Messer, Gabel, Schere, Licht sind für kleine Kindern nicht. So formulierte es zumindest Heinrich Hoffmann in dem deutschen Kinderbuchklassiker „Struwwelpeter“. Ob den Kasachstanern dieses Werk geläufig ist, weiß ich nicht. Auffällig ist jedoch, wie selten in Kasachstan zum Essen Messer gereicht werden. Für den Deutschen eher gewöhnungsbedürftig, sein Schnitzel mit Gabel und Löffel zu essen, lancieren die Zentralasiaten in dieser Disziplin zu wahren Weltmeistern.

In Restaurants passiert es nicht selten, dass das Besteck nur aus zwei Teilen besteht. In meiner ansonsten beim Einzug voll eingerichteten Wohnung fehlte es an nichts – außer Messern. Gabeln, große Löffel, kleine Löffel – alles kein Problem. Und auch im vermeintlich „Deutschen“ Haus in Almaty ist es nicht leicht, ein einfaches Essmesser zu finden. Nicht geschliffene Spickmesser, also nicht allzu lange Messer mit einer sehr spitz zulaufenden Klinge, finden sich hier hingegen zuhauf. Nach mehr als neun Monaten trieb der neue Hausmeister nun endlich zwei einfache Essmesser im Hause für mich auf. Waren wohl irgendwo gut versteckt. Diese liegen jetzt allzeit bereit in meinem Schreibtischschrank.

Doch woher kommt dieser scheinbare Unwille, Messer zu benutzen? Nun die Antwort liegt vielleicht in der nomadischen Vergangenheit der Kasachen. Das hiesige Nationalgericht „Beschbarmak“ heißt übersetzt „fünf Finger“, und so verrät schon der Name, wie es gegessen werden soll: nämlich mit den Händen. In einem Restaurant nachgefragt, war die wohl nicht ganz Ernst gemeinte Antwort des Kellners: „Tja… Das Messer hat es aus dem Westen einfach noch nicht hierher geschafft.“

Eine andere Erklärung, die ich auf meine Frage erhielt, war, dass man den Leuten hier einfach keine scharfen Gegenstände geben sollte. Das Misstrauen in seine Mitmenschen, richtig damit umzugehen und sich nicht gegenseitig abzustechen, ist groß. Damit muss ich mich wohl zufrieden geben und die Kunst des Essens ohne Messer einfach noch perfektionieren.

Othmara Glas

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