Bislang transportierte Kasachstan den größten Teil seines Öls über den russischen Schwarzmeerhafen Noworossijsk gen Westen. Durch eine Vereinbarung mit Aserbaidschan ist es aber in diesem Jahr gelungen, die ersten Öllieferungen über Baku abzuwickeln. Künftig soll das Exportvolumen über den „Mittleren Korridor“ gesteigert werden.
Kasachstan und Aserbaidschan gehören beide zu den Gewinnern des Zerwürfnisses zwischen Russland dem Westen. Die EU will wegen der Kampfhandlungen in der Ukraine kein Öl mehr aus Russland, dafür aber umso mehr von den anderen beiden Anrainern des Kaspischen Meeres. Ergebnis: Bereits im ersten Halbjahr 2022 steigerte etwa Deutschland seine Ölimporte aus Kasachstan um 92 Prozent, aus Aserbaidschan sogar um 243 Prozent – wenngleich im letzteren Falle von einem wesentlich niedrigerem Niveau aus.
Nun haben sich die Präsidenten beider Länder in Astana getroffen, und auch hier nahmen Energiefragen eine besonders wichtige Rolle in den Gesprächen ein. So erklärte Kasachstans Staatschef Kassym-Schomart Tokajew im Rahmen der gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem aserbaidschanischen Amtskollegen Ilham Alijew, dass Kasachstan das Volumen seiner Ölexporte über das westliche Nachbarland erhöhen wolle.
Stabile Lieferungen von Ost nach West
„Dank unserer Vereinbarungen in diesem Jahr wurde die erste Ladung kasachischen Öls über Aserbaidschan verschifft“, sagte Tokajew. „Der nächste Schritt besteht darin, das Liefervolumen zu erhöhen und ihm einen langfristigen, stabilen Charakter zu verleihen.“
In dem Kontext ging er auch auf den sogenannten Mittleren Korridor ein, der im Westen als Chance und Möglichkeit gesehen wird, den Warentransport aus Fernost nach Europa unter Umgehung des sanktionsbelasteten Russlands zu organisieren. „Wir waren uns einig, dass es wichtig ist, das gestiegene Interesse an dieser Route voll auszuschöpfen und Drittländer in die Entwicklung der Infrastruktur einzubeziehen“, sagte Tokajew. Die Umsetzung des Fahrplans für die Entwicklung der alternativen Transportroute für 2022 bis 2027 diene dem Ziel, eine „stabile und zeitnahe“ Warenlieferung aus Ost nach West zu gewährleisten.
2023 sollen 1,5 Millionen Tonnen Öl über Baku fließen
Weitere Details zu den kommenden Ölexporten nannte am Dienstag der stellvertretende Premierminister und Handels- und Integrationsminister Serik Schumangarin. Für den gesamten Monat April stellte er eine Menge von 125.000 Tonnen Öl in Aussicht, die über Baku gen Westen gelangen sollen. „Letztes Jahr haben KazMunayGas und Sakar endlich eine Vereinbarung unterzeichnet; seit 2023 planen wir, 1,5 Millionen Tonnen Öl durch die Ölpipeline Baku-Tiflis-Ceyhan zu liefern“, so der Minister. „Der Prozess hat bereits im März begonnen, die ersten beiden Tanker wurden entsandt – das entspricht 20.000 Tonnen. Für April ist mit 125.000 Tonnen zu rechnen.“
Bereits bei der Verkündung des Abkommens zur Lieferung der genannten 1,5 Millionen Tonnen im vergangenen Jahr hatte Kasachstans Premierminister Alikhan
Smailow gesagt, dass perspektivisch eine Erhöhung der Kapazitäten auf 6 bis
6,5 Millionen Tonnen angestrebt werde.
Für Kasachstan ist die Entwicklung des Transportkorridors über Aserbaidschan eine willkommene Möglichkeit zur Diversifizierung seiner Handelsrouten, gerade in Energiefragen. Bislang wickelte das Land 80 Prozent seiner Ölexporte über den Hafen im südrussischen Noworossijsk ab. Im Zuge von Differenzen zwischen Moskau und Astana kam es jedoch im vergangenen Jahr mehrfach zu Störungen des Transports kasachischen Öls über diese Route. Aktuell darf Kasachstan jedoch sein eigenes Öl mit Zustimmung Moskaus über russische Pipelines nach Europa leiten.