Seit August 2021 ist Mario-Ingo Soos der neue Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Almaty. Wir haben mit ihm über seine Pläne, seine siebenbürgische Heimat und die Zusammenarbeit mit der deutschen Wirtschaft sowie mit der deutschen Minderheit in Kasachstan gesprochen.
Herr Soos, wie waren Ihre ersten Wochen am neuen Einsatzort, und wie haben Sie sich eingelebt? Gab es etwas, das Sie besonders überrascht hat?
Ich hatte schon Gelegenheit, einige schöne Seiten der Stadt und der Menschen hier kennenzulernen. Eines der ersten Erlebnisse war ein musikalischer Abend im Staatlichen Opern- und Balletthaus. Dort wurde mit dem Stück „Abai“ die hiesige Opernsaison eröffnet. Es war eine wunderbare Aufführung. An einem anderen Abend hatte ich die Gelegenheit, in ein Café mit Live-Musik zu gehen. Dort hat eine erstklassige Jazz-Band gespielt. Das hat mir gezeigt, dass es hier auch in der nichttraditionellen Musik ein sehr hohes Niveau gibt. Auch den Grünen Basar konnte ich schon besuchen. Am meisten beeindruckt hat mich aber die Gastfreundschaft und Freundlichkeit der Menschen. Ich bin viel in der Welt herumgekommen, und noch nie habe ich es so erlebt wie hier, dass man so freundlich empfangen wird.
Sie waren zuvor schon in Zagreb und Laibach, hatten im Auswärtigen Amt den Posten als Leiter der Arbeitseinheit „Stabilitätspakt für Südosteuropa“ inne. Der (Süd-) Osten ist Ihnen also schon gut vertraut. Aber hatten Sie früher auch schon Berührungspunkte zum postsowjetischen Raum?
Auf meinem ersten Posten in der Zentrale des Auswärtigen Amtes habe ich im Bereich der internationalen Weltraumzusammenarbeit gewirkt. In dieser Funktion war ich mehrfach in Moskau. Da hatte ich das erste Mal eine intensivere Berührung mit der Sowjetunion und der Region als Ganzes. Das hat mich damals schon beeindruckt. Es hat sich dann nur nicht ergeben, dass ich schon früher herkommen konnte. Nun hat es aber geklappt, und darüber bin ich froh. Ich finde die Region faszinierend, wollte nach Almaty, und finde es wunderbar, dass hier viele verschiedene Aufgaben auf mich zukommen.
Was haben Sie sich für Ihre Zeit in Almaty vorgenommen? Bei welchen Themen möchten Sie Schwerpunkte setzen?
Ganz generell werde ich mich der Pflege der bilateralen Wirtschafts- und Kulturbeziehungen widmen. Was die Inhalte betrifft, könnte ich eine ganze Liste von Themen aufführen, die wir hier aufgreifen wollen. Es gibt viel Potential für Partnerschaften zwischen Deutschland und Kasachstan. Ein Bereich, in dem Deutschland besonders viel zu bieten hat, ist der Bereich der Erneuerbaren Energie und Energieeffizienz. Da haben wir viel Erfahrung und Knowhow anzubieten, und Möglichkeiten, die Partnerschaft mit Kasachstan zu vertiefen.
Wie sind Sie bislang in Kontakt mit deutschen Unternehmen und Wirtschaftsvertretern gekommen, welches Bild haben Sie von diesen Begegnungen gewonnen?
Die Kontakte zu den deutschen Unternehmen waren mir von Anfang an ein großes Anliegen. Ich habe von Anfang an die Nähe zu ihnen gesucht und bereits mehrere Treffen mit Vertretern der deutschen Wirtschaft vor Ort gehabt. Dazu zählen der Delegierte der deutschen Wirtschaft, der Leiter von Germany Trade & Invest und mehrere Vertreter deutscher Unternehmen. Almaty ist ein Schwerpunkt deutscher Wirtschaftspräsenz in Kasachstan. Wir hatten also schon viele Begegnungen. Ich habe zuletzt eine Bau-Messe besucht – die erste Präsenz-Messe seit Beginn der Pandemie. Dort waren gleich neun deutsche Firmen vertreten, was mich sehr gefreut hat. Diejenigen Unternehmen, die ich dort getroffen habe, haben sich sehr positiv über die Geschäftschancen mit Kasachstan geäußert.
Was ist Ihr Ausblick auf die weitere Entwicklung – auch vor dem Hintergrund der Pandemie –, und wie werden Sie mit der deutschen Wirtschaft vor Ort zusammenarbeiten?
