Am 10. August besuchte der kasachstanische Präsident Nursultan Nasarbajew die Stadt Pawlodar im Norden. Für den hohen Besuch hat sich die Stadt heraugeputzt. Doch hinter der Fassade bleibt die Stadt grau und sowjetisch.

Am 10. August besuchte der kasachstanische Präsident Nursultan Nasarbajew die Stadt Pawlodar im Norden. Für den hohen Besuch hat sich die Stadt heraugeputzt. Doch hinter der Fassade bleibt die Stadt grau und sowjetisch.

Der Zug verlässt Almaty im Süden und fährt 28 Stunden lang durch die Steppe. Die Distanz von 1.200 Kilometern, die dabei überwunden wird, reflektiert auch die Diskrepanz in der Entwicklung zwischen Almaty und anderen Städten Kasachstans.

Aus der Entfernung erscheint Pawlodar wie eine romatische Großstadt: Am Fluss Irtysch gelegen, eine große Kirche im Vordergrund, viele Lichter. Doch befindet man sich in der Stadt, ist sie grau, farblos und … sowjetisch.

Riesige Banner schmücken die Straßen in Pawlodar: „Nursultan, wir lassen Sie nicht im Stich!“, „Unsere Wahl – Frieden und Stabilität!“. Es erscheint fast so, als befände man sich wieder in der Perestrojka. Damals hatte die Regierung auch versucht, mit großen Sprüchen den Menschen eine Art Gehirnwäsche zu verpassen.

Die Stadt Pawlodar liegt nah an der Grenze zu Russland. Dementsprechend sind die meisten Einwohner Russen. In den Bussen läuft russische Musik, auf den Straßen hört man selten kasachisch. Selbst wenn die offizielle Sprache Kasachisch ist, Pawlodar ist und bleibt eindeutig russisch. Seit der Unabhängigkeit haben die Städte in Kasachstan unterschiedliche Entwicklungen durchlaufen. Manche scheinen in ihrer Entwicklung stehen geblieben, wie Pawlodar. Seit 1991 hat sich die Stadt nicht sonderlich verändert. Graue Plattenbauten aus der Sowjetzeit beherrschen das Stadtbild in Pawlodar. So zerstört die Plattenbauten auch wirken, sie sind alle bewohnt. Auch wenn Häuser an Gefängnisse grenzen, aus denen öfters Insassen ausbrechen, ziehen die Menschen nicht weg.

Nur einzelne Gebäude wie das komplett verglaste Einkaufszentrum „ZUM“ scheinen wie aus einer anderen Zeit nach Pawlodar teleportiert zu sein. Ebenso wenig passt die neue Moschee in die russisch geprägte Stadt. Es ist, als ob das Akimat krampfhaft versuchen würde, die Stadt westlicher und gleichzeitig kasachsicher zu gestalten, ob es passt oder nicht.

Dafür hat Pawlodar wunderschöne Strandpromenaden vorzuweisen. Am Fluss Irtysch versammeln sich am Tag und in der Nacht Menschen zum Baden, Erholen und Karaoke Singen. Denn Karaoke scheint der neue Trendsport zu sein. An der größten Strandpromenade stehen alle fünf Meter Karaokemaschinen.

Im Vergleich zu Almaty, wo der Verkehr chaotisch ist und die Autofahrer nach ihren eigenen Regeln fahren, herrscht auf den Straßen in Pawlodar Ordnung. Im Süden erkennt man den Wohlstand der Menschen an ihren Autos. Jeeps und Mercedes sind in Almaty keine Seltenheit. Dagegen sind in Pawlodar meistens russische Autos unterwegs, selten sieht man ausländische Marken. Bis zum Wohlstand, den die Menschen in Almaty genießen, braucht Pawlodar noch etliche Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Ein einfacher Verkäufer verdient im Norden nur 7.000 bis 10.000 Tenge (40-60 Euro) pro Monat. Das monatliche Durchschnittsgehalt liegt bei 100 Dollar (80 Euro), im Vergleich dazu erscheinen 300 Dollar (240 Euro) in Almaty viel. Dabei sind die Mieten in Pawlodar fast genau so hoch wie in Almaty. Eine Ein-Zimmer-Wohnung kostet dort 250 Dollar (200 Euro) im Monat.

Ein riesiges Problem, das die Einwohner in Pawlodar aber verdrängen, ist die enorme Luftverschmutzung. Tag und Nacht pusten Aluminium- und Chemiefabriken ihre Abgase in die Luft. Auch wenn niemand in der Nähe der Anlagen wohnt, gelangen die Gifte in die Stadt, sobald der Wind sich dreht.

Blickt man also hinter die schöne Fassade von Pawlodar, erkennt man die graue Realität vieler kasachstanischer Städte. Während Almaty mit schönen Parks und neuen Häusern wie eine Oase wirkt, hinken Städte wie Pawlodar in ihrer Entwicklung hinterher.

02/09/05

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