Das Österreichische ist so manchem Deutschen ein großes Mysterium. Der Grund dafür ist nicht nur die Aussprache, sondern auch allzu oft das andersartige Vokabular. Dieses lässt sich wiederum nicht selten darauf zurückführen, dass Österreicher gerne Wörter aus anderen Sprachen stehlen. In unserer Reihe Österreichische Wörter mit Migrationshintergrund bemüht sich Rafaela Lobaza, gebürtige Österreicherin, einen Einblick in das Sammelsurium der nach Österreich eingewanderten Wörter zu bieten. Unser Immigrant der Woche heißt Powidl.

Einer der Überreste der österreichisch-ungarischen Monarchie sind die Wiener Speisekarten, auf welchen sich nach wie vor viele tschechische und ungarische Gerichte finden lassen. Dass wir gerade im kulinarischen Bereich einiges übernommen haben, ist naheliegend, waren doch damals viele Köche und Köchinnen in Wien und dem Umland gebürtige Tschechen und Ungarn. Wenig überraschend ist es, dass wir dann auch so dreist waren uns nicht nur die Speisen, sondern auch gleich die dazugehörigen Bezeichnungen einzuverleiben. So zum Beispiel ist der gängige Begriff für Pflaumenmus in Österreich Powidl.

Dieses findet bei der Zubereitung der tschechischen Süßspeisen häufig Verwendung. Unverschämt wie wir eben sind, haben wir den Tschechen nicht nur die süßen Köstlichkeiten geklaut, sondern auch gleich das tschechische Wort für Pflaumenmus povidla übernommen. Wir Österreicher sind allerdings Meister der kreativen Wortverwendung. Deswegen darf es einen Touristen, der nun die erste und ursprüngliche Bedeutung des Wortes Powidl bereits verstanden hat, nicht wundern, wenn er in Wien gebeten wird, er möge doch kein Pflaumenmus daherreden (Red kan Powidl!).

Damit meint der Wiener lediglich, dass sein Gegenüber möglichst keinen Blödsinn von sich geben solle. Diese Aufforderung kann man jedoch getrost ignorieren. Schließlich kann es einem recht Powidl (d.h. gleichgültig) sein, was so ein dahergelaufener Wiener von einem denkt.

Rafaela Lobaza

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