Das Internationale-Parlamentsstipendium (IPS) bietet jungen Leuten aus 27 Ländern die Chance, ein fünfmonatiges Praktikum beim Deutschen Bundestag in Berlin zu absolvieren. Wie interessant es sein kann, hinter die Kulissen der politischen Bühne in Deutschland zu schauen, Entscheidungsprozesse zu verfolgen und praktische Erfahrungen in der parlamentarischen Arbeit zu sammeln, weiß Stipendiatin Natalja Klauser zu berichten.

/Bild: privat. ‚Die fünf IPSler aus Kasachstan gemeinsam mit Galina Nurtasinowa (2.v.r.) von der Deutsch-Kasachischen Gesellschaft in Berlin.’/

Der größte Teil der etwa 120 Parlamentsstipendiaten kommt aus Osteuropa und Ländern der ehemaligen Sowjetunion sowie den USA, Frankreich und Israel. Aus Kasachstan sind in diesem Jahr fünf Stipendiaten mit von der Partie: Akmaral Imankulowa aus Pawlodar, Natalja Klauser aus Kostanai, Nelli Warkentin aus Karaganda, Julia Jurkowskaja und Nurschan Ainabekow aus Schymkent. Unser Parlamentspraktikum begann am 2. März und wird bis Ende Juli dauern.

Betreut werden wir durch die IPS-Abteilung der Humboldt-Universität zu Berlin und Mitarbeiter des Deutschen Bundestages. Gleich zu Beginn wurden wir in fünf Gruppen aufgeteilt, so dass verschiedene Länder in jeder Gruppe vertreten waren. In den jeweiligen Gruppen haben wir dann Länder- und Reiseverantwortliche sowie Vertreter für das Organisationskomitee gewählt. Die Stipendiaten sind in der Wohnanlage nicht nach Ländern getrennt, sondern untereinander gemischt verteilt und können so mit ihren Mitbewohnern fast nur Deutsch sprechen. Das trägt natürlich zur Verbesserung der Deutschkenntnisse bei. Die ersten zwei Wochen waren mit Einführungsveranstaltungen voll gepackt. Ich habe unter anderem an der IT-Schulung und Führungen durch das Parlamentsviertel und die Bibliothek teilgenommen.

Am 16. März 2009 begann mein Praktikum im Abgeordnetenbüro von Anette Hübinger. In ihrem Büro ein Praktikum zu absolvieren ist für mich eine echte Chance. Neben ihrer Tätigkeit im Fachausschuss für Entwicklungszusammenarbeit und Menschenrechte engagiert sie sich auch für Bildungsthemen. Das ist für mich von höchstem Interesse und stellt auch einen Zusammenhang zu meiner Arbeit in Kasachstan bei der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) her. Die Büromitarbeiter haben dafür gesorgt, dass ich durch vielfältige Aufgaben und die Teilnahme an verschiedenen Terminen ein möglichst realistisches Bild der Arbeit im Abgeordnetenbüro bekomme.

Hautnah dabei

In den Sitzungswochen haben alle Stipendiaten die Möglichkeit, an den Zusammenkünften der Arbeitsgruppen und Ausschüsse teilzunehmen. Für mich war besonders interessant, selbst mitzuerleben, wie mögliche Beschlüsse vorbereitet werden und ein mehrheitsfähiger Kompromiss gesucht wird.

Im Abgeordnetenbüro bereiten die Stipendianten die Ausschussordner oder Mappen für die öffentlichen Anhörungen vor, recherchieren für Podiumsdiskussionen, beantworten Briefe von Bürgern, organisieren Besucherführungen mit, schreiben Pressemitteilungen, oder aktualisieren den Terminkalender auf der Internetseite. Dazwischen habe ich Fraktionsveranstaltungen, öffentliche Anhörungen und Fachgespräche besucht und bei der Anmeldung und Betreuung der Teilnehmer mitgeholfen. Einige Stipendiaten arbeiten sich in ein bestimmtes, für das Abgeordnetenbüro aktuelles Thema ein und schreiben dazu eine Facharbeit. Die Stipendiaten können auch den Wahlkreis ihrer Abgeordneten bereisen und sich mit der Arbeit dort vertraut machen. Da im September die Bundestagswahlen anstehen, werden sie oft auch aktiv in den Wahlkampf miteinbezogen.

