Wie gelingt der Wandel hin zu einer grüneren Wirtschaft? Und welche Rolle spielt der Finanzsektor dabei? Mit dieser Fragestellung lud die Deutsch-Kasachische Universität (DKU) vom 26. bis 29. Juni 2025 zur „Green Finance Academy“ ein, die im idyllisch gelegenen Bergressort „Oi Qaragay“ unweit von Almaty stattfand.
Rund 35 Fach- und Führungskräfte aus den Ministerien für Umwelt, Wirtschaft und Finanzen aus Zentralasien und der Mongolei, Vertreter*innen der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Wissenschaftler*innen sowie Expert*innen aus Unternehmen und internationalen Organisationen kamen für vier Tage zum Austausch und zur Diskussion zusammen und sie nutzten die Zeit natürlich auch zum Netzwerken.
Am ersten Tag drehte sich alles um grüne Investitionen und um die ESG-Risiken, die das weite Feld von Environment, Social, Governance umfassen. Auch Fragen der Katastrophenvorsorge und der Rolle des Staates bei der Transformation in Reaktion auf die ESG-Risiken wurden behandelt. Zur Eröffnung betonte Prof. Dr. Hasan Alkaş von der Hochschule Rhein-Waal, dass Nachhaltigkeit nicht nur ökologisch gedacht werden darf, sondern auch ökonomisch klug gestaltet werden muss.
Einblicke in die deutsche Klimapolitik in der Region gab Generalkonsul Matthias Kiesler. Trotz globaler Krisen bleibe das Interesse Deutschlands an Zentralasien langfristig bestehen und reiche weit über Rohstoffe hinaus. Die Region sei besonders stark vom Klimawandel betroffen, aber die Chancen durch nachhaltige Energie und grüne Finanzstrukturen seien aber in Zentralasien ebenso groß.
Planung, Kapazitäten und Mut
Wie wichtig klare politische Strategien und stabile Institutionen sind, unterstrich Jürgen Keinhorst, der als langjähriger Experte des Bundesumweltministeriums die Veranstaltung initiiert hatte. Seine Botschaft an die Teilnehmer war, dass grüne Transformation Planung braucht, aber ebenso die notwendigen Kapazitäten und den Mut zu langfristigen Investitionen. Ob Digitalisierung, Wasserverteilung oder soziale Gerechtigkeit bei steigenden Energiekosten, der Staat sei zwar überall gefordert, aber bei weitem nicht allein verantwortlich.
So richtig praktisch wurde es mit dem Vortrag von Genadiy Rau von der Asian Development Bank (ADB), der am Beispiel der Flutkatastrophe in Kasachstan 2024 zeigte, wie dringend ein funktionierendes Katastrophenrisikomanagement ist. Deshalb schlug er vor, eine staatlich organisierte Pflichtversicherung zu schaffen, die es ermöglichen soll, das Katastrophenrisikomanagement auf bessere Daten basieren zu lassen, klare Zuständigkeiten zu schaffen und Risiken realistisch zu bewerten.
Wie ESG-Kriterien in Zentralasien bisher verankert sind, erläuterte Dr. Assel Aben vom Kasachstan-Institut für strategische Studien. Trotz einzelner Pilotprojekte wie der Begabe grüner Anleihen sei das Verständnis für ESG oft noch oberflächlich. Die größten Hürden seien ein fehlendes Fachpersonal, zu schwache Leistungsanreize und fragmentierte Entscheidungsstrukturen.
Studien zu grünem Wasserstoff
Der zweite Tag rückte die Rolle des öffentlichen Haushalts ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Prof. Dr. Gregor van der Beek erklärte anschaulich, warum ökologische Kriterien bisher kaum Eingang in Budgetprozesse finden und wie sich das ändern ließe. Nachhaltigkeit müsse im Finanzministerium strukturell verankert werden, forderte er.
Die GIZ stellte das Projekt „Green Central Asia“ und das H2-Diplo-Programm vor. Assel Amit und Kamila Auyezova berichteten von regionalen Frühwarnsystemen, einer klimarobusten Landwirtschaft und ersten Machbarkeitsstudien zu grünem Wasserstoff. Der springende Punkt dabei sei natürlich das Wasser. Ohne Zugang zu ausreichend Wasser könne es in der Region auch keinen grünen Wasserstoff geben.
