Ewige menschliche Werte wie Ehrenhaftigkeit, Ehrlichkeit und Fleiß haben eine große Bedeutung für den kasachisch-russischen Deutschen Alexander Benz, 67. Die Hauptsache im Leben ist für ihn die würdige Erziehung seiner Söhne und Enkelkinder. Bei der Arbeit findet er besonders wichtig, dass seine Mitarbeiter ausgeprägte technische Kenntnisse haben und sich ständig weiterbilden. Obwohl Alexander schon Rentner ist, geht er seinem Beruf immer noch nach. Neben der Arbeit treibt er oft Sport; in den letzten Jahren sind das Skifahren und Schlittschuhlaufen. In der Freizeit erforscht Alexander gern die Familiengeschichte.

Alexander erblickte das Licht der Welt am 22. April 1952 in der Region Kemerowo in der Stadt Prokopjewsk. In der Familie wuchs er zusammen mit sieben Geschwistern auf. „Wir wohnten hinter Stacheldraht“, erinnert er sich. „Von den sieben Kindern meiner Eltern wurden vier später rehabilitiert, weil sie dort bis zum 1. Januar 1956 geboren sind.“

In Prokopjewsk beendete Alexander 1969 die Schule. Und er bewarb sich zwei Mal um ein Jurastudium in Tomsk, konnte aber nicht genug Punkte erreichen. „Damals sollten die zukünftigen Studenten neben Russisch auch eine Fremdsprache beherrschen und bei einem Auswahlgespräch ihre Kenntnisse nachzuweisen. Diese Anforderung war für mich besonders schwer, weil ich Englisch, Französisch und Spanisch jeweils nur ein halbes Jahr lang gelernt habe (so lange blieben die Lehrer damals durchschnittlich an meiner Schule); meine Muttersprache Deutsch durfte ich nicht lernen und sprechen.

Das lag auch daran, dass in meinem Wohnort viele Umsiedler aus der Ukraine, aus Weißrussland, den Baltischen Staaten, dem Nordkaukasus wohnten, die ihre schlechten Lebensbedingungen nicht den Faschisten, sondern den Sowjetdeutschen zuschrieben. Aus diesem Grund war die Einstellung der Anderen zu uns ziemlich lange sehr negativ“, sagt er.

Ein Stipendium blieb Alexander Benz verwehrt

Im vergangenen Sommer kam Alexander nach Pawlodar zum Cousin seines Vaters. Hier immatrikulierte sich der 17-Jährige am Industrieinstitut für ein Studium zum Verbrennungsmotormechaniker. Obwohl das Studium in der Regel fünf Jahre dauerte, schloss Alexander die Ausbildung im Vergleich zu seinen Kommilitonen erst später ab.

„Als Student erhielt ich kein Stipendium, da das Pro-Kopf-Einkommen in meiner Familie höher als die Norm war. Ich konnte aber bei meiner Familie nicht um Geld bitten, weil noch fünf kleine Kinder zu Hause heranwuchsen. Aus diesem Grund verdiente ich mir etwas in Betrieben und auf Flussschiffen dazu. Das wirkte sich negativ auf mein Studium aus. Deswegen beantragte ich im dritten Studienjahr akademischen Urlaub, doch nach einem Monat wurde zum Armeedienst einberufen. Zwei Jahre später kam ich zum Institut zurück“, erklärt er.

Lesen Sie auch: Austausch zwischen Jung und Alt in Pawlodar

Während des Studiums, am 4. September 1976, heiratete Alexander Nadeschda Pisegowa, mit der er an der gleichen Fakultät studierte. „Meine Frau ist mein zuverlässiger Heiler. Sie ist nicht nur gute Ehefrau und Mutter, sondern auch eine gute Spezialistin“, sagt er über Nadeschda, die von Kosaken abstammt. 1977 absolvierte Alexander die Hochschule, „in diesem Jahr wurde ich Vater meines ersten Sohnes Alexander. Ich begann, Arbeit zu suchen, aber man bot mir nur niedrigen Lohn als Bezahlung. Deswegen ging ich in die Turbinenwerkstatt „Sevkazenergoremont“ in Pawlodar, wo ich als Wirtschaftsingenieur der 3. Kategorie angestellt wurde. Dieses Werk wartete damals die Ausrüstung der städtischen № 1-, 2- und 3-KWK-Anlagen und des regionalen Staatskraftwerks in Jermak (Aksu), wo ich jetzt tätig bin.“

Schwierige 1990er

1984 kam Alexanders zweiter Sohn Sergej auf die Welt. In dieser Zeit begann seine sechsjährige Arbeit in der geschlossenen Stadt Stepnogorsk – der „Atomhauptstadt der USSR“, die auf den Karten damals nicht eingezeichnet war. „Von Anfang an sah alles gut aus. Ich bekam dort eine Wohnung zugewiesen. Aber infolge des Unfalls im Kernkraftwerk Tschernobyl wurden unsere Kapazitäten hier nach Tschernobyl verlegt. Die Situation in der Stadt wurde Tag für Tag schlimmer. Aus diesem Grund haben wir unsere Wohnung getauscht und kamen 1988 nach Pawlodar zurück. Trotzdem sollte ich noch zwei Jahre lang zwischen beiden Städten wegen meiner Arbeit pendeln“, erinnert sich Alexander.

Der Zusammenbruch der UdSSR beeinflusste das Leben der Menschen überall. Anfang der 90-er Jahre verließen ganz viele Leute Kasachstan. „1993 wollte auch ich einen Umzug nach Tomsk wagen, und hatte schon die Schlüssel von der Wohnung in den Händen. Trotzdem bin ich letztlich hier geblieben. Was hat mich damals von diesem Schritt abgehalten? Das weiß ich nicht genau. Ich dachte immer daran, dass unser Kraftwerk arbeiten soll und deren Mitarbeiter in ihrem Betrieb bleiben sollen…“, sagt er.

Alexander Benz auch von deutschen Kollegen bewundert

Ein Jahr später unternahm Alexander eine Geschäftsreise nach Deutschland. Dort stand er im Erfahrungsaustausch über Ausrüstungsrenovierung mit den Mitarbeitern des „ABB“-Werkes. „Es war interessant, wenn mir und meinem Kollegem Sergej Fedorowskij acht deutsche Spezialisten gegenüber saßen und jeder von ihnen nur für eine Branche verantwortlich war, aber wir beide alle diese Bereiche gut kannten.“ Seine neuen Kenntnisse wandte Alexander bei der Herstellung der ersten Turbine in seinem Kraftwerk an. „Alexander Alfredowitsch ist ein hoch qualifizierter Spezialist, der auf alle Fragen zu Bereichen der Turbinenarbeit jederzeit Antworten finden kann. Es ist wirklich keine leichte Arbeit, in einem Werk mit schnell wechselnden Technologien ein Leben lang tätig zu sein und immer gefragt zu sein“, so der Kraftwerksmitarbeiter Alexander Poddubnyy.

„Obwohl ich 2015 mein erstes Rentengeld bekam, ließ ich meine Arbeit nicht ruhen. Ich habe mir angewöhnt, immer tätig zu sein und etwas instand zu setzen. Zurzeit bin ich als führender Ingenieur-Kurator im Bereich der thermischen und mechanischen Ausrüstung des Kraftwerks tätig. Bei meiner Arbeit habe ich viele Höhen und Tiefen durchgemacht. Und ich bin stolz, dass meine berufliche Kompetenz und meine Treue zum gewählten Beruf immer hoch bewertet wurden.“

Helena Garkawa

Teilen mit: