Im letzten Jahr habe ich in der DAZ einige Anlageklassen vorgestellt – Fest- und Tagesgelder (02.05.2024), Einzelaktien (07.06.2024) und Bitcoin (12.04.2024). Schaut man sich das Vermögen der Einwohner Kasachstans an, so leben rund 82% im Eigenheim – eine im Vergleich zu Deutschland mit knapp 42% sehr hohe Quote. Auf der anderen Seite erzielen nur rund 0,5% der kasachischen Haushalte ihr Einkommen aus der Vermietung von Immobilien oder aus Wertpapieren, während in Deutschland immerhin knapp 18% und in den USA über 60% der Bevölkerung in Wertpapiere investiert sind. Wir sehen also in den genannten Ländern eine sehr unterschiedliche Herangehensweise, wie mit Geld umgegangen wird. Hieraus ergibt sich die Frage – was ist eigentlich eine gute Mischung beim Investieren? Oder konkreter gefragt– wie kommt man als Privatanleger zu einer guten Mischung der Investitionen? Diese Frage verlangt jedoch nach einer Individualisierung der Antwort, wie ich es auch in dieser Kolumne aufzuzeigen versuche.
Vermögen gesamt betrachten
Die wissenschaftliche Theorie ging lange Zeit davon aus, dass der Mensch ein rationaler Verbraucher sei – ein homo oeconomicus. Bei genauerem Hinsehen stellte sich jedoch heraus, dass Menschen nicht sonderlich rational mit Geld umgehen. Eine Schwäche liegt z. B. darin, dass viele ihr Vermögen – neudeutsch auch „Assets“ genannt – nicht insgesamt, sondern in voneinander unabhängigen Teilen betrachten. Sinnvoller wäre es, die Assets ganzheitlich in den Blick zu nehmen. Fragt man z. B. nach dem Vermögen, richtet sich der Fokus häufig nur auf Immobilien, Bankguthaben, Wertpapiere und vielleicht noch das Auto. Aber gerade für jüngere Anleger gibt es aber noch ein weiteres, großes Asset – das zukünftige Gehalt. Wer sein monatliches Nettogehalt noch nie mit zwölf und dann mit der Anzahl der Jahre bis zur Rente multipliziert hat, sollte dies einmal tun. Er oder sie könnte erstaunt sein, wie viel dies zukünftig noch sein wird – auch im Vergleich zum bereits vorhandenen Vermögen. Und wenn man mit diesem Humankapital rechnet, so hat man weitaus mehr Möglichkeiten, als man vielleicht denkt.
Die Entscheidung, die jeder und jede für sich selbst treffen muss, ist relativ banal – gebe ich das Geld heute aus oder erst morgen?
Nicht alle Eier in einen Korb
Auch wenn es sehr verlockend ist und wenn Familie, Freunde und Kollegen einen nur dann als jemanden anerkennen, der es zu etwas gebracht hat: wer sein ganzes (zukünftiges) Geld in die eigene Wohnung steckt, ist in exakt einem Asset investiert. Aufgrund der Überlagerung finanzieller Überlegungen mit einer Life-Style-Entscheidung gibt es eine starke emotionale Rechtfertigung für die eigene Wohnung, denn sie wird oft als fundamental wichtig eingeschätzt. Wer eine Hypothek für die eigene Wohnung aufnimmt, steht unter dem Zwang, die regelmäßigen Zahlungen zu leisten. Manche sprechen deshalb von „Zwangssparen“, das vielen hilft, nicht das gesamte verdiente Geld gleich heute auszugeben. So weit, so gut.
Auf der anderen Seite steckt das gesamte Vermögen in dieser Wohnung und wenn mit ihr etwas schief geht – wenn sich die Qualität des Neubaus als schlecht herausstellt, wenn es durch die Fassade rein regnet, wenn die Nachbarn eine Überschwemmung verursachen und den Schaden nicht bezahlen können, dann kann das finanziell schnell sehr teuer werden. Nicht umsonst gibt es den Spruch, man solle „nicht alle Eier in einen Korb“ legen, den man auch beim Umgang mit Geld und der Frage, wie investiere ich mein (zukünftiges) Gehalt, beherzigen sollte.
Assets oder Verbindlichkeiten
Vermögensgegenstände, in die man investieren kann, können danach aufgeteilt werden, ob sie Geld in die eigene Tasche bringen oder es aus der eigenen Tasche ziehen, ob sie produzierend oder nicht-produzierend sind: eine Festgeldanlage oder ein Tagesgeldkonto schütten regelmäßig Zinsen aus, eine Goldmünze tut dies nicht. Eine Immobilie z.B. würde man eher den produzierenden Assets zuordnen, wenn sie vermietet wird; bewohnt man sie aber selbst, so ist sie eher eine Verbindlichkeit, solange das Hypothekendarlehen noch nicht abgezahlt ist. Zwar spart man die Miete, hat allerdings gleichzeitig aber als Eigentümer alle Aufwendungen für den Werterhalt zu tragen. Die Unterscheidung von produzierenden und nicht produzierenden Assets ist insofern von Interesse, weil für unseren heutigen und zukünftigen Konsum regelmäßige Einnahmen benötigt werden, die aus unserem Vermögensbestand, aus laufenden Einnahmen und erworbenen Rentenansprüchen gedeckt werden müssen.
