Claus Storm ist Fachberater für Deutsch als Fremdsprache und Koordinator der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen. Seit mehr als sechs Jahren lebt er in Almaty, betreut das deutsche Lehrerentsendeprogramm, berät Deutschlehrer in Kasachstan und leitet die Prüfungen zum Deutschen Sprachdiplom der KMK.

Im Oktober wurden die Ergebnisse der PISA-Vergleichsstudie veröffentlicht. Im Jahr 2003 waren in Deutschland 45.000 Schüler im Alter von 15 Jahren vorwiegend im mathematisch-naturwissenschaftlichen Lernbereich getestet worden. Die Ergebnisse sind sehr detailliert, lassen sich hier aber kurz zusammenfassen: Ein großer Teil der 15-Jährigen hat einen Lernrückstand von bis zu drei Schuljahren. Mehr als ein Fünftel der Schüler kann dem lehrplangemäßen Unterricht nicht folgen: Sie verstehen zu wenig Deutsch, können Texte und den Lehrer zu wenig verstehen. Die Guten werden stärker gefördert, die Schwachen vernachlässigt: Für Kinder aus reicheren Familien ist es im Vergleich zu denen aus ärmeren Familien bis zu sechs mal wahrscheinlicher, dass sie das Abitur erreichen. Es fehlt in den Schulen an Spaß und Motivation beim Lernen.
Man hatte in Deutschland gehofft, dass die niederschmetternden Ergebnisse der PISA-Studie 2000 sich schon deutlich verbessert hätten. Doch man wurde enttäuscht: Zwar sind einerseits die guten Schüler besser geworden, aber andererseits sind die schwächeren Schüler schlechter geworden. Jetzt hofft man auf die PISA-Studie 2006.
Man darf aber so schnell nicht zu viel erwarten. Veränderungen im Bildungssystem und in der Bildungsleistung sind erstens teuer und angesichts der strukturellen Finanzkrise in Deutschland erstmal kaum zu finanzieren. Die europäischen Staaten geben in Durchschnitt etwa sechs Prozent des Bruttoinlandprodukts für die Bildung aus, Deutschland liegt aber deutlich unter dieser Ziffer und tut sich im Moment noch schwer damit, hier in größerem Maßstab mehr zu investieren.
Zweitens dauern Veränderungen im Bildungssystem lange, vor allem, wenn sie wie in Deutschland in einem weitgehend autonomen föderativen Rahmen stattfinden. Und bis Bildungsleistungen sich dauerhaft verbessern, dauert es naturgemäß Jahre, denn Lernfähigkeit und Leistungsstand wachsen nur allmählich. Ebenso langsam verändern sich die methodisch-didaktischen Fähigkeiten der Lehrkräfte. Und die Bildungsstrukturen insgesamt, wie also das Funktionieren von Kindergärten und Schulen konzipiert ist, sind traditionell immer ziemlich starr.
Es lohnt sich bezüglich der PISA-Resultate einen vergleichenden Blick auf Kasachstan zu werfen.
Das geht einerseits jedoch noch nicht: Bisher hat Kasachstan nicht an einer solchen vergleichenden Studie teilgenommen. Es wäre sehr wünschenswert, wenn dies bald geschieht, denn dann gäbe es massenhaft Fakten, auf deren Basis konkrete Veränderungen im schulischen Bildungswesen diskutiert und beschlossen werden könnten.
Jetzt aber schon möglich und notwendig ist es, mehr als bisher in den Faktor Bildung zu investieren. Kasachstan mit seinen wachsenden Staatseinkünften hat bisher jährlich nur etwa 3,8 Prozent des Bruttoinlandprodukts für den Bildungsbereich ausgegeben, also nur gut 60 Prozent des europäischen Durchschnitts.
Vor allem aber sollte man in Kasachstan nicht glauben, dass die in Deutschland gezogenen Konsequenzen aus den PISA-Studien einfach so zu übernehmen sind. Zur Erinnerung: Seit Jahrzehnten meinte man an Deutschlands Schulen, die Qualität könne man über den „Input” sichern, dass also die Bildungsqualität durch akribisch genaue Lehrpläne, vermeintlich gut ausgebildete Lehrer und gut ausgestattete Schulgebäude garantiert werde. Doch die nur „Input”-gesteuerte Schulverwaltung, das legt die PISA-Studie nahe, ist mangelhaft. Heute sprechen Bildungsexperten vom Übergang zur „Output-Steuerung”: Das Ergebnis der Schulen, die Schülerleistungen, der „Output” also, wird nun als maßgeblicher Indikator gemessen.
Aber Vorsicht: Es wäre übereilt, diese Schlussfolgerung jetzt so einfach auch für Kasachstan zu ziehen. Das ginge nur, wenn zuvor jahrelang großzügig in den Bildungsbereich investiert worden wäre. Genau diese strategische, umfassende, zukunftsorientierte Investition, die in Deutschland seit den 60er Jahren stattfand, muss in Kasachstan aber erst noch erfolgen. Erst dann, wenn das auch hier geschehen ist, dauerhaft und in großem Maßstab, kann man nachdrücklich den „Output” des Bildungssystems einfordern.

18/11/05

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