In Almaty wurden die Beziehungen zwischen Kasachstan und der Bundesrepublik Deutschland erneut weiter vertieft. Am 2. April schloss das Gymnasium Nr. 18 in Almaty mit einer deutschen Firma aus Thüringen, der FAV Service gGmbH, einen Kooperationsvertrag ab. Die FAV stellte dabei ein Projekt vor, das kasachstanischen Schülern die Möglichkeit bieten soll, nach dem Schulabschluss eine duale Ausbildung in Deutschland zu beginnen.
Die FAV Service gGmbH ist eine deutsche Firma aus Thüringen, welche sowohl national als auch international versucht, junge Menschen für eine Ausbildung in Handwerksberufen zu gewinnen. Die FAV Service gGmbH hat Kooperationsvereinbarungen mit 38 Unternehmen, welche verschiedene duale Ausbildungsberufe für junge Menschen anbieten. Die Auswahl von technisch und handwerklich orientierten Berufen, bis hin zur Pflege und dem Bankwesen ist dabei groß. Die Ausbildungsdauer beträgt in der Regel drei Jahre. Eingeladen zur Teilnahme sind Absolventen im Alter von 18 bis 26 Jahren.
Kostenlose Ausbildung mit Gehalt
Bei der Veranstaltung waren unter anderem der FAV-Projektleiter Dr. Denys Nevinskyi, der FAV-Direktor Professor Heiko Schüler und der Präsident der Industrie- und Handelskammer Erfurt Dieter Bauhaus anwesend. Die FAV Service gGmbH arbeitet bei der Umsetzung ihrer Mission eng mit Sprachschulen, Universitäten, Hochschulen, Regierungsbehörden und Non-Profit-Organisationen zusammen – so auch mit dem Gymnasium Nr. 18, einer der DSD-Schulen in Almaty. Das Projekt wird nicht nur in Kasachstan, sondern ebenfalls in Kirgisistan, Serbien, der Ukraine und der Mongolei realisiert.
Der Tag beginnt mit einer Choraufführung zu Ehren der Gäste um 10 Uhr, wobei das erste Lied sogar auf Deutsch gesungen wurde. Anschließend hält Schuldirektorin Guldschamilja Nauryzbajewa eine Rede. Sie verweist auf das vom Präsidenten ausgerufene „Jahr der Arbeit“ und geht zudem kurz auf die Geschichte der Schule sowie die Bedeutung des Deutschunterrichts am Gymnasium Nr. 18 ein.
Ähnlich wie im dualen Studium bietet in der dualen Ausbildung ein Unternehmen den Absolventen eine kostenlose Lehre bzw. Berufsausbildung an. Diese setzt sich aus einem praktischen und einem theoretischen Teil zusammen, wobei das jeweilige Unternehmen die praktische Ausbildung der Lehrlinge bzw. der Auszubildenden übernimmt. Relativ häufig bleiben die Lehrlinge nach ihrer Ausbildung bei der Firma, um dort als Festangestellte zu arbeiten. Natürlich gilt dies nur für jene, welche ihre Prüfung bestehen und sich als gute Arbeiter herausstellen. Es besteht ebenfalls die Möglichkeit, das erlernte Wissen zurück nach Kasachstan zu nehmen und es hierzulande in der weiteren beruflichen Tätigkeit anzuwenden.
Nach der Schule fällt es vielen jungen Menschen schwer, sich zu entscheiden, wie es weitergehen soll. Nach einem kurzen PR-Video stellte Dr. Denys Nevinskyi das Programm in einer ausführlichen Präsentation vor. Er schilderte die Situation in Deutschland: Durch die Vielzahl der jährlichen Hochschulabsolventen, sei der spätere Arbeitsweg für Studenten oft schwerer zu finden, so Nevinskyi. Gleichzeitig betonte er die Vorteile einer Lehre: Die duale Ausbildung ist nicht nur kostenlos. Für die Arbeit in dieser Firma erhalten die Lehrlinge ein monatliches Stipendium von nicht weniger als 927 Euro, umgerechnet mehr als 500.000 Tenge. Dieser Betrag soll außerdem jährlich an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten angepasst werden.
Eine Einführung in die Arbeitswelt
Natürlich müssen auch in der dualen Ausbildung Prüfungen geschrieben werden. Durch die Kombination von Theorie und Praxis bleibt den Lehrlingen oft weniger Freizeit. Diesen Aspekt sprach Dr. Nevinskyi offen an. Ferien haben die Lehrlinge während ihrer Ausbildung zwar nicht, aber dennoch erhalten sie durch das Bundesurlaubsgesetz bei einer Sechs-Tage-Woche einen Anspruch auf 24 Urlaubstage pro Jahr. Die duale Ausbildung weist die Lehrlinge schnell in die Realitäten der Arbeitswelt ein. Und trotzdem haben sie auch noch schulische Pflichten. Die Vertrautheit mit den Realitäten der Arbeitswelt erspart den Lehrlingen allerdings auch Zeit bei ihrer Jobsuche im Anschluss an die Ausbildung, da für sie bei einem guten Zeugnis die Chance besteht, bei der Ausbildungsfirma zu bleiben. Auch darauf ging Dr. Nevinskyi in seinem Vortrag ein.
Deutschkenntnisse auf hohem Niveau sind allerdings Pflicht. Um eine Ausbildung in Deutschland zu beginnen, müssen die Lehrlinge Deutsch auf mindestens B2 Niveau sprechen. „Nun, ich kann ihnen bestätigen, wenn man die Sprache nicht beherrscht, weiß man hinterher nicht, was die Leute von einem wollen“, begründet Denys Nevinskyi diese Voraussetzung.
Nach dem Vortrag unterzeichnen beide Seiten feierlich den Kooperationsvertrag. Die Schuldirektorin Nauryzbajewa und Professor Schüler reichen sich gegenseitig die Hand. Anschließend haben die Schüler und Eltern die Chance, Fragen an die Vertreter der Firma FAV Service gGmbH zu stellen. Weder die Schüler, noch deren Eltern halten sich hierbei zurück.
Gegen den Fachkräftemangel
Ein Schüler möchte wissen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit sei, bei einer Bewerbung zur Teilnahme an den Programm abgelehnt zu werden. Professor Schüler antwortet, dass es mit dem Abschluss DSD II keine Probleme gäbe: „Wir nehmen euch gerne und herzlich auf.“ Auf die Frage eines Mädchens, warum dieses Programm überhaupt existiert, antwortet Denys Nevinskyi ehrlich. In Deutschland herrscht Fachkräftemangel und das Land benötigt dringend Facharbeiter und Facharbeiterinnen. „In Deutschland wollen die meisten Schulabsolventen studieren“, erklärt Denys Nevinksyi. Ausbildungsberufe sind aufgrund dieser Tatsache unterbesetzt.
Eine weitere Schülerin erkundigt sich nach Tipps für Bewerber. Professor Schüler rät, die deutsche Sprache gut zu lernen und sich nicht nur klangvolle Berufe auszusuchen: „Es gibt viele Berufe, die nicht spannend klingen, aber viel Potenzial bieten. Manchmal denkt man, das ist vielleicht nichts für Mädchen – aber das stimmt nicht.“ Er erzählt von zwei jungen Frauen aus der Mongolei, die sich für den Beruf der Mechatronikerin entschieden hatten. „Sie sind heute die zwei Besten ihres Faches“, erklärt er beinahe stolz. Auch den Jungen rät er, offen für Neues zu sein und sich nicht von Namen oder behafteten Klischees abschrecken zu lassen. Die Absolventen sollen sich trauen, neue Wege zu gehen.