In der St. Nikolaus-Kirche in Almaty wird derzeit eine Ausstellung über die „Weiße Rose“ gezeigt. Die christlich motivierte Widerstandbewegung hat außerhalb von Deutschland auch eine starke Symbolkraft.

„Das Gesetz ändert sich. Das Gewissen nicht“. Mit diesen Worten bewies Sophie Scholl, dass ihr die Konsequenzen der Agitationen gegen das Nazi-Regime bewusst waren und dass sie fest an den Widerstand der „Weißen Rose“ glaubte und sich in keinem Fall korrumpieren ließ. Dies ist heute eindrucksvoll nachvollziehbar in dem Film über die Widerstandskämpferin „Sophie Scholl– Die letzten Tage“, der vergangene Woche im Goethe-Institut gezeigt wurde. Hintergrund dieser Filmvorführung war die Eröffnung der Ausstellung „Weiße Rose – Widerstand von Studenten, München 1942-1943“ im Versammlungsraum der St. Nikolaus-Kirche in Almaty. Der sechs Mitglieder der studentischen Bewegung „Weiße Rose“ wird nicht nur in Deutschland gedacht, sondern auch in Osteuropa sind sie heute ein Symbol für den Kampf gegen Faschismus.

Keine Angst vor dem freien Wort

Im deutschen Geschichtsunterricht treten sie als große moralische Vorbilder der Zivilcourage auf. Jeder deutsche Schüler lernt die Mitglieder der „Weißen Rose“ kennen als Gruppe von sechs mutigen Studenten, die mit ihren Flugblättern die Verbrechen der Nazis enthüllten. Sie bewiesen Mut, sich nicht den Mund verbieten zu lassen. Mit ihren Flugblättern prangerten sie die Verbrechen der Nazis an und riefen zum Kampf gegen das Hitler-Regime auf, wohlwissend eine nach der Logik der Nazis lebensgefährliche Straftat zu begehen. „Mir ist besonders wichtig, dass die Studenten und alle anderen anwesenden Gäste wissen, dass die „Weiße Rose“ kein Verein oder dergleichen war“, erklärte Winfried Vogel. Er ist Vorstandsmitglied der Stiftung „Weiße Rose“ und der Verantwortliche für die Wanderausstellung und kam extra zu deren Eröffnung der Ausstellung nach Almaty.

Mutige Studenten

Die kleine Gruppe der „Weißen Rose“ waren einfache Studenten, die erkannt hatten, dass die Ziele der Nationalsozialisten nicht mit ihren eigenen christlichen Überzeugungen übereinstimmten. Zur „Weißen Rose“ gehörten die Geschwister Sophie und Hans Scholl, Willi Graf, Kurt Huber, Christoph Probst und Alexander Schmorrel. Scholl, Graf und Schmorrell mussten ihren Wehrdienst an der Ostfront ableisten, wo sie zu Zeugen wurden von Massenermordungen und dem Schicksal der deportierten Juden. Zurück in Deutschland, beschlossen die damals noch jungen Männer, nicht zu schweigen.

Die Stellwände mit Informationen zur Widerstandsbewegung „Weiße Rose“ hatte Winfried Vogel bereits in mehr als 30 Städten gezeigt, darunter Moskau, Sankt Petersburg, Kiew und Riga. Bereits seit 15 Jahren reist der Bundeswehrbrigadegeneral a.D. durch Osteuropa und Russland, um vor allem Schülern und Studenten die Ausstellung zu zeigen. Nun hat es die Wanderausstellung nach Zentralasien geschafft. Kurz vor dem „Tag des Sieges“, an dem in Kasachstan an den Sieg über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg erinnert wird, ist die Ausstellung im Veranstaltungsraum eröffnet worden.

