Seit 2019 bildet EDUVISO junge Menschen in Kirgisistan zu Fachkräften für den deutschen Arbeitsmarkt aus und bereitet sie bestmöglich auf ihr zukünftiges Leben in Deutschland vor. Der Weg von der Ausbildung in Kirgisistan bis zur Arbeit als Fachkraft in Deutschland ist lang und anspruchsvoll – eine hohe Motivation ist daher entscheidend für den Erfolg des Programms.

Torsten Swoboda, einer der beiden Geschäftsführer von EDUVISO Deutschland, und die Geschäftsführerin von EDUVISO Kirgisistan, Aiganysh Botbaewa, berichten über die Entstehung, die Ziele und die Herausforderungen des Programms. Zudem gewährt Deutschlehrerin Salamat Einblicke in den Unterricht und die Vorbereitung der Programmteilnehmenden auf ihren neuen Alltag in Deutschland.

EDUVISO: Fachkräfte ausbilden, Pflege stärken

Wie Torsten Swoboda und Aiganysh Botbaewa darlegen, waren demografische Faktoren für die Geschäftsführung von EDUVISO ausschlaggebend für die Gründung des Programms. Während in Deutschland die alternde Bevölkerung den Bedarf an Pflegekräften deutlich steigen ließ, ist die Gesellschaft in Kirgisistan nach wie vor sehr jung. Torsten Swoboda beschreibt es so: „Sehr vereinfacht gesagt, gehen in Deutschland zwei Menschen in Rente und ein junger Mensch beginnt seine berufliche Laufbahn. In Kirgisistan ist es genau umgekehrt.“

Statistiken der Vereinten Nationen (UN) verdeutlichen diesen Gegensatz: Während der Altersmedian in Deutschland im Jahr 2025 bei 45,5 Jahren liegt, beträgt er in Kirgisistan nur 25,4 Jahre. Der Altersmedian gibt das mittlere Alter einer Bevölkerung an – das heißt, die eine Hälfte ist älter als der Median, die andere jünger. Auch die Bevölkerungspyramiden der UN-Statistik verdeutlichen diesen Gegensatz und illustrieren die ungleiche Altersverteilung in den beiden Ländern.

Diese demografischen Rahmenbedingungen gaben den Anstoß zur Gründung des EDUVISO-Programms, das den Herausforderungen beider Arbeitsmärkte begegnen und jungen Menschen die Chance auf einen zukunftssicheren Beruf bieten soll. Das Ziel sei es, so Aiganysh Botbaewa, „gute Fachkräfte auszubilden, die [dadurch] die Möglichkeit haben, in Deutschland als anerkannte Fachkräfte in der Kranken- und Altenpflege zu studieren und zu arbeiten.“

Das EDUVISO-Programm konzentriert sich bewusst auf den „Bereich Pflege, Krankenhaus, Altenheim, mobile Pflege“, da „es [in diesem Sektor] dauerhaft eine steigende Nachfrage gibt“, erläutert Torsten Swoboda. Zudem biete die Branche nicht nur eine hohe Zukunftssicherheit, sondern auch überdurchschnittlich gute Löhne. Gemäß Torsten Swoboda, hätten große Arbeitgeber in der Branche außerdem häufig die nötigen Kapazitäten, um internationale Fachkräfte erfolgreich einzuarbeiten und zu integrieren.

Ausbildung und Vorbereitung in Kirgisistan

EDUVISO kooperiert mit fünf medizinischen Colleges in Kirgisistan. Aiganysh Botbaewa zeigt auf, dass die Teilnehmenden des Programms vor einer Doppelbelastung stehen: Parallel zu ihrer dreijährigen medizinischen Fachausbildung an den medizinischen Colleges, absolvieren sie auch einen intensiven Deutschunterricht, der von EDUVISO-Lehrkräften angeboten wird. Für die Arbeitsmigration nach Deutschland sei mindestens ein gutes B1-Niveau erforderlich, betont Torsten Swoboda. Manche Teilnehmende würden dank des EDUVISO-Unterrichts sogar ein B2-Niveau erreichen.

Salamat ist eine der Deutschlehrkräfte bei EDUVISO in Bischkek, der Hauptstadt Kirgisistans. Sie hat German and Austrian Studies studiert und während ihres Studiums selbst in Deutschland gelebt. Die Lehrkräfte bei EDUVISO gestalten ihren Unterricht weitgehend frei – entscheidend sei, dass die Programmteilnehmenden optimal vorbereitet sind, so Salamat. In der Regel finde der Deutschunterricht dreimal pro Woche statt und dauere jeweils zwei Stunden und fünfzehn Minuten.