Im Bundestag finden natürlich nicht jede Woche Plenarsitzungen statt. Dadurch besteht mein Praktikum jeweils etwa zur Hälfte aus Sitzungswochen und sitzungsfreien Wochen. Die Sitzungswoche ist vor allem für die Abgeordneten sehr anstrengend, denn sie haben einen fest einzuhaltenden Wochenplan: Neben der Teilnahme an den Parlamentssitzungen müssen sie an Treffen der Landes- oder Parlamentariergruppen, Arbeitsgruppen-, Fraktions- und Ausschusssitzungen, öffentlichen Anhörungen, Regierungsbefragungen, aktuellen Stunden, etc. teilnehmen.

Eines der eindrucksvollsten Ereignisse war bisher für mich die namentliche Abstimmung mit vollzähliger Präsenz aller Abgeordneten im Plenarsaal, die ich einmal von der Besucherebene selbst mitverfolgen konnte. Besonders in den Sitzungswochen konnte ich viele spannende Eindrücke sammeln. Ich war bei Regierungserklärungen von Bundeskanzlerin Merkel dabei und nahm an einer Bundespressekonferenz zum Thema „Abwrackprämie“ teil. Auch in den Ausschüssen ging es interessant zu, wie in der öffentlichen Anhörung des Bildungsausschusses zum Thema „Hochschulzulassung“, zu der Experten eingeladen wurden, die in schwierigen Themen Klarheit für die Abgeordneten bringen sollten.

Höhepunkt Fraktionssitzung

Fast nebenbei konnte ich noch interessante Einblicke beispielsweise beim Besuch des Auswärtigen Ausschusses des Bundesrates, des Bundeskanzleramtes oder bei der Talk-Show „Hart aber fair“ live im ARD-Studio erlangen. Im Rahmen des Programms wurden alle Stipendiaten aus Kasachstan zu einem Gespräch mit der Deutsch-Zentralasiatischen Parlamentariergruppe vom Mitglied des Bundestages (MdB), Hedi Wegener eingeladen. Sie ist auch die Vorsitzende der Deutsch-Kasachischen Gesellschaft.

Der Besuch einer Fraktionssitzung war für mich auf jeden Fall ein Höhepunkt, denn da konnte ich Spitzenpolitiker und Spitzenkandidaten der Parteien mit eigenen Augen sehen. Im Rahmen des Kasachstan-Jahres in Deutschland habe ich auch Veranstaltungen der Kasachischen Botschaft besucht, zum Beispiel eine Podiumsdiskussion zur OSZE-Präsidentschaft Kasachstans im Jahre 2010 mit Politikern aus Deutschland, Kasachstan und dem kasachischen Botschafter.

Neben der Arbeit im Bundestag besteht die Möglichkeit, Vorlesungen und Seminare an Berliner Universitäten zu besuchen. Zusammen mit den anderen Stipendiatinnen und Stipendiaten haben wir Studienseminare politischer Stiftungen Deutschlands – beispielsweise der Hans-Seidel-, Friedrich-Naumann- oder der Friedrich-Ebert-Stiftung besucht. Im Juni nahmen wir am Workshop „Volksgruppen und nationale Minderheiten in Deutschland“ der Europäischen Akademie Schleswig-Holstein in Sankelmark teil.

Die nächsten Stiftungsreisen finden im Juli statt. Jede der fünf Stipendiatengruppen hat dazu ihr eigenes Programm. Meine Gruppe wird die Deutsche Welle in Bonn, die Konrad-Adenauer-Stiftung in Wendgräben, die Heinrich-Böll-Stiftung in Wietow und die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Kiel besuchen.

Persönlicher Gewinn

Wenn man einmal in so einem multikulturellen Team gelebt und gearbeitet hat, muss man einfach die Chance nutzen, weltweit neue Kontakte zu knüpfen und fremde Kulturen zu entdecken. Ich habe 117 Stipendiaten aus 27 Ländern kennengelernt und mit vielen auch Freundschaften geschlossen. Ich bin sicher, dass mich die Teilnahme an diesem Praktikum persönlich bereichert hat und mich beruflich voranbringen wird. Während meines Aufenthaltes in Berlin und vor allem im Bundestag sind mir viele politische Zusammenhänge klarer geworden, und ich habe in der Praxis gesehen, wie das Deutsche Parlamentarische System und das aus meiner Sicht offenste Parlament der Welt funktionieren.

Eine berufliche Zukunft im Bereich der deutsch-kasachischen Zusammenarbeit kann ich mir mittlerweile sehr gut vorstellen. Das IPS hat mir das nötige Rüstzeug verschafft, um auch die Beziehungen zwischen Deutschland und Kasachstan festigen zu können. Mir hat dieses Praktikum vor allem gezeigt, wie wichtig und bereichernd multikulturelles Zusammenleben und –arbeiten ist.

26/06/09

Teilen mit: