Bislang habe ich wenig darüber nachgedacht, wie die Verkaufsatmosphäre in einem Kiosk ist oder sein soll. Sie war eben immer wie selbstverständlich da. Und nun ist sie weg. Und ich frage mich, woran das liegt.

In meinem dörflich angehauchten Stadtteil spürt man nicht so viel von dem Kölner Flair. Das drückt sich u.a. in einer geringen Kioskdichte aus. Hier kaufen die Leute rechtzeitig, tagsüber, ausreichend und preisbewusst ein, sprich: im Supermarkt. Ich nicht. Ich ernähre mich wie eine Löwin. Wenn ich Hunger habe, gehe ich auf die Jagd. Oft genug auch nach den Ladenöffnungszeiten. Ich brauche die Kioske zum Überleben. Und wenn es nur wenige Kioske in meinem Jagdrevier gibt, ist es immens wichtig, dass diese wenigen gut funktionieren, was für mich in erster Linie heißt: lange Öffnungszeiten, gutes Lakritzsortiment, meine Lieblings-Kölschsorten und ein paar Nahrungsmittel für Hungerattacken bei leerem Kühlschrank. Dies alles fand ich bislang mehr oder weniger bei dem Kiosk in meiner Nähe. Und bin gerne dort hingegangen. Jetzt finde ich das alles auch noch dort, aber gehe nicht mehr gerne hin. Was ist passiert, was hat sich geändert? Fast nichts und doch viel.

Der Besitzer hat gewechselt. Er ist nett und bemüht. An dem Kiosk selbst hat er wenig geändert. Und doch fühle ich mich dort nicht sehr wohl. Gehen wir der Sache mal auf den Grund. Eine Gegenüberstellung: Der frühere Besitzer war immer präsent, stets verkaufsbereit, die Hand immer schon über der Tastatur seiner Kasse, die Preise hatte er alle im Kopf und fix eingetippt. Den jetzigen Kioskbesitzer muss ich erst mit einem deutlichen „Hallo!“ aus der Reserve locken, dann bewegt er sich gemächlich aus seinem Hinterstübchen nach vorne, muss die Preise einzeln nachschauen und spricht sie vor sich hin, während er sie umständlich eintippt. Beim früheren Kioskbesitzer reichte ein kleiner Hinweis auf fehlende Produkte, um sie ins Sortiment aufzunehmen, der jetzige findet sein Sortiment gut so, wie es ist: „Nöö, normalerweise reicht das, was ich habe.“ Der frühere hat mir auch ein Lakritz für 10 Cent mit großem Engagement verkauft, beim jetzigen ist es ein nüchterner Tausch Ware gegen Geld. Aber dies sind nicht wirklich die Dinge, die mir fehlen. Es ist etwas, das man schwer greifen kann: die Atmosphäre.

Und jetzt kommt der springende Punkt – Achtung: Der frühere Kioskbesitzer war ein Türke, der jetzige ist ein Schwabe. Und in Auswertung meiner langjährigen Erfahrung mit Kiosken stelle ich fest: Es waren stets Orientalen, in deren Kiosken ich einkaufte. Aha, da haben wir‘s! Klare Beweisführung für meine These: Kioskbesitzer ist man und strahlt es auch aus oder eben nicht. Das hat man einfach im Blut und kann es nicht lernen. Dass die Orientalen die besseren Händler sind und uns Westeuropäern in Sachen Kunden- und Serviceorientierung weit voraus sind, ist eine altbekannte Wahrheit. Und dass es im Schwabenland keine ausgereifte Kioskkultur gibt, ist auch keine große Überraschung. Da ich aber nur diesen Kiosk habe und den schwäbischen Kioskbesitzer so nehmen muss, wie er ist, will ich mal nicht so streng mit ihm sein. Immerhin muss man ihm anrechnen, dass er sich unternehmerisch betätigt und das in einem artfremden Gebiet. Damit beweist er mindestens Mut und Initiative, und das will unterstützt werden.

Julia Siebert

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