Das Gebäude der Deutsch-Kasachischen Universität soll durch eine umfangreiche Sanierung zum energieeffizientesten Gebäude in Kasachstan werden. Rund um dieses Thema veranstaltete die Hochschule in Almaty einen Workshop zum Thema Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Mit dem gleichzeitigen Besuch von Bundespräsident Köhler bekam die Idee plötzlich eine große Realisierungschance. Das Modellprojekt wird zur politischen Botschaft.
/Grafik: Architekturbüro Harald Just/
Durch das Fenster kann man ihn noch sehen. Bundespräsident Horst Köhler durchquert ein Spalier von Studenten, Dozenten, Journalisten und Sicherheitspersonal, steigt ins Auto und verschwindet zum nächsten Termin. Jetzt wieder zur Sache: Die Teilnehmer des Workshops „Gebäudeenergieeffizienz: Erfahrungsaustausch und praktische Erfahrungen in Kasachstan und Deutschland“ finden sich nach dem offiziellen Intermezzo wieder im Seminarraum der Deutsch-Kasachischen Universität (DKU) ein. Schon seit dem frühen Morgen geht es hier – methodisch sinnvoll – zuerst um die Theorie: Entwicklung der CO2-Emissionen weltweit, Ordnungs-, Baurecht, Gebäudestandards sowie Initiativen der Stadt Almaty zur Gebäudesanierung. Der Rektor der DKU, Matthias Kramer, hatte Experten und Unternehmer aus Kasachstan und Deutschland eingeladen, um über die geplante Gebäudesanierung der Universität, über Technologien und Erfahrungen zu sprechen.
Doch überraschenderweise geht bei den Energie-Workshop der Universität jetzt nicht mehr nur um Brainstorming und Planungen ins Blaue. Im tags zuvor zwischen Deutschland und Kasachstan unterschriebenen Vertrag wurden der DKU die Nutzungsrechte für das derzeitige Gebäude bis zum Jahr 2020 garantiert. So kann aus der Idee ein reelles Vorhaben werden. „Ich war selbst überrascht, wie konkret dieses Projekt plötzlich geworden ist“, meint Martin Spitzner vom privaten Forschungsinstitut für Wärmeschutz (FIW) aus München. „Wir haben jetzt durch den Besuch Köhlers eine hohe Realisierungschance erhalten.“
Die Pflicht mit der Kür verbinden
Außergewöhnlich an den Plänen ist dabei, dass Rektor Kramer die Umbaumaßnahmen nicht einfach so billig und schnell wie möglich vollziehen, sondern Pflicht und Kür miteinander verbinden will. Das Universitätsgebäude soll ein „Leuchtturmprojekt“ werden, das nach ganz Kasachstan und Zentralasien ausstrahlen soll. „Es ist der Wunsch – und jetzt auch politische Wille – diesen Bau zum innovativsten und energieeffizientesten in ganz Kasachstan zu machen“, so Kramer auf der Pressekonferenz. Der erste Schritt ist getan. Präsident Köhler überreichte dem Rektor feierlich den ersten Energieausweis ganz Zentralasiens für seine Universität. Für dieses Dokument begutachtete das Ingenieurbüro Wortmann & Scheerer das Gebäude und den tatsächlichen Zustand der Gebäudehülle sowie der Heizungsanlage. Experten untersuchten die Dämmqualität und ermittelten sinnvolle Modernisierungsempfehlungen für das Gebäude.
Auf dem Workshop sollte nun das neue Konzept für die Komplettsanierung des DKU-Gebäudes unter Einbeziehung aller zur Verfügung stehenden (deutschen) Hochtechnologien, des hiesigen Baurechts, der klimatischen Bedingungen in Almaty und der innovativen Ideen der Teilnehmer diskutiert werden. Architekt Harald Just stellt den Prototyp der Universität vor. Statt bisher drei sollen den Studenten fünf Stockwerke zur Verfügung stehen, dazu eine erweiterte Bibliothek, eine modernere Mensa mit 100 Plätzen und Küche sowie eine begrünte Dachterrasse. Auch ein neues Auditorium für 200 Personen in der obersten Etage ist geplant. Sonnenkollektoren auf dem Dach, Geothermie-Nutzung und irgendwann vielleicht auch Wasserkraft – ein ganzer Schwall an technologischen Fachbegriffen und Ideen ergießt sich an diesem Tag. Zwischen 70 und 80 Prozent des derzeitigen Energieverbrauchs ließen sich durch die Verwendung modernster Materialien einsparen.
