Einmal einen Einblick in das Herz der deutschen Demokratie erhalten? Das ist dank des Internationalen Parlaments-Stipendiums möglich. Das Programm ermöglicht jährlich 120 jungen Hochschulabsolventen aus der ganzen Welt einen fünfmonatigen Aufenthalt in Berlin. Dort arbeiten die Stipendiaten in einem Abgeordnetenbüro mit, erleben den Alltag im deutschen Parlament hautnah und haben die Möglichkeit, Lehrveranstaltungen an den Berliner Universitäten zu besuchen.

Altyn Kenzhegalieva (29) war 2015 als IPS-Stipendiatin im Bundestag und arbeitete für den damaligen Abgeordneten Carsten Sieling aus der SPD-Fraktion. Vor ihrem Aufenthalt in Berlin studierte sie Wirtschaft und engagierte sich für die Bürgerliche Allianz Kasachstans. Heute arbeitet sie als Finanzmanagerin bei der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

Warum hast du dich für das Programm beworben?

Seit meiner Studienzeit war ich im zivilgesellschaftlichen Bereich sehr aktiv und arbeitete seit 2010 für die Bürgerliche Allianz Kasachstans. Außerdem interessiere ich mich für Politik, Wirtschaft und Geschichte. Daher klang das Programm für mich sehr interessant. Ich wollte schauen, wie ein offenes Parlament funktioniert, und die Abläufe im Bundestag kennenlernen.

Was hat dich am stärksten beeindruckt?

Mich hat vieles beeindruckt. Was mir sehr gefallen hat, war die Professionalität, mit der meine Kollegen im Büro gearbeitet haben, und ihre Freundlichkeit. Ich wurde in viele Arbeitsabläufe involviert. Alle wollten mir helfen und waren sehr kompetent. Einige Stipendiaten beklagten, dass ihre Mitarbeiter nur wenig gemacht haben. Aber bei mir war es sehr professionell und wir haben die Aufgaben fair verteilt.

Was waren deine Tätigkeiten im Abgeordnetenbüro?

Wir hatten viele Besuchergruppen, die ich begleitet habe. Manchmal waren diese auch neugierig zu erfahren, wer ich bin, und wir kamen ins Gespräch. Außerdem habe ich Bürgeranfragen beantwortet. Für den Abgeordneten habe ich Veranstaltungseinladungen sortiert, um eine Vorauswahl zu treffen, was ihn interessiert oder nicht. Ich habe also viel Organisatorisches gemacht.

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Welche politischen Themen waren damals aktuell?

Mein Abgeordneter war im Finanzausschuss. 2015 waren dort die aktuellen Themen der Grexit, also der mögliche Austritt Griechenlands aus der Eurozone, und das TTIP-Abkommen. Es gab viel Streit und viele Diskussionen.

Ich hatte auch die Möglichkeit, viele Ausschüsse zu besuchen. Den Ausschuss für Migration fand ich sehr interessant. Besonders beeindruckt hat mich die Plenarsitzung im April, in der der Bundestag die Massaker an den Armeniern 1915/1916 als Völkermord einstufte. Denn dieses Thema ist ein sehr schwieriges und es gibt viel Streit darüber. Ich hatte darüber von unterschiedlichen Seiten vieles gehört und gelesen. Das war sehr mutig vom Deutschen Bundestag, dies anzuerkennen.

Wie ist dein persönliches Fazit des IPS-Programms?

Dieses Praktikum hat mir geholfen, meinen Horizont zu erweitern und mir zu zeigen, wie dieses offene demokratische System funktioniert. Und ich habe viele Kontakte zu interessanten Menschen aus unterschiedlichen Ländern geknüpft, zum Beispiel aus den Balkanstaaten und aus arabischen Ländern. Da hatte ich zugegebenermaßen vorher einige Vorurteile und Stereotype. Diese habe ich nun nicht mehr.

Kannst du das Programm weiterempfehlen?

Ja natürlich, zu hundert Prozent! Ich habe anderen auch schon Bewerbungstipps gegeben.

Das Internationale Parlaments-Stipendium (IPS) ist ein jährliches Stipendienprogramm des Deutschen Bundestages für bis zu 120 junge Leute aus Mittel-, Ost– und Südosteuropa, Ländern des arabischen Raums, Frankreich, Israel, Kanada sowie den USA. Das IPS gibt es seit 1986. Seitdem haben mehr als 2.500 Stipendiaten das Internationale Parlaments-Stipendium absolviert. Bewerber müssen Staatsbürger eines beteiligten Landes sein, ein Studium erfolgreich absolviert haben, über sehr gute deutsche Sprachkenntnisse verfügen (min. B2) und dürfen das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für den nächsten IPS-Jahrgang kann man sich noch bis zum 30. Juni 2018 bewerben. Mehr Infos unter: http://www.bundestag.de/ips

Das Interview führte Sabine Hoscislawski.

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