„Botschafter trifft Wirtschaft“ – unter diesem Motto stand die Mitgliederversammlung des Deutschen Wirtschaftsklubs in Kasachstan (DWK) am 31. Oktober 2011: Dr. Guido Herz ist seit August dieses Jahres neuer deutscher Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Kasachstan und kam mit Wirtschaftsvertretern aus beiden Ländern und DWK-Mitgliedern ins Gespräch.

/(V.l.n.r.) Kay Zwingenberger, Dr. Guido Herz, Jörg Hetsch auf der Mitgliederversammlung des DWK. /

Für Dr. Guido Herz ist Kasachstan kein fremdes Land. 2004 besuchte der amtierende deutsche Botschafter für Kasachstan in seiner damaligen Funktion als Inspekteur des Auswärtigen Amtes schon einmal Astana und Almaty. Als für die Entwicklung dieses aufstrebenden zentralasiatischen Landes in den letzten sieben Jahren symbolisch bewertet Dr. Herz den Bau, Ausbau und die Entwicklung der neuen Hauptstadt Astana. Im Vergleich zu den Nachbarländern gäbe es in Kasachstan klare Zeichen einer viel dynamischeren Entwicklung. Kasachstan ist für Dr. Herz ein Land der Zukunft, das sich als Schwellenland in der Region Zentralasien sehr deutlich von allen anderen Nachbarländern abhebt. Dies betrifft nicht nur das Bruttoinlandsprodukt und den Außenhandel, sondern auch die demographische Entwicklung, die in Kasachstan eindeutig positiver zu bewerten sei als zum Beispiel in afrikanischen Entwicklungsländern. Die kasachische Bevölkerung wachse zwar, aber maßvoll und in einem für die Entwicklung des Landes vorteilhaften Maße.

In der Retrospektive waren damals, Anfang der 90er Jahre, die Chancen einer derart rasanten wirtschaftlichen Entwicklung in nur 20 Jahren äußerst gering. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Unabhängigkeitserklärung des jungen Kasachstans übernahm Präsident Nasarbajew die Altlasten der ehemaligen Sowjetrepublik. Das Atomtestgelände bei Semipalatinsk, auch „Poligon“ genannt, ist dabei nur ein Beispiel von vielen. Die Verlegung der Hauptstadt in den Norden des Landes und der Bau der neuen Stadt Astana inmitten der Steppe war Teil einer politischen Strategie, der Stabilisierung der labilen Unabhängigkeit des Landes

Wie es allerdings mittelfristig politisch und wirtschaftlich weitergeht, bleibt zunächst nur Spekulation, so Dr. Herz. Man müsse versuchen, die Interessenlage der Regierung Kasachstans nachzuvollziehen. Von den mittelfristigen Entscheidungen hänge die Zukunft Kasachstans ab.

Kasachstans dynamische wirtschaftliche Entwicklung war bisher auf die reichen Rohstoffvorkommen zurückzuführen. Momentan versucht die Regierung Nasarbajew mit allen Mitteln, das Land aus der Abhängigkeit von Rohstoffen zu befreien, führt Dr. Herz aus. Die Zahlen sind in der Tat immens: Allein 80% der Exporte sind Rohstoffe. Kasachstan müsse es schaffen, in Zukunft eine eigene Wertschöpfung zu erreichen.

Das klingt eindeutig nach einer dringenden Umstrukturierung der Wirtschaft Kasachstans. Zu diesem Umbau könnte auch Deutschland beitragen, meint Dr. Herz.

Zirka 200 deutsche Unternehmen sind mittlerweile auf dem kasachstanischen Markt präsent. Schaut man sich jedoch die Zahl der deutschen Unternehmen auf dem Markt an, so produziert nur ein geringer Teil der Industriebetriebe im Land selbst. Im Zuge des Rohstoffabkommens, welches unlängst zwischen Deutschland und Kasachstan unterzeichnet wurde, garantiert Kasachstan die Lieferung mineralischer Rohstoffe und seltender Erden. Dafür verpflichtet sich die deutsche Seite, deutsche Unternehmen zu ermutigen, in die kasachstanische Wirtschaft zu investieren. Nach Meinung des deutschen Botschafters sei eine wirtschaftliche Neuausrichtung politisch gewollt. Kasachstan müsse auf die übermächtigen Nachbarn China und Russland Rücksicht nehmen. Die EU, und hier vor allem Deutschland, Frankreich und Großbritannien, ist zum Ausgleich ein willkommener Partner.