Neben dem Spracherwerb lege EDUVISO großen Wert auf die Einführung in die deutsche Kultur und Mentalität. Im Unterricht spricht Salamat daher auch über alltägliche Aspekte des Lebens in Deutschland und schildert, „wie das Leben [in Deutschland] aussieht, wie die jungen Menschen sind, [wie sie] sich benehmen und wie sie ihre Freizeit verbringen“. Auch kulturelle Unterschiede kommen zur Sprache- etwa in den Beziehungen zwischen Männern und Frauen, denn „das ist ein bisschen anders als bei uns“. „Wir erzählen [ihnen diese Dinge], damit sie keinen Kulturschock [und] kein Heimweh haben – damit sie vorbereitet sind“, zeigt die Lehrerin auf.

Jedes Jahr starten rund zwanzig Teilnehmende in das Programm- doch nicht alle schließen die dreijährige Ausbildung erfolgreich ab, wie Aiganysh Botbaewa und Torsten Swoboda berichten. Wer das Programm jedoch erfolgreich beendet, erhält von EDUVISO umfassende Unterstützung für den Übergang nach Deutschland: Mit erfolgreich bestandenem Diplom und Sprachzertifikat reisen die Absolvent:innen, ausgerüstet mit einem Visum, einem Arbeitsvertrag, einem Platz für die Anpassungsweiterbildung sowie einer Unterkunft, nach Deutschland, erklärt Torsten Swoboda.

Ankommen in Deutschland: Zwischen Chancen und Herausforderungen

Nach ihrer Ankunft in Deutschland absolvieren die Teilnehmenden eine etwa einjährige Anpassungsausbildung, die mit einer Prüfung abgeschlossen wird, erläutert Torsten Swoboda. Während dieser Zeit arbeiten sie bereits als Pflegehilfskräfte. Diese Anpassungsweiterbildung diene dazu, den „Unterschied zwischen der Ausbildung [in Kirgisistan] und dem Anforderungsprofil in Deutschland“ auszugleichen. Trotz der intensiven Vorbereitung stellt diese Phase für die oft noch sehr jungen Teilnehmenden eine Herausforderung dar, betont Torsten Swoboda. Um die fachlichen Lücken zu schließen, sei häufig intensives Lernen erforderlich. Gleichzeitig haben die jungen Menschen eine Menge neuer Möglichkeiten, wie Reisen und das Kennenlernen neuer Freunde. Eine gute Balance zwischen dem anstrengenden Lernen aber auch dem Genießen der neuen Freiheiten zu finden, sei dabei nicht immer leicht, so Torsten Swoboda. Ob das den Teilnehmenden gelungen ist, zeige dann die in Deutschland notwendige Anpassungsprüfung zur Fachkraft.

Zwischen den beiden Kulturen gebe es mehr Gemeinsamkeiten, als viele vermuten, betonen Aiganysh Botbaewa und Torsten Swoboda. Trotzdem können kleine kulturelle Unterschiede die Integration erschweren. Doch die beiden Geschäftsführenden sind sich sicher: Solche kleinen kulturellen Unterschiede lassen sich mit der richtigen Unterstützung und gegenseitiger Empathie überwinden.

Sobald die Programmteilnehmenden in Deutschland angekommen sind, unterstützt das EDUVISO-Team bei allfällig auftretenden Problemen. Trotz der Vorbereitung sei vielen nicht klar, „was dann in Deutschland auf sie zukommt“, berichtet Torsten Swoboda. So würden manche Teilnehmenden die Herausforderungen, die mit dem Beginn einer Arbeit in einem anderen Land verbunden sind, unterschätzen und manche brechen ihre Ausbildung sogar ab. Neben der psychisch fordernden Tätigkeit stelle dabei vor allem die Sprache eine große Hürde dar.

Ob jemand langfristig als Fachkraft in Deutschland bleibt, hängt für Torsten Swoboda maßgeblich von den ursprünglichen Motiven der Programmteilnehmer ab. „Ist die Motivation, im Ausland zu sein, dass man Geld verdienen will, oder (…) geht es so weit, dass man auch sagt: „Ich mache einen Beruf, der für mich persönlich einen echten Sinn ergibt.“ Er ist sich sicher, wer im Bereich der Pflege dauerhaft bestehen wolle, „der muss darin auch einen tieferen Sinn sehen. Wenn man den nicht sieht, ist es schwierig, dort im fernen Ausland lange durchzuhalten.“

Aber letztlich sind die Führungskräfte von EDUVISO davon überzeugt, dass die jungen Fachkräfte mit der richtigen Vorbereitung, gezielter Unterstützung und einer starken inneren Motivation in Deutschland nicht nur eine berufliche Perspektive, sondern auch eine zweite Heimat finden können.

Alina Knobel

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