Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) fördert Projekte im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Republik Kasachstan. Das EU-Projekt zur „Förderung der beruflichen Bildung“ unterstützt das Erreichen der Zielstellungen der Regierungsprogramme zur „Entwicklung der Bildung 2011-2020“ sowie der „Beschleunigten Innovativen Entwicklung der Wirtschaft 2010 – 2014“. DAZ sprach mit dem Teamleiter des EU-Projekts, Thomas Lux.

Herr Lux, was ist Ihre Aufgabe als Teamleiter des EU-Projekts und inwieweit wird die berufliche Bildung in Kasachstan dadurch gefördert?

Thomas Lux: Das Konsortium GIZ/ GOPA wurde von der EU Delegation sowie dem Bildungsministerium Kasachstans mit der Durchführung des EU-Projekts beauftragt, welches mit anderen staatlichen Programmen zur Entwicklung der Wirtschaft beitragen soll. Ohne hochqualifizierte und wettbewerbsfähige Fachkräfte ist dies aber schwer machbar. Deshalb ist es unsere Aufgabe, im Rahmen des EU-Projekts zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung Berufsstandards sowie Ausbildungsstandards zu erarbeiten.

Unter den Berufsstandards verstehen wir Aufgaben- und Tätigkeitsbeschreibungen für bestimmte Berufe, die zwischen dem Konsortium und dem Bildungsministerium vereinbart wurden.

Das drei Jahre dauernde EU-Projekt wird durch die Europäische Delegation mit ca. 4 Mio EURO finanziert.

Unser Team besteht aus zwei Langzeitexperten und einem Team von kasachischen und europäischen Kurzzeitexperten, die extra für dieses EU-Projekt von der GIZ und der GOPA eingestellt wurden. Die GOPA ist gemeinsam mit der GIZ Partner des Konsortiums, welches eigens für das EU-Bildungsprojekt gegründet wurde.

Wir Langzeitexperten betreuen das Projekt bereits von Oktober 2010 an bis September 2013. Außerdem unterstützen uns im Team drei nationale Fachkräfte bei der Seminarplanung, Verwaltungsaufgaben sowie bei Übersetzungsarbeiten. Die Kurzzeitexperten sind jeweils nur für zwei bis vier Wochen bei uns beschäftigt. Ihre Aufgabe ist es, uns mit der Ausarbeitung der Berufsstandards für die drei Wirtschaftssektoren zu helfen.

Wo liegen die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?

Unser absoluter Schwerpunkt liegt in der Ausarbeitung der Berufs- und Ausbildungsstandards, die im Rahmen des Nationalen Qualifizierungsrahmens erstellt werden. Für diese Standards sind Wirtschaftssektoren festgelegt worden: inhaltlich unterscheiden wir zwischen den drei Wirtschaftssektoren Maschinenbau, Gas/Ölindustrie und Landwirtschaft. Regional wurden für unser Aufgabenfeld die Regionen Atyrau, Ust-Kamenogorsk und Astana/Akmola-Bezirk zugewiesen. Für jeden dieser Wirtschaftssektoren bearbeiten wir Berufsstandards für zwei Berufe, die wiederum als Grundlage für Ausbildungsprogramme dienen.

An verschiedenen Pilotschulen werden die Berufs- und Ausbildungsstandards für alle drei Wirtschaftssektoren getestet.

Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit ist die Unterstützung der kasachischen Seite bei der Entwicklung eines unabhängigen Systems zur Einschätzung, Bewertung und Zertifizierung der beruflichen Qualifizierung. Hier arbeiten wir eng mit dem Wissenschaftlich-Methodischen Republikzentrum des Bildungsministeriums zusammen.

Mit unserer Arbeit unterstützen wir sowohl die Regionalräte als auch die Sektorenräte, welche dem Nationalen Rat zur Ausbildung der Fachkräfte unterstehen. Diese Räte sind in allen Regionen Kasachstans vertreten und stellen eine Plattform der drei Sozialpartner Staat, Unternehmen und Gewerkschaften dar. Mit den Räten ist eine neue Beratungsstruktur im Bereich der beruflich-technischen Ausbildung Kasachstans entstanden.

Wie sieht diese Beratungstätigkeit konkret aus?

Unsere Aufgabe ist, kasachische Experten der Wirtschaftssektoren Maschinenbau, Landwirtschaft und Öl/Gasindustrie sowie Lehrkräfte, die in den Berufen ausbilden, bei der Ausarbeitung der Berufs- und Ausbildungsstandards zu beraten. Wir analysieren die Anforderungen an moderne Arbeitsplätze in Kasachstan, schauen uns Lehrpläne für die Ausbildung an und präsentieren die erarbeiteten Standards unseren Partnern. Das bedeutet, wir geben methodische Empfehlungen an Facharbeitsgruppen der Sektorräte, wie moderne Standards erarbeitet werden. Letztere sind dann für den jeweiligen Wirtschaftszweig Grundlage für eine moderne und effektive berufliche Ausbildung.

Wer ist die Zielgruppe für die gemeinsamen Bildungsprojekte der GIZ/GOPA und des Bildungsministeriums?

