Präsident Nursultan Nasarbajew hat nach Ansicht von Kolumnist Bodo Lochmann in seiner „Strategie 2050“ seinem Volk die richtigen Ziele gesetzt. Doch springt der Funken der Begeisterung auch auf die Bevölkerung über?

Die aktuellste Botschaft des Präsidenten der Republik Kasachstan mit der Benennung „Strategie Kasachstan 2050 – der neue politische Kurs eines konsolidierten Staates“ vom Dezember 2012 hat es in sich. Es wird eine Analyse des in den 20 Jahren Unabhängigkeit Kasachstans Erreichten gegeben, gekoppelt mit den Anforderungen, die die rasche Entwicklung der Weltwirtschaft und Weltgemeinschaft überhaupt an die kasachstanische Gesellschaft der nächsten 40 Jahre stellt. Es ist interessant, dieses Dokument zu lesen, wenngleich man sich an manchen Stellen ein leichtes Kopfschütteln nicht verkneifen kann. Grund dafür sind die sehr ambitionierten Ziele, die der Präsident seinem Volk da stellt. Prinzipiell ist es natürlich richtig, sich hohe und anspruchsvolle Ziele zu stellen, die aber immer auch eine realistische Grundlage ihrer Umsetzung haben müssen. Ist Letzteres nicht der Fall, verwandeln sich die hohen Ziele schnell in ein Traumschloss, das beim ersten kräftigen Blasen eines realen Windes in sich zusammenfällt.

Mit Sicherheit werden bis zum Jahre 2050 nicht alle vom Präsidenten genannten Ziele in vollem Umfang erreicht werden. Doch das ist im Einzelfall möglicherweise auch gar nicht entscheidend. Wichtig ist, dass die Zielrichtung stimmt, und in dieser Hinsicht kann man am Dokument eigentlich nicht rumnörgeln.

Jedoch kann ein Präsident allein natürlich die gestellten Ziele nicht erreichen, er braucht ein Mitmachen einer sehr breiten Schicht von Aktiven in allen Bereichen der Gesellschaft. Die Träger der Veränderungen sollten im Idealfall mit ebensolcher Begeisterung wie ihr Präsident die Zukunft des Landes gestalten wollen und können. Hier jedoch ist wohl ein Schwachpunkt der Strategie 2050 gegeben. So wie die Mehrzahl der strategischen Entwicklungsdokumente der Vergangenheit, von denen es in quantitativer Hinsicht mehr als genug gab und gibt, atmet auch das aktuelle Strategiepapier extrem staatslastig. Das heißt, als Generator der Ideen, was strategisch zu tun sei, wirken letztlich die zentralen staatlichen Strukturen, die hinsichtlich der Realisierung der dargestellten Ziele auch zuerst angesprochen werden. Nun beweist sowohl die bisherige Entwicklung Kasachstans, mehr aber wohl noch die des großen Nachbarn China, dass eine stark zentralistische Steuerung der Gesellschaft durchaus erfolgreich sein kann. Doch irgendwann stößt das Model einer stark zentralisierten Steuerung doch an seine Grenzen.

In der Botschaft des Präsidenten werden mehrfach die „Mitbürgerinnen und Mitbürger“ angesprochen, denn es ist ja eine Botschaft an das Volk und nicht vordergründig an den Staatsapparat. Doch ob die interessanten und wohl grundsätzlich auch richtigen Ideen des Präsidenten bei den Angesprochenen auch wirklich als zündender Funke ankommen, ist eher fraglich. Sicher, es wird versucht, eine breite Informationswelle zum Gesagten in der Gesellschaft in Gang zu setzen. So werden alle Einrichtungen, auf die staatliche Stellen irgendwie Zugriff haben (oder meinen, diesen zu haben), in einem doch eher weisungsähnlichen Stil angewiesen, die Präsidenten-Rede zu studieren und zu diskutieren. Das aber läuft alles irgendwie hinterher. Beim Erarbeiten der strategischen Entwicklungsrichtungen ist eine allzu breite öffentliche, vorbereitende Erörterung von Notwendigkeiten der Entwicklung eher die Ausnahme. Zwar wird in letzter Zeit auf kommunaler Ebene durchaus auch das Instrument der öffentlichen Anhörungen genutzt, doch oft eher als eine Art Rechenschaftsbericht der regionalen Führer vor einem ausgewählten Publikum. Der Erkenntnis- und Motivierungseffekt der vielen angewiesenen Veranstaltungen ist meist auch begrenzt.

Im Moment fallen die eindeutig strategisch richtigen Ideen des Präsidenten doch eher wie ein Blitz aus heiterem Himmel auf den Tisch der Leute, die zudem in einem hohen Grade entpolitisiert sind. Die Folge ist, dass auch die besten Ideen von oben eher abstrakt wahrgenommen werden und sie nur bedingt den Zündfunken schlagen, der eigentlich erwartet wird und wohl auch nötig ist. Deshalb muss dann wieder der Staat ran und einen mehr oder weniger effektiven Prozess in Gang setzen, um das Land voranzubringen. Die Potentiale einer natürlichen, vom Volk verinnerlichten und mitgestalteten Entwicklung von unten werden so jedoch nur ungenügend genutzt.

Bodo Lochmann

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