Die aktuelle Krise hat offenbar eine Reihe meiner Fachkollegen so verschreckt, dass sie nur noch schwarzsehen und das vielleicht auch so wollen. Jedenfalls wurden auf einer wissenschaftlichen Konferenz, die eigentlich gar nicht die Krise zum Thema hatte, Aussagen getroffen, dass einem angst und bange werden konnten. Von „ewiger“ Krise, „unlösbaren“ Problemen und Ähnlichem war da die Rede. Gut, jede Einschätzung ist Sache desjenigen, der sie vornimmt. Doch die Lobhudelei des angeblich krisenfreien Sowjetsozialismus ging mir doch schon sehr weit über die Hutschnur, so dass es zum Disput mit meinen Konferenz-Mitrednern kommen musste.
Ich bin mir sicher: Auch diese Wirtschaftskrise wird zu Ende gehen, auch wenn im Moment niemand ausreichend seriös vorhersagen kann, wann und wie. Sicher ist aber auch (und in dieser Hinsicht gebe ich meinen Konferenz-Opponenten auch recht), dass unsere schöne Krise die Welt in vieler Hinsicht ändern wird. Langfristig wird der Einfluss der jetzt führenden Staaten zurückgehen, und vor allem asiatische Ländern werden ihr Gewicht in der Welt erhöhen. Das wird natürlich nicht nur rein wirtschaftliche Prozesse, sondern auch Politik, Kultur, die internationalen Beziehungen und anderes betreffen.
Auch dass man hilflos den bösen kapitalistischen Wolfsgesetzen ausgeliefert ist und eigentlich rein gar nichts gegen die Krise tun kann, stimmt so wohl nicht. Natürlich sollte man nach den Exzessen des Marktes nun nicht in das andere Extrem verfallen und die allein seligmachende Rettung nur vom Staat erwarten. Das wird und kann aus objektiven Gründen nicht funktionieren. Zwischen beiden Seiten der Medaille – Staat und Privatwirtschaft – muss es auch bei der Krisenlösung ein optimales Miteinander geben. Der Markt allein findet schon einen Ausweg, nur wird der nicht unbedingt sozial sein; und den Erhalt unserer gewohnten Standards wollen wir doch alle. Nur deshalb ist letztlich auch die Mitwirkung des Staates bei der Wirtschaftsstabilisierung gefragt. Nun allerdings gleich wieder dem Staat blind zu vertrauen wäre dabei nicht richtig.
Für Kasachstan wird diese Aussage durch das Prüfungsergebnis des Rechnungshofes untermauert, der den finanziellen Stabilisierungsmaßnahmen des Staates für 2008 de facto Wirkungslosigkeit attestiert. Mittel der Allgemeinheit wurden also publikumswirksam verteilt, nur ein positives Endergebnis dieser bereitgestellten Mittel ist nicht eingetreten. Vielleicht auch nur „bisher nicht eingetreten“, denn schließlich braucht jede Maßnahme auch Zeit zum Wirken.
Auf der anderen – der positiven – Seite steht die aktuelle Bewertung der Zahlungsfähigkeit und damit der Finanzstabilität Kasachstans durch die größten internationalen Ratingagenturen. Diese haben festgestellt, dass gerade durch die zu Beginn dieses Jahres eingeleiteten staatlichen Maßnahmen eine weitere Verschlechterung der Finanzsituation des Bankensektors verhindert wurde. Das drückt sich im Beibehalten des bisherigen Ratings aus. Dieses ist zwar keinesfalls positiv, sondern befindet sich in der Nähe dessen, was man in Insiderkreisen als eine Art „Schrottrating“ bezeichnen würde. Positiv an diesem schlechten Rating ist lediglich, dass es nicht noch schlechter geworden ist, was ja keinesfalls auszuschließen war. Positiv wird bewertet, dass der Staat im Februar zwei große Banken de facto durch Verstaatlichung vor dem Zusammenbruch gerettet hat, gerade dies aber bei einer dritten großen Bank NICHT getan hat. Wäre letzteres der Fall gewesen, hätte sich der Staat – dessen Mittel ja auch begrenzt sind – sehr leicht verhoben und wäre selbst in die Nähe der Zahlungsunfähigkeit gekommen. So aber wurden weitere Zahlungsprobleme nicht durch einen Zuschuss aus der in diesem Jahr ja leeren Staatsschatulle gelöst, sondern eher durch politische Maßnahmen. Mit anderen Worten, die kasachische Regierung hat sich intensiv um eine Restrukturierung der umfangreichen Außenschulden des Bankensektors bemüht, statt jeder einzelnen Bank in einer Feuerwehraktion mit staatlichem Geld zu helfen. Das hätte sowieso nicht ausgereicht, schließlich sind aktuell Schulden zu begleichen, die etwa 30 Prozent des kasachischen Bruttoinlandsproduktes (BIP) ausmachen. Keine Regierung der Welt kann solche Summen aus dem Ärmel schütteln und sollte das auch nicht versuchen. Staatliches Handeln hat also den Bankensektor vorerst stabilisiert, trotzdem wird dieser auch noch einige Zeit allein nicht zurechtkommen.
Positiv für Kasachstan ist auch, dass sich der Zustrom ausländischer Direktinvestitionen nicht wesentlich verringert hat. Das sind Devisen, die ins Land kommen und die nicht über den Export eigener Waren erst verdient werden müssen. Allerdings scheint sich die Länderstruktur dieser Investitionen deutlich zu ändern: Der Anteil chinesischer Mittel nimmt stark zu – sicher schon ein Zeichen für die Veränderungen, die die Krise mit ausgelöst hat.
Bodo Lochmann
19/06/09