Schön sein wollen wir. Und dafür ist uns kein Preis zu hoch. Der Schlankheitswahn ist schon lange im Gespräch. Frauen, die sich auf Minusgrößen runterhungern, um schöner zu werden, und sich nie schön genug finden. Das Barbie-Syndrom. Und wir finden das auch nicht mehr schön, wenn die Knochen zu sehen sind. Drum sollten wir uns über etwas mehr Selbstbewusstsein freuen. Aber nein, das schmeckt uns auch nicht, wenn die beleibteren Damen ihre Fettpölsterchen zwischen Jeans und T-Shirt zur Schau tragen. Und wenn schöne Damen ihre attraktiven Proportionen zeigen, dann ist es auch nicht recht, weil die eigenen Herren eben diesen fremden Damen auf Po und Schenkel stieren.

Alles ist eitel, doch nie ist es schön genug, so wie es ist! Ständig beäugen wir uns gegenseitig, besonders beliebt ist der Scanblick der Frau, einmal rauf und runter vom Scheitel bis zur Sohle. Und ständig beglotzen wir uns selbst im Spiegel, ob alles richtig sitzt. Denn schließlich geht es hier um eines: Man will gefallen. Sich selbst, aber mehr noch den anderen. So ist es überall. Im Prinzip. Nur mehr oder weniger offensichtlich. In Deutschland geht es eher unauffällig zu. Verstohlen, nebenbei, fast unbemerkt, wird ein Spiegelblick im Vorbeigehen erhascht. Nach außen hin ist man ordentlich und gepflegt, aber nicht eitel. Eitelkeit ist eine unangenehme Eigenschaft, Eigenlob stinkt. In Deutschland ist es nicht wichtig, schön zu sein, sondern eine gute Ausstrahlung zu haben. Attraktivität, ja, das ist schon wichtig. Aber die inneren Werte sind immer noch wichtiger. So heißt es nach außen. Insgeheim will es aber doch jeder sein – schön. In Russland ist das anders. „Unsere Frauen sind schön!“, heißt es dort stolz und selbstbewusst. Das finden die Männer, die Frauen selbst und auch die Ausländer. Daran gibt es nichts zu zweifeln. Und drum schauen die Frauen auch mit aller Selbstverständlichkeit in die Spiegel – während des Unterrichts, in der Disco, eigentlich überall. Was man hat, zeigt man gern. In aller Öffentlichkeit wird sich gezupft, gekämmt, Schminke nachgetragen. Dagegen spricht an sich nichts. Etwas befremdlich ist es für uns, etwas zu viel. Aber das ist eben die kulturelle Prägung, und daran gibt es nichts zu meckern. Das tun wir aber trotzdem. Die Russinnen bemäkeln, dass die europäischen Frauen zu wenig Schminke auftragen und sich sowieso zu wenig herausputzen. Und wir Europäerinnen finden es in Osteuropa zu viel der Schönheitspflege. Das ist aber alles harmlos. Weniger harmlos ist der wachsende Markt der Schönheitsoperationen. Fett, Unebenheiten, Hubbel hier und da, alles muss weg, eingeebnet werden. Die Nasen größer oder kleiner, dass die Kurven fließen. Wider die Natur und Individualität. Eigentlich war es die Domäne der Frauen. Aber auch immer mehr Männer hätten gern das perfekte Maß. Ken und Barbie sind wieder auf dem Vormarsch. Der absolute Renner ist die europäische Stupsnase, besonders auf dem asiatischen Markt. So begehrt fast, dass wir in einigen Jahren alle mit der Einheitsnase herumlaufen? Die Globalisierung und Angleichung der Körpermaße. Gar nicht schön, was da passiert.

Julia Siebert

23/03/07

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