Zum nationalen Tag der Dankbarkeit erklärt, wurde der multiethnischen Gesellschaft des Landes in der jungen Geschichte Kasachstans erstmals ein Denkmal gesetzt. Dass die Dankbarkeit dem Zusammenhalt aller Ethnien untereinander gilt und dass der Tag ein großes interethnisches Mediationspotential birgt, zeigte eine Ausstellungseröffnung im Kastejew-Museum Almaty.
Im Staatlichen Kastejew-Museum Almaty ist zum neuen nationalen „Tag der Dankbarkeit“ am 01.03. die Ausstellung „Tausend Schicksale – ein Volk“ („Мың тағдыр – бір Ел“) eröffnet worden. Die Ausstellung zeigt Werke bekannter Künstler aus Kasachstan, deren tragische Schicksale sie oder ihre Vorfahren nach Kasachstan verschlagen haben.
Die ausgestellte Auswahl eröffnet dem Publikum einen kleinen Einblick in die Sammlung des Museums und repräsentiert lange nicht alle in der Sammlung vertretenen Kunstschaffenden. Jeder der ausgestellten Künstler hatte ein hartes Leben. Ihre künstlerische Arbeit widmete sich nichtsdestotrotz zuweilen ihrer neuen Heimat, ihren Traditionen und den Menschen. Und ist so zu einem wichtigen Beitrag zur modernen Kultur von Kasachstan geworden.
Dialog bringt Verständnis und Nähe
Museumsdirektorin Gulmira Schalabajewa betonte zu Beginn die Einheit des kasachstanischen Volkes und nicht der kasachstanischen Völker – die Stärkung dieses Einheitsgefühls ist auch sicherl ich eine der Aufgaben des Staatlichen Museums. In der folgenden Gesprächsrunde stellten die Museumsdirektion, Kunsthistoriker und Künstler die Werke und ihre Erschaffer bzw. sich selbst vor und brachten die Schicksale dieser Menschen und ihr Schaffen dem Publikum auf eindrucksvolle Weise näher. Die teils sehr emotionalen Vorstellungen des Lebens und der Werke der Künstler mit spannenden Hintergrundinformationen und Erinnerungen machten die Qualität der abendlichen Veranstaltung im Kastejew-Museum aus, die ungewohnt in die Tiefe ging.
Des einen Leid, des anderen Freud
In vielen Ländern gibt es Landeshelden, die trotz ihrer anderen Nationalitäten Träger kultureller Entwicklungen oder gar Umbrüche sind. Insbesondere in Kasachstan sei der „gesellschaftliche Beitrag verschiedener Nationalitäten gigantisch,“ so Schalabajewa. Die kasachische Geschichte unterliegt einem ewigen Strom der sich abwechselnden Einflüsse.
Besonders in der jüngeren Geschichte Kasachstans waren die Umstände, die manche ethnischen Gruppen nach Zentralasien verschlugen, zum Teil sehr grausam. Doch diese zuweilen traurigen Schicksale brachten sehr helle Geister in kasachische Gefilde. Gemeint sind hier die vielen Deportierten, die insbesondere während und in Folge des Zweiten Weltkriegs unfreiwillig in das Land kamen. Doch in vielen dieser traurigen Schicksale, gab es auch etwas Positives. Denn nicht selten hinterließ ihr Tun, auch das ihrer Nachkommen, bleibende Beiträge in der Wissenschafts– und Kulturlandschaft Kasachstans.
Kulturelles Erbe über ethnische Grenzen hinaus
Selbstverständlich gibt es unter den Ausgestellten einige aufgrund ihrer Nationalität (zu Sowjetzeiten das Feindbild Nummer eins) deportierte herausragende deutsche Künstler. So der einstige Direktor des Staatlichen Puschkin-Museums für Bildende Künste in Moskau und einer der kompetentesten Kunstexperten unter Stalin, Vladimir Eifert. Er war interessanterweise auch am Ausverkauf vieler Kunstwerke an die Deutschen und Franzosen in den 30er Jahren beteiligt, der die sowjetische Staatskasse füllen sollte. Später verschlug ihn das Schicksal jedoch ins KarLag nach Karaganda.
Des Weiteren wurde Leonid Brümmer vorgestellt, der einst an der Kiewer Kunstakademie studierte, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in zahlreichen Ausstellungen in Russland ausgestellt wurde und dem in seiner letzten Heimatstadt Taras ein Museum gewidmet ist.
Alexander Rittich hingegen ist eine Figur, die aus der Reihe tanzt und ein wenig geheimnisvoll erscheint. Er wurde nicht deportiert, sondern kam in den 30ern ganz freiwillig nach Kasachstan zum Aufbau einer Tabakfabrik in Almaty, wo er sich schnell einen Namen machte. Bekannt ist, dass er zuvor in der Kunstakademie München studiert hat; er widmete sich später in Almaty künstlerischem Schaffen und wurde gar mit Staatsaufgaben beauftragt.
Außer den Deutschen sind viele andere Minderheiten vertreten, wie z.B. die koreanische, die jüdische, die armenische oder die polnische. Auch Werke des Theatermalers und Künstlers Vladimir Teljakowskij (deutsch-französischer Abstammung), des Künstlers und Schriftstellers Isaak Itkind oder Kim Hyun Nuns, der die Akademie der Künste in Paris im frühen zwanzigsten Jahrhundert absolviert hat, sind zu sehen. Des Weiteren des Malers Michael Kim und des renommierten Grafikers und Buchillustrators Boris Pak, von Paul Marikowskij, Schamil Gulijew, Jelena und Wladimir Grigorjan und anderen.
Echte Freundschaft erfordert echte Auseinandersetzung
Am Ende der Veranstaltung wird klar, wofür dieser spezielle Feiertag tatsächlich gut ist. Es ist eine große nationale Bühne zum Gedenken an die noch recht frisch in der kollektiven Erinnerung verankerten jüngeren historischen Ereignisse. Sie betreffen die gesamte Nation und ihre Entwicklung. Noch gibt es fast in jeder Familie Zeitzeugen. Doch das wird sich in Zukunft ändern. Die Erinnerung wird sich in Geschichte wandeln und vielleicht teils verblassen oder gar in Vergessenheit geraten. Dann wird es hoffentlich noch mindestens den einen Tag geben, der immer an die so essentielle multiethnisch-basierte gemeinschaftliche Entwicklung Kasachstans erinnert. Und damit diesem Aspekt der Nationalhistorie und den vielen menschlichen Schicksalen dahinter ein ehrwürdiges Forum einräumt.
Um die Selbständigkeit und Unabhängigkeit Kasachstans zu gewährleisten, wäre auf jeden Fall dieser Art Zusammenhalt wichtig. Nur so funktioniert eine tatsächliche Einheit nach innen und nach außen und zwar ganz unabhängig von Nationalitäten. Und dafür wären auch echte Dialoge, realer Austausch und reale Anteilnahme, Verständnis und reale Freundschaft innerhalb der Union dieser Volksgruppen von höchster Bedeutung.