Es gibt unzählige Shoppingmalls in Almaty. Sie dienen nicht nur dem Einkaufen, sondern sind auch beliebter Treffpunkt für junge Menschen. Diese Konsumtempel warten mit einer Vielzahl an Geschäften, Restaurants und Cafés auf. Hinzukommen hierzulande oft noch Spielparadiese für Kinder und Kinotheater. In Einkaufszentren anderer postsowjetischer Staaten sind auch schon mal Kletterparks oder Eislaufbahnen im Inneren zu finden.

Die Shoppingmalls in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion sind ein Zeichen des Turbokapitalismus‘, der auch Kasachstan in den 1990er Jahren heimsuchte. Die Menschen hatten jahrzehntelang unter Mangelwirtschaft gelitten, und waren heiß auf Konsum. Die Chance für windige Geschäftemacher und Immobilienhaie: Überall entstanden jetzt Einkaufszentren.

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Im Jahr 2006 kam das Unternehmen „Mega“ mit seinen selbst für internationale Verhältnisse riesigen, modernen Malls auf den Markt. Derer gibt es gleich zwei in Almaty, eine in Astana. Das Einkaufszentrum „Mega Alma-Ata“ ist aufgrund seines Riesenrads auf dem Parkplatz weithin in der Stadt sichtbar. Der dekadente Höhepunkt dieses kapitalistischen ist der Esentai-Komplex. Eine Luxus-Einkaufspassage, in der die Filialen der teuersten Marken der Welt logieren. Teil des Komplexes ist ein gläsernes Hochhaus, in dem das Hotel Ritz-Carlton residiert. Mit seinen 168 Metern und 38 Etagen ist es das höchste Gebäude Almatys.

Doch der Markt scheint gesättigt. Im Ursprungsland des Kapitalismus, wo 1956 mit dem Southdale Center bei Minneapolis die erste sogenannte Shopping Mall im heutigen Sinne entstand, wurde seit 2006 nur ein einziges Einkaufszentrum eröffnet. Dagegen schlossen in den USA allein in den Jahren 2007 und 2008 über 400 der größten Malls für immer ihre Türen.

52 Shoppingmalls zählt die Internetplattform wikicity in Almaty auf. Die Liste ist wohl nicht abschließend. Denn die gewissenlose Spekulationsschlacht läuft in Almaty weiter. Unter Protesten der Bevölkerung wurde direkt im historischen Herzen der Stadt das Kaisar Plaza errichtet. Es ist nicht nur ein weiteres, unnötiges Einkaufszentrum. Es ist ein übertrieben geschmackloses, aus dem Ruder gelaufenes und unfassbar größenwahnsinniges Gebäude – ein unförmiger Klotz in der Nachbarschaft von niedrigen Wohnhäusern aus den 1950er Jahren. Das Gebäude steht größtenteils leer, von Shoppingparadies kann keine Rede sein. Das Kaisar Plaza ist ein architektonischer Schandfleck, steingewordene Provokation, ein Skandal inmitten unserer schönen Stadt.

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Noch absurder klingt der Fall des „Forum Almaty“, ein vor kurzem eröffnetes Megashoppingcenter. Die Eröffnung verzögerte sich um Jahre, und als es Ende 2018 so weit war, hat es niemand mitbekommen. Eine Eröffnungsfeier gab es nicht, eine Internetpräsenz existiert ebenso wenig. Im Inneren herrscht gähnende Leere. Die sieben Etagen bieten auf 155.000 Quadratmetern Platz für 300 Geschäfte – so der Plan. Von der Ladenfläche sind bis jetzt wohl noch nicht einmal zehn Prozent vermietet. Die Läden sind verwaist, die Fensterfronten zugeklebt. Einzig unzählige Putzfrauen bevölkern die glänzenden Marmoretagen und putzen blitzblank, wo es eigentlich nichts zu putzen gibt. Das „Forum Almaty“ muss für die in der Öffentlichkeit durch Abwesenheit glänzenden Betreiber ein herber Schlag sein.

In der deutschen Hauptstadt gibt es übrigens ganze 68 Einkaufszentren. 2014 eröffnete am Potsdamer Platz die „Mall of Berlin“. Ein riesiger Einkaufskomplex, der bisher kaum Menschen anzieht, dafür viele Ladenbetreiber mit seinen horrenden Mieten zum Aufgeben zwingt. Im Interview mit dem Tagesspiegel sagte der Stadtplaner Thomas Krüger 2018 ein baldiges Center-Sterben voraus. Das trifft wohl nicht nur auf Berlin zu.

Philipp Dippl

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