Ungebrochener Idealismus

Die „Weiße Rose“ ist heute in Deutschland ein konkretes Symbol der Zivilcourage. Nämlich dafür, dass junge Menschen auch während der Nazi-Zeit kompromisslos für Freiheit gekämpft haben. Besonders eindrucksvoll ist dies in dem Film über die letzten Tage der Sophie Scholl aus dem Jahr 2005 zu sehen, der im Rahmen der Ausstellungseröffnung im Goethe-Institut vorgeführt wurde. Der Film basiert auf den Verhörprotokollen der Gestapo und veranschaulicht ihren ungebrochenen Opfermut für ihre Idee an eine gewissenhaftere Welt.

Schmorrell wird als Märtyrer verehrt

In russischsprachigen Ländern steht die Bewegung der „Weißen Rose“ allgemein für den Kampf gegen Faschismus und wird vielmehr mit Alexander Schmorrell assoziiert, der von der russisch-orthodoxen Kirche als Neumärtyrer verehrt wird. Er lebte bis seinem vierten Lebensjahr in Orenburg. Damals gehörte diese Stadt noch zur Kasachischen SSR. Schmorells Vater war ein ostpreußischer Pelzhändler, der sich in Orenburg ansiedelte. Seine Mutter war die Tochter eines russisch-orthodoxen Priesters. In den Wirren des Bürgerkrieges verlassen die Schmorrels Orenburg und ziehen nach München, wo Schmorrell aufwächst und 1937 zum Dienst in die Wehrmacht eingezogen wird. Er bekam 1940 die Erlaubnis, in München Medizin zu studieren. An der Ludwig-Maximilians-Universität lernte er seine Weggefährten Willi Graf und die Geschwister Scholl kennen. „Nun ist Alexander Schmorrell bekannt als Alexander von München und wird sowohl von der russisch-orthodoxen als auch der orthodoxen Kirche im Ausland als Heiliger anerkannt und verehrt“, stellte Igor Chramow fest. Auf Initiative der Stiftung „Eurasia“ ist die Wanderausstellung nach Almaty gelangt.

Überzeugung ist Frage des Gewissens

Viele der Gäste, darunter auch einige Studenten der Al-Farabi-Universität hatten keine Ahnung davon, dass es auch in Deutschland antifaschistische Bewegungen wie die „Weiße Rose“ gab. „Gerade weil wir wissen, dass die Geschichtsbücher nur die Kommunisten als die Befreier Europas vom Faschismus feiern, ist es ein besonderer Fortschritt, dass die Ausstellung hier in der St. Nikolaus-Kirche stattfindet“, freute sich Chramow. Auf den Stellwänden im Versammlungsraum der Kirchengemeinde sind Fotografien zu sehen und Zitate aus Briefen und Tagebüchern der „Weiße-Rose“-Mitglieder zu lesen. Die Besucher erfahren dort auch unter anderem, dass Hans und Sophie Scholl, sowie Christoph Probst, Willi Graf und Alexander Schmorrell durch die Guillotine enthauptet wurden.

Angesichts dessen muss sich der Besucher der Ausstellung unweigerlich fragen, ob die Aktionen der „Weißen Rose“ nicht umsonst waren. Die Antwort darauf gibt Sophie Scholl im Film, wenn sie von der Gestapo verhört wird: „Mein Bruder und ich haben versucht, mit den Flugblättern den Menschen die Augen zu öffnen und das furchtbare Blutbad an anderen Völkern und den Juden früher zu beenden, als es ohnehin von den Alliierten beendet wird. […] Was glauben Sie, wie entsetzt ich war, als ich erfahren habe, dass die Nationalsozialisten geisteskranke Kinder mit Gas und Gift beseitigt haben! Mir haben Freundinnen unserer Mutter erzählt, wie Kinder bei den Diakonissinnen in der Pflegeanstalt mit Lastwagen abgeholt wurden. Da haben die übrigen Kinder gefragt, wo die Wagen hinfahren. Sie fahren in den Himmel, haben die Schwestern gesagt. Da sind dann die übrigen Kinder singend in die Lastwagen gestiegen. […] Meinen Sie, ich bin falsch erzogen, weil ich mit diesen Menschen fühle?“

Von Dominik Vorhölter

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