Eigentlich ist Aiman Akylbekova Lehrerin an der DSD-Schule 68 in Almaty. Seit Ende Januar nimmt sie an einem Fortbildungsprogramm für internationale Deutschlehrer teil. Im Rahmen des Programms, welches gemeinsam vom Auswärtigen Amt, dem Pädagogischen Austauschdienst und den Kultusministerien der Länder initiiert ist, verbringt sie ein Jahr an der Leibnizschule in Leipzig. DAZ sprach mit ihr über das vergangene halbe Jahr und auch über ihre Zukunftspläne.
DAZ: Können Sie sich noch an Ihre ersten Eindrücke von Deutschland erinnern?
Aiman Akylbekova: Ja, ich kann mich erinnern. Ich bin über acht Stunden von Almaty nach Frankfurt am Main geflogen. Dann hab ich mir schnell das Ticket für den Zug gekauft und bin falsch eingestiegen, in die 1. Klasse. Außerdem hatte ich so einen großen und schweren Koffer dabei. Dann kam der Schaffner und hat kontrolliert. Er hat mich angesehen und gesagt: “Der Wagen ist fast leer. Sie können bleiben”, weil er bemerkt hat, dass ich fremd war und müde bin. Das war sehr freundlich. Und ein Mann hat mir mit meinem Koffer geholfen. Das war mein erster Eindruck. So freundlich!
Was hat Sie überhaupt dazu bewegt, nach Deutschland zu gehen?
Ich arbeite seit 2002 in Almaty an einer DSD-Schule (Deutsches Sprachdiplom). Unsere Schule bereitet die Schüler auf das DSD-Diplom II vor. Ich hab mir gedacht, es wäre sinnvoll, wenn ich ein Jahr in Deutschland Erfahrung sammle. Ich bin schon fast 30 Jahre an der Schule, aber immer gibt es neue Methoden und Neues zu lernen. Außerdem möchte ich einen Einblick in die pädagogischen Gegebenheiten des deutschen Bildungswesens gewinnen und meine sprachlichen und didaktischen Qualifikationen und mein Deutschlandbild erweitern. Danach werde ich meine erworbenen Fähigkeiten in Almaty anwenden.
Gab oder gibt es auch Herausforderungen in der Arbeit oder im Alltagsleben im fremden Land?
Was den Alltag anbetrifft, war es nicht so schlimm, weil ich mich sehr schnell eingewöhnt habe. Ich bin keine Stipendiatin, ich bin mit TvöD (Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes) angestellt, das heißt, ich bin mit 20 Stunden pro Woche im Unterricht eingesetzt. Am Anfang war es ein bisschen schwierig, weil ich viele Jahre Deutsch als Fremdsprache (DaF) unterrichtet habe, aber hier bin ich als Muttersprachlerin im Russischunterricht eingesetzt und ein wenig beim DaZ-Unterricht (Deutsch als Zweitsprache). Was den Russischunterricht betrifft, Russisch ist nicht das Fach, was ich zu unterrichten gelernt habe. Wie bei uns DaF, kann man hier in Deutschland Russisch als zweite Fremdsprache lernen. Naja, nicht in allen Gruppen war Motivation da, Russisch zu lernen. Das war ein bisschen schwierig. Aber ich habe viel getan, und jetzt geht es gut voran in meiner Gruppe.
Inwiefern unterscheidet sich Unterricht in Deutschland von dem in Kasachstan?
Selbstverständlich gibt es Unterschiede. In Deutschland fällt mir auf, dass man den Schülern die Methoden beibringt, z.B. wie man mit Nachschlagewerken arbeitet, oder wie man einen Aufsatz schreibt oder, sagen wir, eine Bildbeschreibung und, und, und…. Was den Unterricht anbetrifft, wenden wir die gleichen Methoden an. Ich hatte leider nicht so viel Zeit zu hospitieren, denn die Vorbereitung für meinen Unterricht nimmt viel Zeit in Anspruch.
Können Sie etwas zu dem Konzept Ihres Programmes sagen? Wen spricht das an?
