Die kasachische Regierung will ein Gesamtkonzept zur sozialen Entwicklung erarbeiten. Klar ist, dass dazu vor allem gut bezahlte Arbeitsplätze benötigt werden, wie man diese schaffen kann bleibt nach Ansicht von Kolumnist Bodo Lochmann aber unklar.

Das Endziel der wirtschaftlichen Tätigkeit eines jeden Landes besteht in der Sicherung eines annehmbaren Lebensniveaus des Volkes. Dieses Ziel ist auch in der Verfassung Kasachstans festgeschrieben, in der das Land als „sozial orientierter” Staat definiert ist. Etwa 30 Prozent der Ausgaben des Zentralbudgets des Staates werden tatsächlich für soziale Zwecke ausgegeben, wozu allerdings auch ein Teil von Bildungsausgaben und der Großteil der momentan gezahlten Renten zählt.

Bereits mehrfach hat der Präsident in seinen Botschaften an das Volk davon gesprochen, dass die Regierung ein Gesamtkonzept der sozialen Entwicklung erarbeiten wird. Ein solches strategisches Dokument soll nun in diesem Jahr vorgelegt werden. Die Notwendigkeit dazu ist ebenso unbestritten, wie die Schwierigkeit seiner Erarbeitung.

Effektive Sozialpolitik ist naturgemäß von der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft abhängig, weil die benötigten Mittel ja nicht vom Himmel fallen. Die beste Sozialpolitik ist dabei immer die Schaffung solcher wirtschaftlicher Bedingungen, dass die Mehrzahl der Leute erst gar nicht auf Leistungen des Staates angewiesen ist. Konkret heißt das, dass gutbezahlte Arbeitsplätze große Teile sozialer Leistungen überflüssig machen. Folglich kann sich die zu erarbeitende Konzeption nicht auf Soziales im engeren Sinne begrenzen, sondern muss einen breiteren Ansatz von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aus starten.

Schaut man sich die offizielle Statistik an, könnte man meinen, in Hinsicht auf Arbeitsplätze ist hierzulande fast alles in Ordnung. Schließlich liegt die offizielle Arbeitslosenrate mit etwas unter sechs Prozent sogar unter der deutschen Größe. Natürlich stimmt die Zahl nicht, sie ist eben „offiziell“. Hinzu kommt der große Teil von wenig produktiv Beschäftigten, was man leicht an den Heerscharen von Wachleuten, Chauffeuren, Verkäuferinnen oder Kellnern erkennen kann, die in den entsprechenden Strukturen überreichlich präsent sind. Zwar ist irgendein Arbeitsplatz immer noch besser als gar keiner, soziale Probleme entstehen jedoch leicht auch bei schlecht bezahlten Arbeitsplätzen. Die Möglichkeiten der Bezahlung ihrerseits hängen nun wieder von der Produktivität ab, die sich hierzulande tendenziell zwar verbessert, aber eher schleichend. Jedenfalls liegt landesweit das Pro-Kopf-Einkommen (Dezember 2012) bei knapp 60.000 Tenge, was das 3,5fache des Existenzminimums ist. Dieser Wert variiert stark. In Westkasachstan ist das Einkommen 7,3 mal, in Südkasachstan dagegen nur 2,2 mal höher als das Existenzminimum.

Umverteilung von Steuereinnahmen aus den Ölregionen in den Süden wird das Problem der zu starken sozialen Differenz im Lande nicht lösen können, schon weil umverteilte Mittel sehr leicht als eine Art Geschenk angesehen werden können und nicht den eigenen Leistungswillen stimulieren. Notwendig ist vielmehr die Schaffung produktiver und damit tendenziell gut bezahlter Arbeitsplätze in den sozialen Problemregionen. Das sollte vorrangig Angelegenheit von Unternehmern sein, deren Zahl ist jedoch in den letzten Monaten rückläufig. Außerdem steht im Unternehmertum generell die Frage einer nichtausreichenden Finanz- und Innovationskraft. Also soll’s der Staat mit seinen Strukturen und Möglichkeiten richten, was trotz einer Reihe durchaus funktionierender Projekte bei Weitem nicht die überzeugendste Variante wirtschaftlicher Strukturveränderungen ist.

Wenn die zu erwartende Konzeption kein Papiertiger bleiben soll, muss natürlich auch geklärt werden, woher die benötigten Mittel für eine gerechtere Sozialpolitik kommen sollen. Natürlich aus Steueraufkommen, das ist klar, doch aus welchen Quellen? Die Steuerquote im Industriebereich betrug im vergangenen Jahr 18,9 Prozent. Den größten Batzen an Steuereinnahmen liefert der Ölsektor, der sich jedoch vertragsgemäß in den Händen ausländischer Unternehmen befindet. Die aus diesem Bereich erzielbaren Erträge könnten für Kasachstan größer sein, doch auf die Investitionen der ausländischen Unternehmen ist Kasachstan nun mal sehr stark angewiesen, weil sich sonst im Basissektor des Landes nur sehr wenig drehen würde. Die Steuern aus dem Ölsektor lassen sich also nicht einfach erhöhen, das würde Vertragsverletzung bedeuten und Investoren zumindest verärgern.
Es ist also eine spannende Frage, wie die Strategie der sozialen Entwicklung Kasachstans konkret aussehen wird.

Bodo Lochmann

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