Der Deutschen Botschaft in Kasachstan kommt dabei eine wichtige Aufgabe zu:
Neben den Visaangelegenheiten und konsularischen Belangen ist die politische Bewertung Kasachstans im Rahmen der deutschen Außenpolitik ein wichtiger Auftrag der deutschen Botschaft, so Dr. Herz. Diesen Beitrag könne die Botschaft in Astana leisten, denn sie gilt als eine Instanz, welche die deutsche Außenpolitik ohne Partikularinteressen repräsentiert.
In der anschließenden Fragerunde waren die bereits angekündigten Visaerleichterungen zwischen beiden Ländern ein brennendes Thema. So wurde die Frage nach dem Wahrheitsgehalt von Gerüchten gestellt, dass ab Anfang 2012 sowohl für deutsche als auch für kasachstanische Staatsbürger vereinfachte Visavergabeverfahren in Kraft treten. In sehr klaren und eindeutigen Worten entgegnete der Botschafter darauf, dass es von deutscher Seite aus in keinem Fall zu Visaerleichterungen für alle kasachstanischen Bürger kommen wird. Dieses Verfahren sei bilateral auch nicht möglich, da Deutschland als Schengenland von der Zustimmung aller Schengen-Mitgliedsländer abhängig sei.

Im Publikum rief die Aussage weitere Fragen hervor: Nach Aussage des kasachstanischen Ministers für Industrie, Handel und Tourismus soll es ab dem 1. Januar bzw. ab Frühjahr 2012 durchaus eine flexiblere Visavergabepraxis für insgesamt 13 Länder geben: einmalige Touristenvisa für Kasachstan würden so unter anderem auch für einige Schengenländer wie Deutschland wegfallen. Eine amtliche Bestätigung hierfür gibt es noch nicht.

Die Erleichterung der Visavergabepraxis gerade im Zuge wirtschaftlicher Kooperation sei in der Tat eine wichtige Aufgabe der deutschen Botschaft, so Dr. Herz. Er erklärte sich bereit, gemeinsam mit dem DWK Verfahren zu entwickeln, welche die Abläufe in der Visavergabe erleichtern sollen. Typische Beanstandungen seien immer wieder lange Bearbeitungs- und Wartezeiten, Bürokratismus und zu großes Misstrauen der Behörden. Hier gäbe es aber laut Dr. Herz durchaus Möglichkeiten, je nach Einzelfall im Rahmen der Vorgaben zu entscheiden. Oberste Devise bei Visaangelegenheiten sei für den Botschafter, so viel wie möglich Menschen nach Deutschland reisen zu lassen, jedoch die Zahl der Scheinasylbewerber zu begrenzen.
Was er sich als wichtigstes Ziel für seine Amtszeit als deutscher Botschafter in Kasachstan vorgenommen habe? Da musste Dr. Guido Herz nicht lange überlegen: Für ihn sei die Stärkung und Intensivierung der deutsch-kasachischen Beziehungen wichtig.

Wir wünschen Ihnen für Ihre Arbeit viel Erfolg und alles Gute!

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Der Deutsche Wirtschaftsklub in Kasachstan (DWK) wurde 1994 ins Leben gerufen und steht unter der Schirmherrschaft der Deutschen Botschaft in Kasachstan. Er ist ein freiwilliger Zusammenschluss von deutschen Unternehmen und Organisationen, die aktive Geschäftsbeziehungen mit Kasachstan pflegen und größtenteils ständig in Kasachstan präsent sind. Der Deutsche Wirtschaftsklub in Kasachstan bietet auch kasachischen Firmen, die Teilnahme an der Verbandsarbeit und die Mitgliedschaft an.

Weitere Informationen: www.astana.diplo.de und www.zentralasien.ahk.de/dwk

Von Malina Weindl

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