Die erste Februarwoche 2009 war in der jungen kasachischen Wirtschaftsgeschichte wohl die bisher spannendste, dramatischste und sicher auch umstrittenste. So hätten die dramatischen Aktionen zur Rettung der größten kasachischen Bank (BTA) durch Verstaatlichung durchaus eine Wertung an dieser Stelle verdient, wichtiger ist jedoch die ziemlich plötzliche Entscheidung der Nationalbank das sogenannte „schmutzige Floaten“, also die nicht offiziell erklärte Unterstützung des Wechselkurses des Tenge zum Dollar, aufzuheben und einen realistischen Marktkurs zuzulassen. Eine solche Entscheidung war auf jeden Fall fällig und deshalb im Prinzip keine Überraschung. Dennoch war nicht vorherzusehen, dass die Entscheidung der Nationalbank so schnell und vor allem so radikal ausfallen würde.

Die Aufregung in der Gesellschaft ist jetzt groß, und überwiegend werden Negativszenarien hinsichtlich der Folgen für Wirtschaft und einfache Leute an die Wand gemalt. Diese sind schon deshalb nicht auszuschließen, weil sie sofort nach der Verkündung der Abwertung einer ganze Reihe von „Trittbrettfahrern“ den Vorwand liefern, die Preise schnell zu erhöhen, auch wenn dafür überhaupt keine Notwendigkeit besteht. Aber mit der Abwertung kann man vieles begründen, zumal immer noch bei vielen Leuten angeblich „die Amerikaner“ die Finger im Spiel haben.

Zu bemängeln ist vor allem die Art und Weise, wie die Staatsorgane, darunter die Nationalbank mit ihren eigenen Aussagen umgehen. Noch zu Anfang des Jahres wurde publiziert, dass die Abwertung des Tenge langsam über einen längeren Zeitraum vor sich gehen würde. Das sollte den Wirtschaftsobjekten Zeit geben, sich an die veränderten Wechselkurse anzupassen. Russland hat das in den letzten Wochen praktiziert und gezeigt, dass es geht. Doch hierzulande hat man wahrscheinlich zu lange gewartet und musste nun sehr schnell handeln, weil die Devisenreserven der Nationalbank offensichtlich schneller schmelzen, als man das bisher geplant hatte. Es gibt zwar bei Wirtschaftsreformen immer die Diskussion, ob sie lieber in einem radikalen Schritt oder etappenweise durchzuführen sind. Einen eindeutigen Nachweis für die Überlegenheit der einen oder der anderen Variante gibt es nicht. Das ist auch nicht der Kritikpunkt. Schlecht ist, dass die Staatsorgane, in diesem Falle auch die Nationalbank, zu oft ihre eigene Meinung und Strategie wechseln und zu oft heute nicht mehr gilt, was gestern erst verkündet wurde. Damit organisiert man sich unnötigerweise ein Glaubwürdigkeitsproblem und baut die real vorhandene Misstrauensbasis gegenüber der Staatsmacht erst auf oder aus. Außerdem wird es den Wirtschaftssubjekten durch den häufigen Wechsel von Programmen und Prioritäten erschwert, strategisch zu planen und zu handeln. In dieser Hinsicht aber sind die heimischen Unternehmen meist sehr dünn besohlt, was auch einen Teil ihrer Probleme mit der Wettbewerbsfähigkeit erklärt.

Die Nationalbank musste schnell handeln, weil in den letzten zwölf Monaten fast alle für Kasachstan wichtigen Handelspartner ihre Währungen zum Dollar abgewertet hatten oder der Devisenmarkt das automatisch besorgt hatte. So hat der Rubel um 44, der belorussische Rubel um 28, die ukrainische Griwna um 52 das britische Pfund um 38 der Euro um 13 Prozent zum Dollar nachgelassen. Infolge der künstlichen Stabilisierung des Wechselkurses durch die Nationalbank in Kasachstan durch Verkauf von Dollar aus den nationalen Devisenreserven zum Herstellen eines Gleichgewichts von Dollarangebot und Dollarnachfrage hat zum einen der Tenge im selben Zeitraum nur um ein Prozent nachgegeben und sind zum anderen die Devisenreserven bereits um 15 Prozent gesunken. Die Konkurrenz aus anderen Ländern hat also einen Preisvorteil auf den hart umkämpften Exportmärkten, von denen Kasachstan aber letztlich lebt.

Die Folgen der Abwertung werden natürlich unterschiedlich sein. Die wenigen Exporteure Kasachstans werden nach dem Umtausch der erlösten Dollar mehr Tenge in der Tasche haben und so leichter die Kosten decken oder die Preise auf den Weltmärkten senken und damit ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit erhöhen können. Die Importwaren in Kasachstan werden differenziert teurer, weil die Importeure nun mehr Tenge für einen Dollar Import ausgeben müssen. Infolge der Bindung des chinesischen Renminbi an den Dollar werden automatisch alle Chinaimporte teurer. Russische Importe werden wegen der unterschiedlichen Abwertungsraten des Rubel und Tenge zwar auch, aber weniger teurer werden.

Da zum Beispiel 85 Prozent aller Medikamente, die Hälfte aller Nahrungsgüter und so gut wie alle technischen Konsumgüter aus Importen stammen, werden sie – entsprechend der Abwertungsrate – auf dem kasachischen Binnenmarkt zwangsläufig um 20 bis 25 Prozent teurer. Das wird breite Bevölkerungsschichten treffen und zweifelsohne die Inflation stimulieren.

Betroffen sein werden auch die Geschäftsbanken, die in diesem Jahr nicht weniger als 12 Milliarden Dollar Kredite im Ausland tilgen müssen. Die Dollarschuld bleibt konstant, während sich die zu ihrer Tilgung notwendige Tengemenge – nach altem Kurs gerechnet – auf 15 bis 16 Milliarden Dollar erhöhen wird. Weitere Bankenpleiten sind so nicht auszuschließen.
Immerhin 52 Prozent der einheimischen Kreditnehmer haben ihre Kredite in Devisen aufgenommen, das Wechselkursrisiko möglicherweise nicht ahnend oder unterschätzend. Sie werden jetzt also ein Viertel mehr Tenge zusammenkratzen müssen, um ein guter Schuldner zu bleiben. Das wird nicht allen gelingen, was neben den Schuldnern selbst wieder die kreditgebenden Banken treffen wird.

Ihre Devisenreserven hat die Nationalbank – zumindest vorerst – gerettet und den großen Rohstoffexporteuren geholfen. Die gesamtwirtschaftlichen Risiken aber sind damit nicht kleiner geworden, möglicherweise eher größer.

Bodo Lochmann

13/02/09

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