Eine Reihe entwickelter Staaten, vorwiegend in Europa, steckt in einer Schuldenkrise, aus der schwer herauszukommen ist. Zu den Wegen der Lösung der Schuldenkrise gibt es ziemlich unterschiedliche Meinungen und Ansätze, wobei momentan eigentlich nur klar ist, dass es sich um eine Krise der Staatsschulden handelt. Bekanntlich besorgen sich Regierungen zum Decken eines planmäßigen Defizits des Staatshaushalts Kredite auf den Finanzmärkten, normalerweise bei privaten Investoren.
Das funktioniert so lange, wie die Käufer von Staatsanleihen der oftmals subjektiven Überzeugung sind, dass die Regierungen ihre Schulden auch zurückzahlen können. Erst wenn dieses Vertrauen nicht mehr gegeben ist, dann ist der normale Weg der Finanzierung von Defiziten versperrt, und es kommt zu dem, was man Krise nennt. Um letztere effektiv bekämpfen zu können, muss vorher geklärt werden, was die Ursache für das Auflaufen der hohen Staatsschulden ist.
Dazu wurde jetzt eine interessante Studie der Universität Bonn vorgelegt, in der Daten aus 17 Ländern für einen Zeitraum von 140 Jahren untersucht wurden. Insgesamt wurden nicht weniger als 95 Finanzkrisen angeschaut unter der Frage, ob private oder staatliche Schulden für die Gesamtwirtschaft gefährlicher seien.
Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass originäre Staatsschuldenkrisen in den westlichen Ländern eine seltene Erscheinung sind, Griechenland also eine historische Ausnahme ist. Meist haben es die Regierungen der Industrieländer geschafft, ihre wachsenden Schulden rechtzeitig in den Griff zu kriegen und ein Entstehen von Krisen zu verhindern. Erst wenn Regierungen, wie in jüngster Zeit, 2008-2009, überschuldete Banken retten mussten, stiegen die öffentlichen Schulden. Die Überschuldung von Banken seinerseits beruhte fast ausschließlich auf einem sehr starken Wachstum der dem Privatsektor. Damit ist gesagt, dass in der Regel der private Sektor die eigentliche Ursache für das Entstehen hoher Staatsschulden ist ausgegebenen Kredite. Hohe Schulden verursachen also die privaten Haushalte, Unternehmen sowie die meist privatwirtschaftlich organisierten Banken selbst. Vor allem im Bereich der Finanzierung von Immobilien entstehen dabei Probleme. So auch in den Bankenkrisen Kasachstans ab 2007 und den USA 2008.
Zur Vermeidung von Staatsschuldenkrisen, so ein Resümee der Forscher, müssen Zentralbanken und Aufsichtsbehörden deshalb stärker auf das Kreditwachstum achten und sich weniger mit Fiskalregeln und Schuldenbremsen, sprich den Staatsfinanzen, beschäftigen. Auch strenge Fiskalregeln werden Staatsschuldenkrisen nicht verhindern können, weil im Ernstfall doch nur der Staat als letzte Rettungsinstanz übrigbleibt und im Krisenfall auch die sinnvollsten Regeln über Bord geworfen werden müssen.
Die genannte Studie lässt die praktizierte Strategie zur Lösung der Euro-Krise, die ja eine Staatsschuldenkrise ist, nicht optimal erscheinen. Statt die Problemländer zu allzu drastischen Einsparungen, Steuererhöhungen und Privatisierungen zum Schließen der Finanzierungslücken des Staatshaushaltes zu zwingen, sollte sich die Problemlösung auf die Reduzierung der privaten Schulden konzentrieren. Praktisch hieße dass, Möglichkeiten der Reduzierung privater Schulden zu finden, um in entstehenden Krisensituationen die Bankenbilanzen von Problemkrediten sauber zu halten, sprich Banken nicht zahlungsunfähig werden zu lassen.
Folglich hätten die von der EU, dem IWF und der EZB bereitgestellten Hilfsgelder nicht in erster Linie dem Bankensektor, sondern den privaten Schuldnern zufließen müssen. Klar ist hierbei, dass Regierungen mit geringerer Verschuldung in Schuldenperioden besser reagieren können als Regierungen mit hohen Schulden. Unklar bleibt jedoch, wie erreicht werden soll, dass die Möglichkeit der Reduzierung privater Schulden durch staatliche Maßnahmen nicht zu einem leichtfertigen Verhalten der privaten Kreditnehmer führt, die gerade im Wissen darauf, dass „Jemand“ schon helfen wird, sich bewusst über beide Ohren verschulden. Darauf gibt die genannte Studie leider keine Antwort.