Weltweit nehmen Deutschlehrerinnen und -lehrer der DSD-Schulen teil. Im Rahmen dieses Programms müssen wir ein Unterrichtsprojekt durchführen, dokumentieren und präsentieren. Ich habe z.B. in der 10. Klasse im Deutschunterricht acht Stunden Filmanalyse zum Film “Der Vorleser” gemacht. Alles, was ich gemacht habe, muss übertragbar sein, d.h., ich werde es dann in Almaty auch durchführen. Alle Teilnehmer des Programms werden die erworbenen Kenntnisse nutzen, sie an den jeweils eigenen Schulen gebrauchen. Das ist das Ziel des Programms. Wir sollen auch Seminare führen und Deutschlehrer unterstützen.
Was werden Sie an Erfahrungen mit nach Hause nehmen? Was können sie vielleicht in der Zukunft nutzen?
Ich nehme vieles mit, z.B. was das Schulsystem und den Schulalltag angeht. Vieles kann man auch in Kasachstan in meiner Schule verwenden. Ein kleines Beispiel: Die Fächer für die Lehrer. Wir haben keine Fächer, in denen wir z.B. Unterlagen ablegen können. Von allen Kollegen wird enorm viel verlangt, aber es gibt wenig Zeit. In diesem Sinne möchte ich vor allem organisatorische Dinge mitnehmen und übertragen. Außerdem hat unsere Leibnizschule in Leipzig viele außerschulische Tätigkeiten, z.B. den Spendenlauf. Das könnten wir auch machen. Einerseits ist das Sport und andererseits bringt es Geld ein, denn daran mangelt es an der Schule. Da könnte man beschaffen, was die Schule braucht. Auch könnten wir Sponsoren suchen, und die Eltern könnten uns mit Büchern oder ähnlichem unterstützen…
Ich habe auch vor, für den Cornelsen-Verlag eine Präsentation über Kasachstan und Schule in Kasachstan zu machen, und ich möchte als Honorar kein Geld, sondern einen Klassensatz Geographie-Bücher für meine Schüler.
Ich denke, man kann schon vieles machen. Ich habe einige Ideen im Kopf. Auch bei der Zwischentagung habe ich vieles gelernt, z.B. was das Lesen anbetrifft. Wir haben in der Schule in Almaty eine sehr gute Bibliothek, da könnte man mit der Klasse verschiedene Bücher lesen und zur Kontrolle des Leseverstehens Lesemappen oder Wandzeitungen anfertigen. Damit könnte man die Motivation der Schüler wecken, mehr auf Deutsch zu lesen. Ich hoffe, dass das alles machbar ist, mal sehen…
Fallen Ihnen zum Abschluss drei Schlagworte ein, um Deutschland zu beschreiben?
Das Erste, was mir einfällt, ist: ein durchorganisiertes Land in allen Bereichen, z.B. Züge oder Busse oder wenn wir z.B. die Schule nehmen. Heute war ich im Sekretariat und eine Schülerin kam und sagte: “Ich habe mich verspätet, können Sie bitte eintragen, dass ich zu spät bin?” Faszinierend ist, dass so ein großes Verantwortungsbewusstsein da ist.
Und für mich persönlich: Hier, wo ich wohne, gibt es so viele leckere Brote und Brötchen! Die Bäckereien in Deutschland sind super!
Ich danke Ihnen herzlich für das Interview!
Das Interview führte Dela Sawatzki.
———————————————
„Botschafter zweier Kulturen” – Weiterbildungsprogramm für deutschsprachige Lehrkräfte von Auslandsschulen (Ortslehrkräfte).
Die Weiterbildung richtet sich an Lehrkräfte aller Fachrichtungen im Sekundarbereich des deutschen Auslandsschulwesens und an Lehrkräfte von Schulen, die zu einem deutschen Abschluss führen oder die Prüfungen zum Deutschen Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz abnehmen. Die Lehrkräfte hospitieren und unterrichten an ihrer deutschen Gastschule und nehmen an Seminaren des PAD teil. Nach Rückkehr an die von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen geförderten Schulen sollen die Programmteilnehmerinnen und Programmteilnehmer ihre erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen einbringen und die Schule bei der Umsetzung deutscher Schul- und Sprachziele unterstützen. Das Weiterbildungsjahr beginnt jeweils am 1. Februar an der Gastschule. Am 31. Januar des darauf folgenden Jahres endet die Weiterbildung.