Vassiliy Kalabin von PricewaterhouseCoopers (PwC), einer der vier großen, weltweit tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, widmete seinen Beitrag der wachsenden Bedeutung von ESG-Investitionen. Heute gehe es längst nicht mehr nur um Ausschlusskriterien, sondern um die Integration nicht-finanzieller Risiken in klassische Finanzentscheidungen. Doch gerade in Schwellenländern wie Kasachstan fehlen oft verlässliche Daten, klare Standards und eine konsistente Regulierung.
Prof. Dr. Thomas Burkhardt von der Universität Koblenz ergänzte die Perspektive um die sogenannte Real-Optionen-Theorie, welche die Investitionsentscheidungen als Entscheidungen unter Unsicherheit versteht und so die Frage besser beantwortet, wann mit Investitionen zu warten sei und wann nicht.
Politikinstrumente und Außenpolitik
Prof. Dr. Theocharis Grigoriadis von der Freien Universität Berlin sprach über grünen Wasserstoff als Instrument der Außenpolitik. Ob als Demokratisierungshebel oder geopolitisches Gegengewicht zu Russland, Wasserstoff könne politisch wie wirtschaftlich wirken, wenn nur die Voraussetzungen dafür stimmen, wozu Infrastruktur, Verlässlichkeit und internationale Partnerschaften zählen.
Zum Abschluss des zweiten Tages präsentierte Prof. Dr. Andreas Löschel von der Ruhr-Universität Bochum die Vielfalt an umwelt- und verhaltensökonomischen Politikinstrumenten, wobei er die These aufstellte, dass neben einer CO₂-Bepreisung und Subventionen auch psychologisch durchdachte Maßnahmen, sogenannte „nudges“ gebraucht werden. Dabei spiele der emotionale Nutzen eines nachhaltigen Handelns – das berühmte „warm glow“ – eine oft unterschätzte Rolle.
Am dritten Tag standen Atomkraft, Katastrophenprävention und grüne Finanzmärkte im Mittelpunkt, als Prof. Hasan Alkaş den Bogen von dezentralen Energiesystemen bis zu den gigantischen Kosten neuer AKWs spannte und feststellte, dass ohne eine ausreichende gesellschaftliche Akzeptanz, ohne realistische Kostenmodelle und ohne eine flexiblere Planung Großprojekte heute nur schwer durchsetzbar seien.
Ganbaatar Jambal von der Weltbank nahm sich die Risikoberechnung vor, wobei er mit neuen Ansätzen jenseits der klassischen Statistik operierte. Frühwarnsysteme und kombinierte Versicherungsmodelle könnten zur Resilienz beitragen, dies aber nur, wenn sie mit baulichen Standards und präventiver Planung einhergehen.
Douglas Herrick von der OECD warf einen kritischen Blick auf grüne Finanzierung in Zentralasien. Zwar gebe es erste grüne Anleihen, doch insgesamt seien die Kapitalmärkte noch schwach entwickelt. Ohne eine gezielte Rahmensetzung werde es daher schwer, ausreichend privates Kapital zu mobilisieren.
Die freiwilligen CO₂-Märkte analysierte Rieks Bosch, ein internationaler Berater mit Erfahrung aus zahlreichen Ländern. Sein Fazit bestand darin, dass es an Klarheit, Transparenz und den gesetzlicher Grundlagen fehlt, wie zum Beispiel in Kasachstan, wo der Handel mit Emissionsrechten kompliziert bleibt, weshalb er empfahl, das Vertrauen in die CO₂-Märkte gezielt aufzubauen.
Flexibilität und mehr Forschung
Prof. Dr. Guido Sopp von der Westsächsischen Hochschule Zwickau zeigte auf, dass Unternehmen mit guter ESG-Performance im Schnitt niedrigere Kapitalkosten haben. Doch solche Regulierungen wie die EU-Taxonomie passen nicht für jeden Sektor, weshalb es mehr Flexibilität und mehr Forschung brauche.
In der abschließenden Podiumsrunde wurde klar, dass eine nachhaltige Transformation ein Mosaik ist aus Daten, Regeln, Investitionen und menschlichem Verhalten. Besonders für kleine und mittlere Unternehmen bleibt der Zugang zu grüner Finanzierung oft schwierig. Die in der Runde gemachten Vorschläge, wie jener einer gezielten Subvention aus den Industrieländern, fanden Zuspruch.
Und als Fazit kann festgestellt werden, dass die Green Finance Academy 2025 mehr war als nur eine Konferenz. Sie war ein Raum für die regionale Vernetzung, für gemeinsame Strategien und für den Beginn neuer Partnerschaften.