Beim Studium der aktuellen hiesigen Printmedien fällt ein Thema sofort auf – die leidige Korruption. Fast könnte man schon formulieren, dass sich die Presse mit Mitteilungen zu diesem Thema überschlägt.

Allein in nur einer Ausgabe einer seriösen Wirtschaftszeitung sind solche Überschriften zu lesen, wie: „Die Finanzpolizei eröffnet Untersuchung gegen den Stellvertretenden Akim….“, „20 Gerichtsprozesse wurden gegen Chrapunow eingeleitet“, „Baimaganbetow wird verdächtigt, 50 000 Dollar Schmiergeld erhalten zu haben“, „Ehemaliger Vizepräsident der AG Kasatomprom in Kanada verhaftet“, „Chef der Finanzpolizei Almatys wegen Schmiergeld annehmenden Mitarbeitern entlassen“. Dazu kommt ein Beitrag einer regionalen Steuerinspektion, der Teil einer nun schon etwa zwei Jahre laufenden Serie von Informationen über gesetzliche Bestimmungen im Steuerbereich ist. Alle diese Beiträge sind sachlich formuliert und enthalten letztlich nur Fakten, d.h. keine Bewertungen oder Spekulationen.
Bleibt hinzuzufügen, dass auch der Präsident traditionell in seiner jährlichen Botschaft an das Volk dem Punkt Korruption einige Zeit widmet und dass es eine nationale Strategie der Korruptionsbekämpfung gibt, die durchaus nicht nur auf dem Papier besteht.

Dabei ist Korruption keinesfalls nur ein Problem Kasachstans. Es gibt gar Einschätzungen, dass die weltwirtschaftliche Entwicklung durch die weltweit verbreitete Korruption gefährdet sei. Von den 180 Staaten, die sich jährlich einer Untersuchung des Korruptionstandes in ihrem Land durch internationale Organisationen unterziehen, erreichen drei Viertel weniger als fünf Punkte von zehn möglichen, die Korruptionsfreiheit bedeuten würden. Korruption ist weltweit eher die Norm denn die Ausnahme. Das aber kann hierzulande nicht beruhigen, denn Kasachstan liegt mit 2,9 Punkten nach wie vor im zweiten Drittel der am meisten korrumpierten Staaten. Dabei sind bestimmte Verbesserungen durchaus gegeben. Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Position Kasachstans in 2010 um nicht weniger als 15 Plätze auf Position 105 verbessert. Zum Vergleich: Russland liegt auf Position 154 und hat sich um 8 Positionen verschlechtert.

Die kasachische Note 2,9, die durch neun anonyme Befragungen mehrerer hundert Unternehmer entstanden ist, stellt jedoch nur einen Durchschnittswert dar. Die Befragungsergebnisse variieren zwischen 1,9 und 5,0, d.h. es gibt eine nicht geringe Zahl von schlechteren Einschätzungen als 2,9.

Was wird in Kasachstan nun real zur Korruptionsminderung getan? Falsch wäre es auf jeden Fall zu sagen: „Nichts!“ Wohl aber kann und muss man die Effizienz der eingeleiteten Aktivitäten kritisch beurteilen. Neben einer Vielzahl von Seminaren und Runden Tischen zum Thema, die zum Beispiel fester Bestandteil der regelmäßigen Fortbildung der Staatsangestellten aller Ebenen sind, wird vor allem auf die Objektivierung von Prozessen gesetzt. Damit ist gemeint, dass die Vergabe von staatlichen Dokumenten und deren Bezahlung soviel wie möglich ohne den für Extrazahlungen zugänglichen Filter Staatsdiener organisiert werden. Steuer- und Strafzahlungen über Automaten gehören ebenso dazu wie die Nutzung der ganzen Breite des Internets und anderer moderner Kommunikationsmittel.
Dennoch werden die Verlockungen des illegalen und egoistischen Handaufhaltens eher Praxis bleiben. Keinesfalls sind die Staatsdiener allein schuld. Zu tief sitzt in großen Teilen der Bevölkerung die Kultur des Gebens, auch wenn es am konkreten Punkt (z. B. am Ökoposten im Gebirge) gar keine Nachfrage nach Extrazahlungen geben sollte. Doch es wäre schon einiges erreicht, wenn es gelänge, auf einen Indexwert von über 5,0 zu kommen. Dann stände die Chance, Korruptionsopfer zu werden, immerhin schon bei „Fünfzig-Fünfzig“.

Bodo Lochmann

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