Sein ganzes Vermögen in ein Haus zu stecken, welches dann bis zur Rente abgezahlt werden muss, ist daher möglicherweise suboptimal, weil man ein Zimmer nicht verkaufen kann, um sich davon Lebensmittel zu leisten. Mit anderen Worten – alles Geld in die eigene Immobilie zu stecken, lässt einen zwar nach außen hin erfolgreich aussehen, kann einen aber auch auf diesen 180 qm verhungern lassen.
Diversifikation
Um einen regelmäßigen Einkommensstrom in Zukunft zu erzielen, ist es daher sinnvoll, sein Geld so investieren, dass Zuflüsse zu erwarten sind. Neben der bereits genannten vermieteten Wohnung (die zeitlich aufwändig ist und hohe Einstiegskosten verursacht), staatlichen Rentenansprüchen (die allerdings ein wichtiger Baustein der Vermögensbildung sind, da sie häufig mit einem Inflationsausgleich versehen werden) kommen vor allem Festgeldanlagen und Wertpapiere in Betracht.
Jedes Investment ist mit Risiken verbunden. Um das Risiko auf die Anlageklasse zu verteilen und nicht nur in einem Asset zu konzentrieren, empfiehlt es sich zu diversifizieren. Wer also einen Einkommensstrom aus Immobilien erzielen möchte, aber nur eine Wohnung vermietet, geht ein sehr hohes Risiko ein. Wer zwanzig Wohnungen vermietet, den trifft ein dreimonatiger Leerstand einer Einheit weniger stark. Diese Aufteilung auf mehrere Assets nennt man Diversifikation.
Diversifikation funktioniert sowohl innerhalb einer Assetklasse – also mehrere Wohnungen anstelle einer einzigen – als auch über Assetklassen hinweg. Weitere Klassen neben Immobilien wären z. B. Fest- und Tagesgelder sowie Anleihen und Aktien. Festgelder können mit Hilfe einer Festgeldleiter oder Stückelung diversifiziert werden. Technisch am einfachsten ist die Diversifikation bei Aktien. Obwohl die sozialen Netzwerke voll mit Erfolgsgeschichten über erfolgreiche Investments in eine einzelne Aktie sind, kann man für hundert Euro in einen ganzen Korb mit Tausenden von Aktien investieren. Dieser Korb, ein börsengehandelter Fonds oder Exchange Traded Funds, kurz ETF, und wird mit Hilfe eines Index – ein mathematisches Modell, beispielsweise auf der Marktkapitalisierung basierend – zusammengestellt. Der Kauf und spätere Verkauf eines ETF-Anteils, wenn man das investierte Geld verkonsumieren möchte, ist dabei fast so einfach wie eine online Überweisung.
Der Vorteil von vielen Wohnungen oder Tausenden von Aktien ist, dass beim Auftreten eines Problems mit einer Wohnung oder bei Zahlungsschwierigkeiten eines Unternehmens, an dem man sich als Aktionär beteiligt hat, nicht das gesamte Investment im Feuer steht, sondern nur ein kleiner oder sehr kleiner Teil. Wer sich an Tausenden von Unternehmen mit Hilfe eines Index-basierten ETF beteiligt, der wird die Pleite eines einzelnen Unternehmens wahrscheinlich nicht einmal mitbekommen.
Ziel + Risikotragfähigkeit = Auswahl der Produkte
Je nach Ziel empfehlen sich unterschiedliche Assets. Wer bereits heute weiß, dass er in zwei Jahren Geld für ein neues Auto brauchen wird und dafür sparen muss, sollte risikoärmer investieren, als wenn das Geld erst in zwanzig Jahren für die Aufbesserung der Rente gebraucht wird. Risikoarm sind dabei Festgelder, da heute bekannt ist, wieviel ein Anleger in zwei Jahren bekommt. Wer längerfristige Ziele verfolgt, der kann risikoreicher investieren und auch Schwankungen im Preis, wie sie bei Aktienkursen typisch sind, durchstehen. Wen allerdings Schwankungen von 30%, 50% nicht so gut schlafen lassen, der sollte seinen Aktien unbedingt Festgelder, einen ETF mit kurzlaufenden Anleihen und evtl. auch Gold beimischen. Da wir Vermögen stets in seiner Gesamtheit betrachten, dienen diese Ergänzungen dazu, die Schwankungen zu dämpfen und lassen viele besser schlafen. Ein hinreichend guter Start für eine Aufteilung bei langfristigen Investments ist 60% risikoreich in einen Aktienindex-ETF und 40% risikoarm in Festgelder zu investieren. Und je nach Erfahrung und Risikotragfähigkeit wird das Verhältnis mit der Zeit so verschoben, dass es für den Investor und seine persönliche Lebenslage passt.