„Kinoblick“, die Tage des Russischen Films aus Russland, den GUS-Ländern und dem Baltikum, haben Ende September in Stuttgart und Berlin stattgefunden. Organisatoren waren der russische Filmklub aus Stuttgart und die Russische Akademie der Filmkünste „Nika“.

Die Tage des russischen Films existieren bereits seit drei Jahren und werden immer mehr zu einer Insel russischer Kinoindustrie in Deutschland. Beim Festival „Kinoblick 2005“ wurde die Filmbörse „Plattforma“ in Stuttgart präsentiert, die russischen und deutschen Produzenten Raum für Zusammenarbeit geben soll. „Die Filmbörse ist eine Chance für das Festival, hier können wir nicht nur als Veranstalter, sondern auch als Vermittler auftreten“, sagt Anastasia Alexandrowa, die Festivalleiterin. Dieses Jahr wurde der Preis „1. Stuttgarter Sicht“ verliehen. Gewonnen hat Nikolai Chomeriki mit dem Kurzfilm „Zu zweit“, der auch beim diesjährigen Festival in Cannes mit dem zweiten Preis in seiner Kategorie ausgezeichnet wurde.

Rowdy, Frankenstein und Wodka

Der Berliner Teil der Filmfestspiele im Kino „Babylon“ wurde sehr elegant mit einem Filmkonzert eröffnet. Den Stummfilm mit und von Wladimir Majakowski „Der Rowdy und das Mädchen“ (1918) begleitete das bekannte russische Duo mit Wladimir Wolkow (Kontrabaß) und Wjatscheslaw Gaiworonski (Trompete). Im Programm waren erfolgreiche russische Filme der beiden letzten Jahre. „Mein Stiefbruder Frankenstein“ von Waleri Todorowski und „Kosmos – eine Vorahnung“ von Alexej Utschitel könnten den deutschen Zuschauern die russische Seele oder zumindest die russische Weltanschauung erklären. Dokumentarfilme wie „Russisch“ von Alexander Weledinski und „Wodka – Nationalprodukt Nr. 1“ von Alexej Chanjutin haben auch dazu beigetragen. „Vokalparallelen“ von Rustam Chamdamow (Russland/Kasachstan), dessen Weltpremiere bei den Filmfestspielen in Venedig war, und „Vier“ von Ilja Chraschanowski sind nicht nur neu, sondern auch sehr modern in Russland.
Außerdem waren im Programm auch Amateurfilme wie „Finde mich“ von Alexandra und Inigo Westmayer. Der Film zeigt die Atmosphäre des Lebens der Aussiedler in einer kleinen deutschen Stadt, wo verschiedene Teenager, allesamt Neuankömmlinge aus Kasachstan und Russland, versuchen, eine Liebe und sich selbst zu finden.

Weißrussland ist für deutsche Filmfans noch ein unbeschriebenes Blatt. Umso interessanter war es, die Filme des Sonderprogramms „Im Blickfeld: Weißrussland“ zu sehen. Die Filmhochschule Moskau präsentierte ein Kurzfilmprogramm. Alexej Gusskow war der einzige russische Cineast, der nach Berlin zum Festival „Kinoblick“ gekommen war. Er hatte den Film „Ragin“ zum Programm beigesteuert, den Streifen „Krankenzimmer Nr. 6“ (Regie: Kirill Serebrennikow) produziert und darin auch die Hauptrolle gespielt. „Ragin“ ist eine Koproduktion mit der österreichischen Produktionsgesellschaft „Dor Film“ und ein seltenes Beispiel für einen russischen Film in europäischem Verleih. Jetzt läuft er in Wien und Graz. „Ich habe den Film zusammen mit Zuschauern schon mehrmals gesehen. Alles ist in Ordnung – es wird im richtigen Moment gelacht und im richtigen Moment geweint. Die Russen sind zur Zeit Zyniker, die Deutschen sind sentimental, deshalb gefällt der Film dem deutschen Publikum gut“, sagt eine Filmliebhaberin.

Defizit: 70.000 Euro

Leider gab es bei den Vorführungen wenig Publikum und meistens russischsprachiges.

Doch die Deutschen interessieren sich für Russland. Gründe für die schlechte Resonanz des Festivals könnten mangelnde Werbung und wenig deutsche Presse beim Festival gewesen sein.

„Werbung für „Kinoblick“ zu machen war problematisch, weil die Presse uns momentan nicht gut behandelt. Das „Babylon“ ist vielleicht ein kleiner Palast der Revolution“, so der Direktor des Kinos und Tarkowski-Verehrer Timothy Grossman. Das „Babylon“ existiert nur mit Hilfe staatlicher Subventionen und ist für seine alternative Programmpolitik bekannt. Das Festival sieht Grossman als Start neuen Lebens für sein Kino.

„Unser Kino war die letzten vier Jahre sehr schlecht besucht. Im vergangenen Jahr hatten wir ein Defizit von 70.000 Euro, jetzt wollen wir ein neues internationales Konzept realisieren und neben Filmen auch Konzerte, Lesungen und Theaterstücke anbieten. Wir wollen mit Filmhochschulen, zum Beispiel der in Moskau, zusammenarbeiten und Studentenfilme zeigen.

Nicht nur Timothy Grossman ist optimistisch, was die Zukunft des „Babylon“ betrifft. Alexej Gusskow plant, weiter mit deutschen und österreichischen Filmproduzenten zusammenzuarbeiten. Er ist sicher, dass ein russischer Film nur dann in Deutschland erfolgreich ist, wenn er zusammen mit europäischen Partnern produziert wurde.

„Man muss immer genau wissen, warum dieser Film Deutschen gut gefallen soll. Man braucht eine gute Idee, um  einen deutschen Produzenten zur Investition zu überzeugen“, sagt Alexej Gusskow.

Auf den Filmfestspielen gab es auch die Vorschau des russischen Fantasy-Hits „Wächter der Nacht“ von Timur Bekmambetow zu sehen. Noch ein bemerkenswertes Beispiel: Der Film wurde beim deutschen Verleiher Fox gekauft und läuft jetzt deutschlandweit in den Kinos. Die offizielle Premiere war am 28. September im Berliner Kino „CineStar“ auf dem Potsdamer Platz. Doch die Reaktionen der Zuschauer waren geteilt, von „Ich komme nie wieder einen Moskauer Film sehen, so ein Genre-Chaos“  bis „Mir haben die Effekte und die Darsteller gut gefallen!“ Eine Woche nach dem Start mussten die Kino-Manager entscheiden, ob es sich lohnt, „Wächter der Nacht“ weiter im Programm zu lassen. Er läuft jetzt weiter. Russische Kinematographie bahnt sich einen Weg nach Europa.

14/10/05

Teilen mit:

Все самое актуальное, важное и интересное - в Телеграм-канале «Немцы Казахстана». Будь в курсе событий! https://t.me/daz_asia