Ich denke, es wird sich zeigen, dass – in dem Maße, in dem wir lernen, mit der Pandemie zu leben – auch das Wirtschaftsleben und der bilaterale Wirtschaftsaustausch stark aufleben werden. Die Wirtschaftsbeziehungen sind ohnehin sehr gut. Kasachstan ist der größte Handelspartner Deutschlands in Zentralasien, und das wird auch so bleiben. Wir vom Generalkonsulat können Unterstützung leisten, indem wir deutschen Unternehmen helfen, die richtigen Kontaktpersonen zu treffen. Oder indem wir den Rahmen schaffen, in dem sie mit kasachischen Unternehmen zusammenkommen. Und das will ich gern tun.
Sie stammen aus Siebenbürgen, einer Region der ethnischen Vielfalt. Zum Beispiel liegt ihr Geburtsort Mediasch im Kreis Hermannstadt, aus dessen Hauptstadt Klaus Johannis stammt – heute rumänischer Staatspräsident und zugleich Angehöriger der deutschen Minderheit in Rumänien. Haben Sie die Zeit dort bewusst miterlebt, und wenn ja, inwiefern prägt sie Ihren Blick auf das multinationale Kasachstan?
Ja, ich habe die Zeit bewusst miterlebt, denn erst während des Gymnasiums bin ich mit der Familie nach Deutschland ausgewandert. Parallelen sehe ich heute hier in Kasachstan. Kasachen sind für ihre Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft bekannt. Ich habe kürzlich eine Reportage gesehen, in der ich gelernt habe, dass es beispielsweise in der Steppe als unhöflich gilt, in der Nähe einer Jurte zu zelten, ohne sich vorzustellen. Wenn man sich vorstellt, wird man eingeladen, und darf sogar mit den Familienmitgliedern als Gast in der Jurte leben. Das hat mich sehr beeindruckt. Ähnliches habe ich auch in Siebenbürgen erlebt. Dort lebten Deutsche, Rumänen und Ungarn immer schon friedlich und freundschaftlich miteinander. Sie haben nicht nur die eigenen Bräuche gepflegt, sondern auch an den Bräuchen der anderen Ethnien teilgenommen. Man begegnete und begegnet sich mit Respekt und Akzeptanz, was die Basis eines jeden Zusammenlebens ist. Und so erlebe ich es auch hier in Kasachstan.
Kürzlich waren Sie zu Besuch bei der Selbstverwaltungsorganisation der Deutschen Kasachstans in Almaty. Was war Ihr Eindruck, und wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit der deutschen Minderheit hier vor?
Ich war sehr beeindruckt, wie gut das Deutsche Haus organisiert ist und wie vielfältig die Aktivitäten sind – angefangen von sozialem Engagement, über Kulturarbeit, Jugendarbeit, die Kinder in der Sonntagsschule, die dort Deutsch lernen – das ist sehr farbenfroh und vielfältig. Was ich aber besonders faszinierend fand, war, dass sich so viele junge Leute dort engagieren. Und das zeigt für mich, dass das eine Zukunft hat.
Wie stellen Sie sich die zukünftige Zusammenarbeit mit der deutschen Minderheit in den kommenden Jahren vor?
Wir machen zunächst einmal da weiter, wo wir bisher zusammengearbeitet haben. Dann sehen wir, wie wir diese Zusammenarbeit noch intensivieren können. Wir haben Möglichkeiten, mithilfe der Bundesregierung Aktivitäten der deutschen Minderheit zu unterstützen. Und ich freue mich auf Vorschläge von Seiten der Organisation Wiedergeburt und der deutschen Minderheit für Projekte, die wir unterstützen können.
Welche Herausforderungen sehen Sie für die deutsche Minderheit, aber auch die deutsche Sprache in Kasachstan?
Die deutsche Sprache ist hier im Vergleich zu anderen Fremdsprachen sehr gut vertreten. Sie steht auch deswegen so gut da, weil es eine deutsche Minderheit in Kasachstan gibt. Sie stellt ein wertvolles Bindeglied zwischen den Kulturen und Sprachen dar. Außerdem gibt es das Goethe-Institut und die zahlreichen Schulen, an denen Deutsch unterrichtet wird, die Deutsch-Kasachische Universität, und nicht zuletzt Organisationen wie die Wiedergeburt. Dort wird Deutsch nicht nur als Fremd-, sondern sogar als Muttersprache weitergegeben. Das muss man fortführen und fördern. Und mit den Mitteln, die ich als Generalkonsul zur Verfügung habe, werde ich das auch gern unterstützen.