Unsere Hauptzielgruppe sind mit Sicherheit junge Leute, also Schüler und Studenten, die ihre Erstausbildung absolvieren wollen. Danach fokussieren wir die Zielgruppe der Erwachsenen an, die schon Arbeitserfahrung mitbringen, aber sich mit einer Weiterbildung oder Umschulung neu orientieren wollen. Der häufigste Bildungshintergrund bei allen Auszubildenden ist der Abschluss der allgemeinbildenden Schule.

Wie wichtig ist die Beherrschung einer Fremdsprache im Rahmen der Bildungsprogramme für die Bewerber?

Unser Schwerpunkt liegt eindeutig auf dem Englischen. Wer in Kasachstan in den Bereich der Wirtschaft möchte, ist mit der globalen Sprache Englisch gut beraten. Natürlich wäre es schön, wenn die Auszubildenden auch noch Deutschkenntnisse mitbringen, aber wichtiger ist das Beherrschen von Russisch und Englisch. Neben der Landessprache Kasachisch ist Russisch als Sprache der allgemeinen Verständigung schon ein Vorteil. Deutsch als Fremdsprache ist aber im Rahmen der beruflichen Bildungsprojekte der GIZ und des Bildungsministeriums keine Grundvoraussetzung.

Mit welchen Partnern arbeitet das Projekt zur beruflichen Aus- und Weiterbildung zusammen?

Einer der wichtigsten Partner, den ich hier nennen möchte, ist die Arbeitgebervereinigung Kasachstans „ATAMEKEN“, welche auch Mitglied im Nationalrat ist.

Wir arbeiten außerdem eng mit dem Weltbankprojekt „Modernisierung der beruflichen Bildung“ zusammen, haben gleiche Arbeitsschwerpunkte und stimmen uns deshalb diesbezüglich ständig ab.

Unser Projekt ist im Department für Berufsbildung des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft der Republik Kasachstan integriert. Daher ist natürlich das Bildungsministerium unser wichtigster Partner. Aber auch mit dem Ministerium für Arbeit und Soziales existiert eine gute Zusammenarbeit, weil es alle Berufsstandards verantwortet. Aufgrund der Unterteilung unserer Berufsbilder in drei Wirtschaftssektoren kooperieren wir mit den einzelnen Fachministerien.

Die Ausarbeitung der Ausbildungsstandards sowie die Einschätzung und Zertifizierung findet in Absprache mit dem Wissenschaftlich-Methodischen Republikzentrums des Bildungsministeriums statt. Unser Ziel ist hier eine objektive und unabhängige Einschätzung der beruflichen Qualifikation, die zum einen in der Bildungseinrichtung und zum anderen durch eine Prüfungskommission sichergestellt wird.

Welche positiven Entwicklungen können Sie im Rahmen Ihrer Arbeit zur beruflichen Aus- und Weiterbildung verzeichnen?

Eine erfreuliche Entwicklung ist, wenn diese von uns erarbeiteten Dokumente gesetzliche Grundlage für die berufliche Ausbildung in der Republik Kasachstan werden.

Für die Sektorenräte erstellen wir Qualifizierungsbeschreibungen für Berufe in den drei Wirtschaftssektoren. Die Qualifizierung entspricht dem Level 3 des Qualifizierungsrahmens und damit der beruflichen Bildung der meisten europäischen Länder. Hierbei orientieren sich die kasachischen Richtlinien am Europäischen Referenzrahmen.

Was wünschen Sie sich bezüglich der beruflichen Bildung in Kasachstan für die Zukunft?

Ich würde mich freuen, wenn die Grundlagen, die wir im Rahmen des EU-Projekts favorisieren, in die Gesetzgebung des Bildungsministeriums Kasachstans eingeführt würden. Konkret wünsche ich mir die Einführung der kooperativen Berufsausbildung für besonders nachgefragte Berufe. Es gab erst letztes Jahr eine Änderung des Bildungsgesetzes, in der die Kooperative Ausbildungsform nach dem Vorbild des bei uns in Deutschland bekannten Dualen Ausbildungssystems als Form der beruflichen Vorbereitung bewilligt wurde.

Es ist ein Fortschritt, wenn die kasachischen Bildungspartner unsere Vorschläge auch kritisch diskutieren und – egal, ob sie diese annehmen oder nicht – eine Entscheidung treffen. Mit der Annahme der ausgearbeiteten Berufsstandards werden neue Qualitäten beschrieben. Nur durch eine Umsetzung dieser neuen Qualitäten schafft man die Angleichung der kasachischen Standards an andere Industrieländer.

Immens wichtig für die GIZ ist die Berücksichtigung der Vorschläge zur beruflichen Bildung in entsprechenden Gesetzesgrundlagen des Bildungsministeriums. Die Empfehlungen, die wir jetzt auf der Grundlage der geänderten Gesetze vorbringen, werden vom Partner aufmerksam gesichtet, diskutiert und im besten Falle implementiert. Das ist für uns wie im oben genannten Beispiel eine sehr positive Entwicklung und eine Art Erfolgsindikator!

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Malina Weindl.

Quellen: www.giz.de, GIZ Astana, VET: Support to Vocational Education and Training.

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