Kasachstan muss nach Ansicht von Kolumnist Bodo Lochmann auch künftig mit einer Inflationsrate zwischen sechs und acht Prozent rechnen. In der Eurozone würde solch eine Rate blankes Entsetzen auslösen, im inflationsgeplagten Belarus dagegen als Wohltat empfunden werden.

Das zentrale Kriterium zur Bewertung einer erfolgreichen Tätigkeit einer Nationalbank ist das erreichte Inflationsniveau. Das Ziel der Geldmengensteuerung besteht dabei in der Sicherung eines optimalen Inflationsniveaus, was nur in seltenen Fällen eine Nullinflation bedeutet. Je näher die Inflation in Richtung Null rückt, umso größer ist die Gefahr der Deflation, also der langfristigen Verringerung des durchschnittlichen Preisniveaus. Deflation aber, das haben die große Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1933 und die Entwicklung Japans in den letzten 20 Jahren gezeigt, ist gefährlicher, weil schwerer zu bekämpfen, als eine gemäßigte Inflation.

Für Preiserhöhungen gibt es objektive (zum Beispiel Steigerung der Förderkosten von Rohstoffen) und subjektive (zum Beispiel  starker Monopolisierungsgrad der Wirtschaft) Faktoren. Zwar ist die Nationalbank der Hauptmanager der Inflation, doch nicht alle Inflationsfaktoren können von ihr auch wirklich beeinflusst werden. Was nun „optimales“ Inflationsniveau konkret heißt, ist abhängig von der konkreten Situation. Die etwa sechs bis sieben Prozent Inflation, die in Kasachstan in den letzten Jahren der Standard waren und an die sich alle mehr oder weniger gewöhnt haben, würde in Deutschland und der Eurozone das blanke Entsetzen auslösen, in Belarus mit seinen etwa 30 Prozent Inflation wiederum als wahre Wohltat empfunden werden.

In Kasachstan wurde im vergangenen Jahr offiziell eine Inflationsrate von sechs Prozent erreicht, womit die strategische Zielstellung, die einen Korridor von sechs bis acht Prozent vorsah, am unteren Ende erreicht wurde. Das ist also ein relativ gutes Ergebnis. Doch damit ist noch nicht gesagt, dass nun eine Art Durchbruch im Inflationsgeschehen nach unten erwartet werden kann. Es wird wohl eher das Gegenteil eintreten, sprich, die Inflationsrate wird wieder steigen, aber im Zielkorridor bleiben. Das kann man mit drei Sonderfaktoren begründen, die 2012 das für Kasachstan annehmbare Inflationsniveau mitbewirkt haben. Diese Faktoren fallen jedoch in diesem Jahr mit hoher Sicherheit weg. Der erste, die Inflationsrate in 2012 senkende Faktor war die sehr gute Ernte des Jahres 2011. Das hohe Angebot an Getreide und anderen landwirtschaftlichen Rohstoffen hat natürlich das allgemeine Preisniveau verringert beziehungsweise dessen Anstieg gebremst.

2012 ist infolge der lang anhaltenden Trockenheit eine Ernte eingefahren worden, die nicht einmal die Hälfte der von 2011 ausgemacht hat. Dieses geringere Angebot an Nahrungsmitteln hat schon dazu geführt, dass im Dezember und Januar die Lebensmittelpreise gegenüber dem Vorjahr besonders schnell gestiegen sind. Da es bis zur nächsten Ernte ja noch sehr weit ist, dürfte das Wirken dieses Faktors in den nächsten Monaten anhalten. Der zweite Faktor ist das Anfang 2012 von der Regierung ausgesprochene zeitweilige Moratorium zur Erhöhung der Tarife für zentrale kommunale Dienstleistungen, insbesondere für Wärme und Wasser. Dieses Moratorium ist nun ausgelaufen, und die sogenannten natürlichen Monopolisten haben zu Saisonbeginn die Tarife vor allem für Wärme kräftig erhöht. Das kann jeder auf den entsprechenden Rechnungen nachvollziehen. Eine Reihe von Haushalten mit unteren Einkommen hat schon Anträge gestellt, von der zentralen Wärmeversorgung abgekoppelt zu werden, weil sie nicht mehr zahlen können. Die erhöhten Ausgaben für die kommunalen Dienstleistungen werden in den folgenden Monaten auf die Inflation durchschlagen, denn diese wird ja immer im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum des Vorjahres erfasst. Der dritte Faktor war die Aufwertung des Tenge vor allem zum Euro und zum russischen Rubel im vergangenen Jahr. Dadurch werden Importe in Tenge billiger und bei dem großen Anteil vor allem russischer Verbrauchsgüter auf dem kasachischen Binnenmarkt hat das zu einer gewissen Verlangsamung der Inflation beigetragen. Zumindest in den letzten Monaten hat des Tenge stark zum Rubel und zum Euro und auch etwas zum Dollar abgewertet. Dadurch werden Importwaren in Tenge teurer, man spricht von „importierter“ Inflation. Wie sich nun die Wechselkurse in diesem Jahr entwickeln werden, ist schwer vorherzusehen, es wird aber allgemein eher mit einer gewissen Abwertung gerechnet.

Insgesamt wird es eher bei der Inflationssituation bleiben, an die sich die meisten Kasachstaner bereits gewöhnt haben. Eine Situation wie in der Eurozone, wo die Öffentlichkeit bei einer Inflationsrate von etwa 2,5 Prozent Anzeichen von Beunruhigung zeigt, ist auf absehbare Zeit hierzulande kaum zu „befürchten“.

Bodo Lochmann

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