Ratingagenturen, wie Standard & Poors oder Moodys, wurden einst organisiert, um den Teilnehmern der Finanzmärkte eine neutrale Bewertung von Wertpapieren der unterschiedlichsten Art zu liefern. Dadurch werden vor allem die Käufer von Anleihen und Aktien in die Lage versetzt, auch ohne spezielle Finanzkenntnisse und ohne Zugang zu Finanzdaten eine mehr oder weniger objektive Bewertung des Risikos des konkreten Wertpapiers zu erhalten.

Natürlich ist die Arbeit der auf die gründliche Analyse der hinter den Wertpapieren stehenden wirtschaftlichen Prozesse spezialisierten Informationsunternehmen in manchen Punkten durchaus kritikwürdig. Insgesamt aber ist ein normales Funktionieren der modernen Finanzmärkte ohne die Tätigkeit der Ratingagenturen heute schlichtweg unmöglich. Insbesondere nach der Finanzkrise 2008 – 2009 wurden die Ratingagenturen heftig kritisiert, weil sie schlechte Wertpapiere viel zu gut bewertet und so den Märkten falsche Informationen geliefert haben. Das hat wesentlich zum Entstehen und zur Vertiefung der jüngsten Krise beigetragen.

In Verbindung mit den jüngsten Diskussionen um die Verschuldung der USA wurde von Seiten der Politik versucht, Druck auf die Ratingagenturen auszuüben, damit diese trotz der gewaltigen Schulden der USA ein Auge zudrücken, und den amerikanischen Staatsanleihen die Bestnote zu belassen. Die Bestnote hat vor allem die praktische Bedeutung niedriger zu zahlender Zinsen, was den Schuldner finanziell entsprechend weniger belastet. Die Ratingagentur Standard & Poors hat sich diesem Druck nicht gebeugt und ist konsequent geblieben: Wer seine Schuldenfragen nicht ordentlich lösen kann, riskiert die Kreditwürdigkeit. Das gilt nicht nur für Unternehmen und Entwicklungsländer, sondern auch für die USA, die eine solche kritische Betrachtung bisher nicht gewöhnt sind.

Die Herabstufung von der Bestnote AAA auf AA+ ist für die USA finanziell keinesfalls eine Katastrophe. AA+ ist nur ein kleines Prozentchen von der Bestnote entfernt und bedeutet keinesfalls, dass die USA pleite sind oder dies in absehbarer Zeit sein werden. Die USA – das sind nicht Griechenland oder Irland. Die USA werden noch auf Jahrzehnte die stärkste Wirtschaftsmacht der Welt mit einem großen Innovationspotential sein. Die Herabstufung ist allerdings eine sehr peinliche Angelegenheit für die USA, schließlich gehört zum amerikanischen Selbstverständnis die Meinung um die absolute Überlegenheit des eigenen Systems.

Die USA haben sich immer als eine Art Vorbild für den Rest der Welt gesehen und nun das. Standard & Poors hat mit der Herabstufung auch wohl eher nicht die finanzielle Problematik der Staatsfinanzen der USA ausdrücken wollen, sondern das allgemeine Unverständnis darüber, dass es der politischen Klasse Amerikas nicht gelungen ist, zügig und effektiv eine Lösung für die eigenen, seit langem bekannten Finanzprobleme zu finden. Die nach eindeutig zu langem Ringen gefundene Lösung ist ein schlechter Kompromiss, der keines der amerikanischen Finanzprobleme löst.

Der Schaden aus der Herabstufung der USA ist für das Land vor allem in zweierlei Hinsicht zu erwarten. Zum einen werden die den Käufern amerikanischer Staatsanleihen zu zahlenden Zinsen zwar nicht drastisch, aber dennoch steigen. Aber drei oder vier Zehntel Prozent höhere Zinsen bedeuten bei aktuell 14 Billionen Dollar Staatsschulden doch jährliche Mehrbelastungen von einigen Milliarden Dollar, die man ja erst mal haben muss.

Auf der politischen Weltbühne ist der Schaden bereits jetzt zu besichtigen. China, das das größte Gläubigerland der USA ist, hat schon sehr kritische Bemerkungen in Richtung USA losgelassen. Der Schüler belehrt also den Meister. Das deutet auf eine langfristige strukturelle Machtverschiebung im Finanzsystem der Welt hin.

Bodo Lochmann

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