Sozialarbeiter aus allen Regionen Kasachstans trafen sich Ende November im Deutschen Haus, um mit Vertretern der Vereinigung der Deutschen in Kasachstan „Wiedergeburt“ und Experten aus Deutschland über Perspektiven der Einführung europäischer Pflegestandards in Kasachstan zu diskutieren. Soziale Arbeit und Krankenpflege gehören zu den Wachstumsbranchen im Land und verlangen nach einer weiteren Professionalisierung. Helena Popowa, Expertin für Sozialarbeit im Deutschen Haus Almaty, berichtet in der DAZ über Armut im Alter, Perspektiven der deutsch-kasachischen Zusammenarbeit im Gesundheitswesen und wie man bis in goldene Alter gesund bleiben kann.

/Bild: Christine Karmann. ‚Helena Popowa zeigt das moderne Pflegezimmer im Deutschen Haus Almaty: „Hier machen sich Sozialarbeiter aus allen Regionen Kasachstans mit europäischen Pflegestandards vertraut“./

Frau Popowa, was sind die dringendsten Probleme in der Gesundheits- und Krankenpflege in Kasachstan?

Der Sektor entwickelt sich erst seit einigen Jahren. Viele Angehörige pflegen ihre Verwandten unter schwierigen Bedingungen zu Hause. Die staatliche Minimalhilfe sieht nur vor, dass ein Sozialarbeiter zwei Mal pro Woche kommt, Lebensmittel einkauft, die Fenster putzt und den Boden wischt. Es fehlt an einer professionellen Ausbildung in Pflegeberufen und der passenden Ausrüstung. Hinzu kommt die Armut im Alter: 100 Euro beträgt die minimale Rente, aber auch mit 200 bis 250 Euro ist es schwer, sich zu versorgen. Im Rahmen unserer Winterhilfe unterstützen wir seit Jahren bedürftige Familien mit Mehl, Zucker und Öl.

Alleine mit Mehl, Zucker und Öl kann man doch nicht den Winter überleben?

Das ist richtig, aber diese Produkte sind für viele Familien eine große Hilfe. Sie backen Fladenbrot und kochen mit dem Zucker Marmelade. Außerdem können sie das eingesparte Geld für andere Produkte ausgeben. In unseren Versorgungsstationen und Sozialapotheken bieten wir auch medizinische Untersuchungen an und geben Medikamente zu einem verbilligten Preis aus.

Gibt es Unterschiede im Lebensstandard zwischen den Regionen?

In erster Linie kümmern wir uns um ethnische Deutsche, aber 10 bis 20 Prozent sind Bedürftige anderer Nationalitäten. Seit der Vertreibung der Russlanddeutschen nach Kasachstan in den 1940er Jahren leben viele der 220.975 Russlandeutschen bis heute im Norden des Landes wie z.B. in Karaganda (39.000 Russlanddeutsche), in Kostanai (35.000 Russlanddeutsche) und in Akmola (30.000 Russlanddeutsche).

Welche speziellen psychologischen Aspekte muss man bei der Pflege von Russlanddeutschen beachten?

Viele der Pensionäre haben das goldene Lebensalter erreicht, wie wir es nennen. Sie haben in ihrem Leben schon viel erlebt und aufgrund der Repressionen viele Erniedrigungen und Kränkungen erfahren. Sie berichten sehr gerne und ausführlich über ihr Schicksal. Damit muss der Pfleger behutsam und mit Geduld umgehen.

Wie gestaltet sich die deutsch-kasachische Zusammenarbeit in der Gesundheits- und Krankenpflege?

Wir arbeiten seit einigen Jahren sehr erfolgreich mit den Euro-Schulen in Bitterfeld/Wolfen zusammen. Im letzten Jahr konnten wir mit deutscher Unterstützung ein modernes Pflegezimmer einrichten, mit Pflegebetten, Rollstühlen, Gehwagen und einem Badestuhl. Hier üben Sozialarbeiter aus ganz Kasachstan die Anwendung europäischer Pflegestandards. Wir organisieren auch Weiterbildungen, gerade hat Peter Rabenalt von der Euro-Schule in Bitterfeld/Wolfen zwölf Sozialarbeitern ihre Abschlusszertifikate überreicht.

Welche zukünftigen Projekte planen Sie?

Wir möchten uns weiter den europäischen Pflegestandards annähern. Die Vereinigung der Deutschen in Kasachstan „Wiedergeburt“ koordiniert nun direkt alle Projekte des Bundesminsteriums des Inneren (BMI) in Kasachstan, dazu gehören finanzielle, administrative und soziale Projekte. Unsere bisherigen Angebote wie Winterhilfe, Seniorenkuren und medizinische Unterstützung möchten wir weiter entwickeln.

Haben Sie als Ärztin einen Tipp, wie man auch bis ins hohe Alter hinein gesund bleiben kann?

Die Firma „Kysylmai“ hat im Rahmen unseres Seminars ihre Honig- und Bienenprodukte vorgestellt. Naturprodukte und Heilkräuter sind bei der Vorbeugung eine sehr interessante Alternative zu Chemiefabrikaten. Außerdem empfehle ich regelmäßige Bewegung wie Morgengymnastik oder Spaziergehen in frischer Luft. Mindestens einmal im Jahr sollte man zu einer Kontrolluntersuchung gehen.

Das Gespräch führte Christine Karmann.

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Euro-Schule Bitterfeld/Wolfen
Die Qualitätsgemeinschaft Euro-Schulen-Organisation (ESO) wurde 1966 mit der Eröffnung der Euro-Schulen in Aschaffenburg gegründet. Heute stellt die ESO den größten Zusammenschluss privater Bildungsträger in Deutschland dar, dem über 100 Bildungsinstitute bundes- und europaweit angehören. Die Mitgliedseinrichtungen verfügen über umfangreiche Bildungsangebote, die ganz auf die individuellen Lernziele und Motivationen ausgerichtet sind. Die Bildungsprogramme umfassen Ausbildung, Umschulung, Fort- und Weiterbildung im kaufmännischen sprachlichen, gewerblich-technischen und medizinisch-sozialen Bereich. Das Angebot ist sowohl praxisorientiert als auch international ausgerichtet und bietet nationale und internationale Abschlüsse. Als privater Bildungsträger sind sie dem europäischen Gedanken verpflichtet. Europa ist für sie nicht nur eine Vision, sondern gelebte Wirklichkeit. Unter Europa verstehen sie Weitsicht, Weltoffenheit, Toleranz und dynamisches Denken. Dies findet seinen Ausdruck in ihrem Namen Qualitätsgemeinschaft Euro-Schulen-Organisation.

Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen erhalten eine neue Dimension
Das Gesundheits- und Sozialwesen gehört zum größten Dienstleister der Gesellschaft und wird mehr und mehr zu einem Wachstumsbereich im Zuge der wirtschaftlichen, sozialen und demografischen Entwicklung. Die an den Standorten in Bitterfeld/Wolfen und Wittenberg angebotenen Ausbildungsberufe stellen hohe Anforderungen an Einsatzbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein.

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04/12/09

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