider. Die Kirgisen sind ein historisch wanderndes Volk. Wenn sie zum Beispiel an Gewässern anhielten, nahmen sie Wasser für einige häusliche Zwecke auf, gingen aber nicht vollständig in den Fluss. Dies wurde dadurch erklärt, dass sie die Natur sehr respektieren und so zeigen, dass sie sie sehr sorgfältig behandeln. Es gibt viele so kleine kulturelle Besonderheiten, und es ist sehr interessant, wie sich das alles entwickelt hat. Ich liebe sehr die Literatur, etwa die Werke von Tschingis Aitmatow, einem Weltschriftsteller.

Zuletzt war ich bei dem Forum „Dialog der Kulturen“ in Sankt Petersburg. Dort las ich einen Auszug aus einem Gedicht des kirgisischen Nationaldichters Alykul Osmonow, das der Musik und ihrem Einfluss auf den lyrischen Helden gewidmet war. Ich trat in einem kirgisischen Nationalkostüm auf – einem blauen Bademantel mit goldener Aufschrift und einer Mütze. Und ich habe mit einigen Medien gesprochen, etwa mit Vertretern des ersten Kanals aus Kirgisistan.

Daniil Nilow

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