„Baustoffe mit Vorbildcharakter“
Als Olaf Altmann, Mitarbeiter eines Unternehmens für Fassadendämmtechnik und Bauschutzfarben, dessen Produkte vorstellt, fällt ihm Rektor Kramer ins Wort:„Wir wollen hier keine Standardtechnik, die Sie schon in Kasachstan verbauen. Haben Sie nicht etwas in der Entwicklung, etwas mit Erstcharakter? Ich will hier nicht nur architektonisch und technisch das Innovativste haben, das gleiche gilt auch für die verwendeten Baustoffe.“ So stellt Kramer sich das vor. Und die beiden Ingenieure Wortmann und Spitzner verstehen ihn. In der Mittagspause äußert sich Ralph Wortmann euphorisch: „Bei den Sonnenstunden hier könnte man mit der Photovoltaikanlage theoretisch dreimal so viel Energie erhalten wie in Deutschland!“
Zwar müsse man laut Spitzner noch mindestens drei Jahre für Sichtung, Planung und Bau veranschlagen, vielleicht sogar erheblich länger – sollte das Gebäude währenddessen weiter genutzt werden –, dennoch ist jetzt schon so etwas wie Aufbruchstimmung zu spüren. Und das nicht nur von deutscher Seite. Der Präsident sowie der Rektor des „Institute of Energy and Communications“ in Almaty folgen sehr interessiert den Vorträgen und äußern immer wieder Fragen zu Wärmedämmverbundsystem (WDVS), Thermoanalyse-Bildern, Erdsonden und Kapillarrohrmatten.
Gute Ausbildung als Rendite
Während der Pressekonferenz am Nachmittag hört man dann auch viel Lob aus den Reihen der Journalisten. Bezeichnend ist vor allem, dass eine Frage immer wieder gestellt und die Antwort ungläubig vernommen wird. „Wie hoch ist die Rückflussdauer? Wann hat sich das Projekt amortisiert?“ Rektor Kramer erwidert geduldig, dass dies schwer zu berechnen sei. Die Kosten könnten sich auf ungefähr 15 Millionen Euro belaufen. Diese sollen durch Sponsoring aus der deutschen Wirtschaft und zusätzliche Finanzierung durch das deutsche Umweltministerium sowie das Auswärtige Amt aufgebracht werden. „Das ist kein klassisch unternehmerisches Projekt. Die Studenten sollen sich hier an der integrierten Technik qualifizieren“, erklärt Kramer. „Die Rendite wird eine gute Ausbildung sein, aber als Modellprojekt soll das Endprodukt Vorbildcharakter für ganz Zentralasien haben. Es soll zeigen, was möglich ist“. Und welche Energieeffizienz- und erneuerbare Energie-Technologien deutsche Unternehmen anbieten können.
Auch die Frage, ob in Kasachstan überhaupt Interesse an dieser teuren und doch „hier eigentlich gar nicht nötigen Einspar-Technik“ bestünde, bringt den Rektor nicht aus der Ruhe. Erstens könne man jedes Barrel Öl, das man nicht in Kasachstan aus dem Fenster blase, teuer auf dem Weltmarkt verkaufen, zweitens würden kasachische Unternehmer unabhängiger von den zentralen Versorgungssystemen und drittens könne man so Almaty aus der Liste der zehn ungesündesten Städte der Welt entfernen.
Hoher Besuch auf dem Kok Töbe
Die kasachischen Teilnehmer des Workshops sind auf jeden Fall überzeugt und bieten der DKU spontan eine Kooperation inklusive gegenseitiger Nutzung von Labors und Anlagen an. Beim Abendempfang mit Astrid Klug, der Parlamentarischen Staatssekretärin des Bundesumweltministeriums, auf dem Kok Töbe kommen die Gemüter wieder zur Ruhe. Klug lobt das Vorhaben als Schritt zur Erreichung der Klimaschutzziele. Auf diesem Wege könne Deutschland durch Technologieexport einen (kleinen) Beitrag zur Rettung des Weltklimas leisten.
Das Projekt steht zwar noch nicht. Viele Dinge sind noch zu klären und zu planen, aber jetzt sitzt die Politik mit im Boot. Alles andere ist „nur“ noch eine Frage des Geldes.
Von Thomas Düll
12/09/08