Bunte Pferdestatuen stehen seit Ende Mai in der Almatyer Innenstadt. Das Rätseln um die Tierfiguren bewegt die Einwohner, und dass hinter dem Projekt „Put Nomadow” viel mehr steht, als nur dem Stadtbild mehr Farbe zu geben, wissen bisher nur die wenigsten. Dabei ist der Grund knapp zusammengefasst: Es soll der guten Sache dienen.

Ein kleiner Junge sitzt in blauer Hose und rotem Pullover auf einem rabenschwarzen Pferd aus Gips. Nur ein aufgesetzter silberner Sattel und der im gleichen Ton bemalte Nasenrücken heben sich farblich von der gesamten Figur ab. Eine Frau, vermutlich seine Mutter, fotografiert ihn fleißig, und die Gruppe, in der sie steht, schaut neugierig auf den Jungen und die Bronzeplakette auf dem Sockel der Statue. Sie lesen „Put Nomadow”, einen Künstlernamen und den Titel der vor ihnen stehenden Komposition. Aber warum das Pferd auf dem Schibek Scholy, der Fußgängerzone im Zentrum Almatys, steht, wissen sie nicht: „Ein Kunstprojekt”, sagt ein junger Mann. Eine Frau sagt: „Nein, das ist irgendwas mit Waisenkindern.” Andere Leute schalten sich in das Gespräch ein und rätseln eifrig mit.

Anders ist das bei Scholpan Baibolowa, denn sie ist die Leiterin von „Put Nomadow“, „Weg der Nomaden“, wie sich das Projekt mit den mannshohen Gipspferden nennt. „Es hat einen sozialen Hintergrund. Wir verkaufen die Pferde an Unternehmen, und aus dem Geld werden Geräte zur Bluttransfusion und zwei Monitore zur Überwachung von Patienten für das städtische Kinderkrankenhaus gekauft”, klärt die Mitarbeiterin des Instituts für moderne Politik in Almaty auf. Insgesamt stehen 22 Statuen und fünf kleinere Ponys im Stadtzentrum. Zu finden sind sie an großen Straßenkreuzungen, vor Restaurants, Banken, auf dem Alten Platz oder vor dem Zentralstadion. „Wir haben mit der Stadtverwaltung zusammengearbeitet. Die Leute dort sagten uns, wo die Pferde am wirkungsvollsten stehen”, erklärt Scholpan Baibolowa die Auswahl der Standorte.

Vielfältige Unikate

Jedes Pferd wurde einem kasachischen Künstler gegeben, der es innerhalb eines Monats frei nach seiner Phantasie gestaltete. Herausgekommen sind farbenfrohe und interessante Unikate, wie die Passantin Marijam Medowaja bestätigt: „Ich habe schon viele von den Pferden in der Stadt gesehen. Jedes ist speziell in seiner Komposition. Es ist spannend zu sehen, wie unterschiedlich sie in ihrer Farbgebung sind, obwohl ja die Form bei allein gleich ist.” So sieht man beispielsweise eines gleich neben dem großen Kaufhaus „Zum”, das nicht bepinselt, sondern in verschiedenen aber ähnlich gehaltenen Türkistönen besprüht ist. Doch geht man näher heran und schaut auf die Statue von der anderen Seite, sind zwei Pferde zu erkennen. Einmal das große Äußere in den Blautönen, und ein Fohlen in einem kräftigen orange-gelb, das in ihm zu liegen scheint.

An der Oper schauen die Besucher und Passanten neugierig auf die zentral platzierte Statue. Das Pferd auf dem freien Platz ist im Grundton weiß und nur mit roten und grünen Zeichen bemalt. Die Muster erinnern an südamerikanische Symbole in einfacher Form, Kreise und Rechtecke wechseln sich ab, alle sind mit einer dicken schwarzen Linie umrahmt.

Ganz anders sieht eines der insgesamt fünf Ponys aus, das am Austellungszentrum Atakent im Westen Almatys steht. Der Körper ist kräftig hellblau, und darauf ist eine Landschaft gemalt. Ein Regenbogen läuft über den Rücken des Pferdes, und den Bauch zieren zahlreiche Sommerblumen. Vor allem Kinder stehen staunend davor und lachen.

Kasachstan bereit zur Wohltätigkeit

Warum das Projekt „Put Nomadow”  heißt, erklärt Scholpan Baibolowa: „‘Weg der Nomaden‘ ist ein Hinweis auf den kasachischen Ursprung. Das Pferd ist ein wichtiges Sinnbild unserer Geschichte. Es symbolisiert das Nomadentum, die Wanderungen unserer Vorfahren in den Weiten der Steppe und damit Freiheit. Genau diese Freiheit wollen wir im übertragenen Sinn nutzen, damit Menschen, die Blutkonserven brauchen, wieder gesünder und damit freier leben können.” Schon seit zehn Jahren betreut Scholpan Baibolowa verschiedene humanitäre Projekte. Die Idee mit den Pferden entstand im März, wie sie erzählt: „Ich saß mit einigen Freunden zusammen, da ist uns dieser Einfall gekommen. Gleich in der nächsten Woche haben wir Gruppen gebildet und mit der Arbeit angefangen. Sozial tätig zu sein ist meine Mission. Es ist wichtig, tiefer zu schauen und vor allem auch hinter den oberflächlichen Reichtum, der in Kasachstan entsteht.”

Alle Ansprechpartner seien der Idee sehr offen begegnet. Die Künstler arbeiteten ohne Entlohnung, und die Käufer zeigten sich gewillt, die Organisatoren zu unterstützen. Verkauft wurden die Pferde an verschiedene Unternehmen für 5.000 bis 15.000 Dollar. „Dieses Projekt hat gezeigt, dass Kasachstan bereit ist, für wohltätige Zwecke etwas zu tun”, sagt Scholpan Baibolowa.

Noch bis zum 27. Juli werden die Pferde in der Stadt zu sehen sein. Doch für Scholpan Baibolowa bedeutet das längst nicht das Ende ihrer Mission: „Wir arbeiten schon an der Umsetzung einer neuen Idee – es müssen mehr Kindergärten und Spielplätze gebaut werden. Aus Almaty soll eine kinderfreundliche Stadt werden.”

Von Natascha Heinrich

07/07/06

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